Gianluigi Donnarumma in miserabler Form - PSG sollte sich nach einem Herausforderer im Tor umsehen

Die Frage war vorprogrammiert. Paris Saint-Germain hatte gerade Le Havre dank der Tore von Kylian Mbappé und Mittelfeldspieler Vitinha mit 2:0 besiegt - ein ordentliches Ergebnis gegen einen schwer zu bespielenden Gegner. Es war die Art von Spiel, in der die Pariser auch schonmal Punkte liegen gelassen hätten. Aber die Mannschaft von Trainer Luis Enrique hatte es relativ locker gemeistert.

Ein Fehler von Torhüter Gianluigi Donnarumma jedoch dominierte die Schlagzeilen. Der Italiener wurde bereits nach zehn Minuten wegen einem Kahn-ähnlichen Kung-Fu-Tritt gegen Stürmer Josue Casimir des Feldes verwiesen. Enrique sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen. "Es gibt kein Problem mit Gigio", erklärte der ehemalige Trainer des FC Barcelona.

Doch trotz aller Beteuerungen des Trainers war dies ein beunruhigender Moment für die Pariser. Donnarumma befindet sich schon seit einiger Zeit in einer schwachen Form, die letzten sechs Wochen waren besonders miserabel. Ihm scheinen derzeit in jedem Spiel Fehler zu unterlaufen und er hat Schwierigkeiten, sich an den ballbesitzorientierten Stil anzupassen, den sein neuer Trainer fordert.

In Anbetracht der Tatsache, dass Arnau Tenas, der Donnarumma für 80 Minunten sowie am Samstag beim 2:1-Sieg gegen den FC Nantes vertrat, muss sich der Italiener Sorgen machen. Denn spielt Tenas konstanter, wird es für ihn komplizierter, seinen Stammplatz zu behalten. Sein Glück ist ohnehin, dass Keylor Navas, die Nummer zwei, derzeit verletzt ausfällt.

Es ist sicher noch nicht an der Zeit, dass die italienische Nummer eins PSG verlassen muss - aber seine Eignung war nie fraglicher.

  • Gigi Donnarumma PSG 2023-24Getty Images

    Gianluigi Donnarumma: Pro Spiel ein Patzer

    Es ist noch nicht an der Zeit, in Panik zu verfallen - zumindest noch nicht. Donnarumma hat nicht allzu viel von seinen Fähigkeiten als Torhüter eingebüßt. Auch seine Leistungen bei der EM 2021, als er von France Football den Goldenen Handschuh als bester Torhüter des Jahres bekam, sollten nicht vergessen werden.

    Aber es gehört heutzutage mehr dazu, ein Torhüter auf höchstem Niveau zu sein - das wissen wir spätestens seit Manuel Neuers Auftritten bei der WM 2014 in Brasilien.

    Und genau da hapert es bei dem italienischen Torhüter. Er ist ein durchschnittlicher, aber unspektakulärer Passgeber und verfügt nicht unbedingt über die athletischen Fähigkeiten, um als "Libero" zu spielen.

    Das ist etwas, das in fast jedem Spiel deutlich wird. Für eine Mannschaft, die nicht nur die Ligue 1 gewinnen, sondern auch um die Champions League mitspielen will, kassiert PSG zu viele Gegentore. Donnarumma ist im Allgemeinen ein vielbeschäftigter Keeper. In jedem Spiel zeigt er gute Paraden, wehrt Fernschüsse mit einem Hechtsprung ab und faustet Flanken mit einem beherzten Sprung weg.

    Aber er scheint auch immer mindestens einen gravierenden Fehler zu machen. Gegen die AS Monaco schenkte er Gegenspieler Takumi Minamino praktisch ein Tor. Im Heimspiel gegen die AC Mailand hätte ein ungeschickter Kopfballtreffer den Gästen fast die Rückkehr in ein Spiel ermöglicht, das die Pariser dominiert hatten. Und am vergangenen Mittwoch konnte er einen Schuss von Miguel Almiron nicht festhalten, was Newcastle United im Parc des Princes den Führungstreffer ermöglichte.

    Auch das ist nicht neu. Patzer gegen Bayern München in der Champions League 2023 und gegen Real Madrid im Jahr zuvor haben seine Mannschaft in der K.-o.-Phase teuer zu stehen gekommen.

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  • Donnarumma Milan PSGGetty

    Gianluigi Donnarumma: Unschöne Rückkehr zur AC Mailand

    Der vielleicht schlimmste Abend in der jüngsten Pechsträhne von Donnarumma war die Rückkehr nach Mailand, wo er im November auf seinen Heimatverein traf. Die AC-Fans hatten schon lange ihren Frust über seinen Abgang geäußert. Der damals 22-Jährige weigerte sich, einen neuen Vertrag bei den Rossoneri abzuschließen, und nahm stattdessen ein äußerst lukratives Vertragsangebot in Paris an.

    Donnarumma bemühte sich im Vorfeld des Duells um Gelassenheit. "Das Spiel gegen die AC Mailand bedeutet mir sehr viel, aber ich muss meine Emotionen unter Kontrolle halten und mich auf das Spiel konzentrieren", erklärte er auf der Vereinsseite von PSG. "Ich fühle mich hier sehr wohl, wir sind wie eine große Familie bei Paris Saint-Germain, und das war auch in Mailand der Fall. Ich werde sie immer in meinem Herzen behalten."

