80 Millionen Euro verschwendet? Goncalo Ramos und sein durchwachsener Start bei PSG

Nachdem er seine erste Saison bei Paris Saint-Germain gerade so überstanden hatte, waren alle Augen darauf gerichtet, wie Luis Campos bei einem der anspruchsvollsten Klubs Europas einen Neuanfang einleiten würde. Der oberste Fußballberater des französischen Meisters hatte Trainer Christophe Galtier von seinen Aufgaben entbunden und Neymar verkauft, während er auch den Weggang von Lionel Messi nicht behinderte.

Luis Enrique, der angeblich nur Campos' vierte Wahl für die Nachfolge von Galtier war, kam als neuer Trainer. Und Campos machte sich daran, einen neuen Kader zusammenzustellen. Einer seiner ersten Schachzüge war die Verpflichtung von Goncalo Ramos, der inklusive Kaufpflicht von Benfica ausgeliehen wurde. Obwohl man den Portugiesen in diesem Sommer keinen Cent überwiesen hat, wird Ramos die Pariser eines Tages bis zu 80 Millionen Euro kosten.

Oberflächlich betrachtet machte der Transfer durchaus Sinn. Bei PSG herrschte Ungewissheit über die Zukunft von Kylian Mbappé und man wusste, dass man sich von Messi und Neymar trennen würde. Ein neuer Stürmer - egal welcher Art - war notwendig. Ramos war jedoch nicht der einzige Angreifer, der während des Transferfensters durch die Eingangstür des Parc des Princes ging.

Von den elf Verpflichtungen, die Campos innerhalb von drei Monaten absegnete, waren sechs Offensivspieler. Xavi Simons ist darin nicht inkludiert, er wurde bekanntlich an RB Leipzig verliehen, könnte aber irgendwann zurückkehren. Wenn man bedenkt, dass Mbappé sich schließlich für einen Verbleib entschied, war der Schrank an Optionen plötzlich alles andere als leer.

Daher war es auch klar, dass nicht alle auf ihre gewünschten Einsatzzeiten kommen würden - und im Moment scheint Ramos einer jener zu sein, die nicht so oft spielen wie sie sich das vorstellen. Zunächst 65 Millionen Euro für ihn zu zahlen, fühlt sich bereits wie eine unnötige finanzielle Belastung an, die in den kommenden Monaten bewältigt werden muss. Und sie ist ein Zeichen dafür, dass PSG trotz der Behauptung, vernünftigere Ausgaben zu tätigen, immer noch für die eine oder andere leichtsinnige Investition anfällig ist.

  • Goncalo Ramos Benfica 2022-23Getty Images

    Goncalo Ramos und PSG: Eine Verpflichtung, die Sinn machte

    Als PSG im Sommer 2022 seine Transferziele zusammenstellte, waren einige große Namen dabei. Berichten zufolge stand Bernardo Silva von Manchester City auf der Liste. Ebenso wie Gianluca Scamacca, der schließlich zu West Ham wechselte. Da beide Spieler nicht mehr auf dem Markt waren, wandte sich PSG an Ramos.

    Und in vielerlei Hinsicht machte das auch Sinn, denn die Pariser brauchten einen Mittelstürmer. Da Messi und Neymar nicht mehr so torgefährlich waren wie einst und Mbappé darauf bestand, eine echte Nummer 9 an seiner Seite zu haben, anstatt selbst dort eingesetzt zu werden, schien Ramos, der als 21-Jähriger im Schatten von Darwin Nunez bei Benfica sieben Tore erzielt hatte, eine Investition für die Gegenwart und Zukunft zu sein.

    Campos, der enge Verbindungen zum portugiesischen Fußball hat, drängte auf den Wechsel. Die Pariser kauften aber stattdessen Hugo Ekitiké, einen talentierten, aber unfertigen Stürmer, der in der Saison zuvor zehn Ligue-1-Tore für Reims erzielt hatte.

    Ramos kam der geplatzte Transfer aber zugute. Der Stürmer erhielt in seinem Heimatland ein weiteres Entwicklungsjahr und erzielte 27 Tore. Er war in der Primeira Liga führend bei den Toren ohne Elfmeter und erzielte - Strafstöße ausgenommen - im Durchschnitt 0,79 Tore pro 90 Minuten.

    Aber erst bei der Weltmeisterschaft hat er wirklich auf sich aufmerksam gemacht. Portugal setzte seinen Kapitän Cristiano Ronaldo im Achtelfinale gegen die Schweiz in Katar auf die Bank. An seiner Stelle explodierte Ramos und erzielte einen Hattrick, zu dem auch eines der schönsten Tore der WM zählte.

    Vor allem diese Leistung machte ihn zu einem der heißesten Transferziele für 2023. Zwischenzeitlich waren Manchester United, Real Madrid und Bayern München an ihm interessiert. PSG hatte jedoch bereits Vorarbeit geleistet und schien der Konkurrenz stets einen Schritt voraus.

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  • Goncalo Ramos Portugal 2023Getty Images

    Ein schwacher Start von Goncalo Ramos bei PSG

    Ramos' Start bei PSG war bestenfalls durchwachsen. Sein Debüt, das 0:0 der Pariser gegen Lorient zum Saisonauftakt, war von verpassten Chancen und wenig überzeugenden Szenen geprägt. Der Stürmer hatte die beste Gelegenheit des Spiels, vergab sie jedoch.

    In der nächsten Partie stand er in der Startelf - ein weiteres Unentschieden, bei dem er kein Tor erzielte. Seitdem pendelte er zwischen Anfangsformation und Bank, seine bisher einzigen Tore im PSG-Trikot gelangen Ramos beim 4:0-Sieg gegen Marseille. In seinem ersten Classique ersetzte der Portugiese den verletzten Mbappé und war an diesem Tag wohl effektiver als der französische Nationalmannschaftskapitän, denn er erzielte einen Doppelpack und leitete damit den Erfolg gegen den alten Rivalen ein.

    Ramos ist kein Spieler, der das Toreschießen völlig verlernt hat. Er hat sich in der Nationalmannschaft effektiv präsentiert und spielt mit großem Erfolg in derselben Mannschaft wie Ronaldo. In den letzten beiden Spielen für die Landesauswahl hat er dreimal getroffen und dabei die Fähigkeiten gezeigt, die ihn noch vor einem halben Jahr bei den meisten europäischen Spitzenklubs so begehrt gemacht haben.

    Doch trotz des Erfolgs im Trikot der Nationalmannschaft sind Tore in der Liga bisher Mangelware. Ramos hat nur 31 Prozent seiner Schüsse aufs Tor abgegeben, was laut FBRef den 19. Platz unter den Stürmern der Ligue 1 bedeutet. Irgendetwas klappt einfach nicht.

  • Randal Kolo Muani PSG 2023-24Getty

    Konkurrenz in der Offensive macht es Goncalo Ramos noch schwerer

    Ramos' Schwierigkeiten wurden durch die Tiefe des Kaders, der um ihn herum aufgebaut wurde, nur noch verstärkt. Luis Enrique liebäugelte anfangs mit Marco Asensio als Nummer 9 - doch als sich der Spanier verletzte, ergab sich eine neue Chance.

    Zunächst war es Ramos' Platz, der in Gefahr war. Aber er hat sich ohnehin schnell selbst aus dem Rennen genommen. Randal Kolo Muani scheint nun die zentrale Rolle einzunehmen - mit Mbappé auf dem einen und Ousame Dembélé auf dem anderen Flügel. Und wenn Luis Enrique auf eine 4-2-4-Formation umstellt - etwas, mit dem er mit unterschiedlichem Erfolg experimentiert hat - haben sowohl Bradley Barcola als auch Lee Kang-in schon den Vorzug vor Ramos erhalten.

    Und während keiner der Pariser Angreifer bisher wirklich in die Gänge gekommen ist, scheint die Verbindung zwischen Kolo Muani und Mbappé zu funktionieren. Die beiden kennen sich aus der Nationalmannschaft und Mbappé hat deutlich gemacht, dass er an der Seite eines klaren zentralen Stürmers spielen möchte.

    Außerdem ist Kolo Muani für diese Aufgabe etwas besser geeignet als Ramos. Der Ex-Frankfurter fühlt sich wohler, wenn er auf die Flügel ausweicht oder in die Tiefe startet, während er auch ein scharfer Passgeber ist und den Ball stets erstklassig kontrolliert.

    Noch schwieriger wird es für Ramos, wenn sich der Trainer für einen zusätzlichen Offensivspieler entscheidet. In diesem System müssen Mbappé und Kolo Muani in der Regel die beiden zentralen Positionen besetzen, sodass vier Spieler um die Plätze auf den Außenbahnen kämpfen müssen - ein Bereich des Spielfelds, in dem Ramos einfach nicht besonders gut ist.

    Luis Enrique wird sich natürlich kaum über die Tiefe seines Kaders beklagen. Und Ramos ist natürlich auch noch lange nicht komplett außen vor. Aber zumindest im Moment steht er in der Hackordnung seines Trainers weit unten.

  • Kylian Mbappe Goncalo Ramos PSG 2023-24Getty Images

    Goncalo Ramos bei PSG: Seine Stärken kommen nicht zur Geltung

    Viele Stürmer bewegen sich am liebsten im letzten Drittel des Spielfelds. Für Mbappé ist es die linke Ecke des Sechzehnmeterraums, wo er idealerweise mit seinem rechten Fuß abschließt. Bei Mohamed Salah ist es ähnlich, allerdings auf der rechten Seite. Cristiano Ronaldo schießt in der Regel auf den langen Pfosten. Und Erling Haaland liebt ohnehin den gesamten Strafraum.

    Ramos' bevorzugter Bereich ist derweil sehr spezifisch. In der Tat schießt er oft dasselbe Tor. Von seinen 27 Treffern in allen Wettbewerben der letzten Saison fielen 19 innerhalb des Fünfmeterraumes. Ein großer Teil davon resultierte aus Läufen an Verteidigern vorbei und anschließenden One-Touch-Abschlüssen am kurzen Pfosten. Es war ein nahezu perfektes Rezept für Benfica, das sich das Tempo und die Flankenfähigkeit von Alex Grimaldo zunutze machte, um Ramos zu finden, der den gegnerischen Verteidigern einen Schritt voraus war. Auch Portugal hat dies so genutzt, unter anderem einer von Ramos' drei Treffern gegen die Schweiz kam auf ähnliche Weise zustande.

    Leider ist das aber nicht die Art von Spielzügen, die PSG für gewöhnlich aufzieht. Häufig bietet der Außenverteidiger auf der linken Seite des Spielfelds Mbappé Deckung - und geht nur selten selbst nach vorne. Und wenn es am kurzen Pfosten etwas Platz gibt, dann ist es meist Mbappé, der ihn ausnutzt. Ramos kommt also kaum dazu, seine bevorzugten Laufwege durchziehen zu können. Und sein so häufig genutzter Raum ist von seinem besten Mitspieler besetzt.

    Auch Luis Enrique hat zugegeben, dass Ramos nicht immer optimal in seine Mannschaft passt. "Er bewegt sich sehr gut. Es stimmt, dass wir keine Mannschaft sind, die viel kreuzt, also sehen wir vielleicht nicht seine besten Statistiken, aber er ist ein Spitzenspieler, der einen spektakulären Job macht", sagte er vor dem jüngsten Sieg von PSG gegen Brest. Ramos' eigener Trainer hat also selbst erklärt, dass seine teure Verpflichtung zuweilen einfach nicht die richtige Passform für sein Spiel hat.

  • Randal Kolo Muani Goncalo Ramos PSG 2023-24Getty

    Goncalo Ramos bei PSG: Noch ist nicht alles verloren

    Aber Ramos hat im Kampf um die Plätze einige klare Vorteile gegenüber seinen Mitspielern. Die eine Eigenschaft seines Spiels, die immer zu seinen Gunsten ausfallen wird, ist seine Defensivarbeit. Er ist einer der Stürmer mit den meisten Tacklings und klärenden Aktionen - und die Zahlen bestätigen, dass Ramos ein hervorragender Pressingspieler ist. Für eine PSG-Mannschaft, die gerne nach Ballgewinn schnell in die Offensive kommt, ist das eine wertvolle Stärke.

    "Ich liebe Goncalo, nicht nur wegen seiner Tore", sagte Benfica-Trainer Roger Schmidt mal gegenüber The Athletic. "Seine Einstellung ist hervorragend, er schießt Tore, hilft aber auch mit harter, defensiver Arbeit und weiß, wie man mannschaftsdienlich spielt."

    Ein Blick auf sein allgemeines Laufverhalten bei Benfica deutet darauf hin, dass Ramos genug Potenzial hat, um sich tief fallen zu lassen und auch als Verbindungsspieler zu agieren. In seiner ersten Saison in Portugal agierte Ramos oft als zweiter Stürmer und es gab Anzeichen für die Art von schnellem Umschaltspiel, auf das PSG setzt. Seine Neigung, schnelle Pässe zurück ins zentrale Mittelfeld zu spielen, bevor er in den Rücken der Verteidiger läuft, könnte auch den Kontern der Pariser Variabilität verleihen.

    Doch Ramos' vielleicht offensichtlichster Vorteil ist der Mangel an Torjägerqualität in der vordersten Reihe von PSG. Von den sechs Offensivspielern, die PSG in diesem Sommer verpflichtet hat, haben bisher nur zwei - Kolo Muani und Ramos - mehr als einmal getroffen. Dembélé, die vermeintlich wichtigste Option auf dem rechten Flügel, hat noch keinen Treffer erzielt. Lee hat in kurzen Phasen beeindruckt, ist aber eben kein Mittelstürmer, sondern eher ein Kreativkopf.

    Das lässt die Tür für Ramos offen, irgendwann in die Mannschaft zurückzukehren. Natürlich wäre es für ihn nicht optimal, wenn er lediglich wegen der Unzulänglichkeiten seiner Teamkollegen neue Chancen erhält. Aber wenn er dadurch mehr Spielanteile bekommt und möglicherweise regelmäßig Tore erzielt, wird er sich wohl kaum darüber beschweren.