    Aber die Fans der Rossoneri teilten diese Meinung nicht. Sie überschütteten den Torhüter mit gefälschten Geldscheinen, die mit einem Bild seines Gesichts und den Worten "Dollarrumma" und "mercenario" - italienisch für Söldner - versehen waren. Während des gesamten Spiels war er Spott und Buhrufen ausgesetzt und wurde bei jeder Ballberührung ausgepfiffen. Die Fans in San Siro beschimpften ihn mehrfach als "Hurensohn".

    Und dann war da noch seine Leistung. Obwohl die Pariser früh in Führung gingen, dominierte Milan den Rest des Spiels. Dank dem 2:1-Heimsieg sind sie weiterhin im Rennen um die K.o.-Phase. Und Donnarumma hatte seinen Anteil daran - wenn auch zum Nachteil PSGs. Er parierte den Ball direkt vor die Füße von Rafael Leão, der den Ausgleichstreffer für Milan erzielte. Für den Rest des Spiels machte er allerdings eine gute Figur.

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    Gianluigi Donnarummas Kung-Fu-Kick gegen Le Havre

    Der entscheidende Fehler passierte jedoch am vergangenen Sonntag in Nordfrankreich. Donnarumma sah nicht wirklich so aus, als wüsste er, was er tat, als er aus seinem Strafraum taumelte, um den heranstürmenden Angreifer zu treten und den Ball zu klären. Zunächst sah es so aus, als würde er das Laufduell locker gewinnen - doch als der Ball aufsprang, richtete er sich auf und wurde langsamer - und Donnarumma konnte nicht reagieren.

    Er schwang träge sein rechtes Bein und traf Casemirs Kopf in einer Aktion, die mehr an Wrestling als an Fußball erinnerte. Donnarumma sackte auf den Rasen und wälzte sich. Er erholte sich jedoch erstaunlich schnell, nachdem der Schiedsrichter ihm die völlig verdiente Rote Karte gezeigt hatte. Am Ende musste Kylian Mbappé seinen Keeper vom Platz begleiten. Für Donnarumma war es die vierte Rote Karte seiner Karriere, die erste seit 2021.

    Der Schiedsrichter hatte keine andere Wahl, als ihn des Feldes zu verweisen - trotz der Proteste der Pariser. Es war die vorläufige Krönung einer miserablen Saison für den Torhüter, der sich nun fragen muss, ob er der richtige Mann für diesen Job ist.

  • Arnau Tenas PSG Le HavreGetty

    Arnau Tenas wird es Gianluigi Donnarumma nun zeigen wollen

    Die starke Leistung seines Ersatztorhüters Tenas tat ihm dabei keinen Gefallen. Der ehemalige Spieler des FC Barcelona hat Keylor Navas als Nummer zwei im Tor von PSG abgelöst, und es sieht so aus, als ob der erfahrene Costa Ricaner den Verein im Januar 2024 verlassen wird. Sergio Rico steht derweil kurz vor der Genesung, nach seinem schrecklichen Reitunfall vor sechs Monaten.

    Tenas wechselte im Sommer in den Parc des Princes, nachdem dem 22-Jährigen bei Barca kein neuer Vertrag angeboten worden war. Er war die erste Verpflichtung von Luis Enrique als PSG-Trainer, was dadurch begünstigt wurde, dass die beiden denselben Agenten haben - und auch die katalanische Herkunft.

    Luis Enrique fand Tenas schon immer stark. Er berief den Keeper im März 2022 in den Kader der spanischen Nationalmannschaft, obwohl er in Katalonien noch kein einziges Mal für die Profis gespielt hatte.

    Gegen Le Havre reagierte Tenas auf das Missgeschick von Donnarumma mit sieben Paraden, darunter zwei direkt hintereinander, als PSG kurz vor Schluss nur 1:0 führte. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Er wirkte viel gelassener als Donnarumma, wenn er den Ball am Fuß hatte.

    Der Trainer, der in der Presse für seine Kritik an einigen seiner Spieler bekannt ist, lobte seinen Ersatztorhüter mit den Worten: "Arnau ist ein Beispiel dafür, was es heißt, bereit zu sein und jeden Tag zu trainieren, um die Chance zu nutzen, die er heute hatte. Er hat die Belohnung erhalten, die er für seine Professionalität verdient. Wir wussten bereits, wie gut er ist. Da Donnarumma nun eine ordentliche Sperre bekommt, wird Tenas mehrmals die Gelegenheit bekommen, sich zu beweisen.

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    Luis Enrique: Stets bereit, den Torhüter zu wechseln

    Luis Enrique hat eine merkwürdige Geschichte zu Torhütern. Berühmt ist, dass er David de Gea in Topform nicht in die spanische Nationalmannschaft berief und stattdessen Unai Simon von Athletic Bilbao das Trikot mit der Nummer eins gab. Auf einer Pressekonferenz im Juni 2022 erklärte er diese Entscheidung, die viele verblüffte: "Ein Torhüter sollte das Spiel eröffnen und die erste Überlegenheit erzeugen. Er muss das Spiel in der Luft dominieren. Ich brauche einen Torhüter, der mir Ruhe und Gelassenheit vermittelt - und das heißt nicht, dass er keine Fehler macht, Fehler gehören zum Fußball dazu. Aber was sie erzeugen, gefällt mir sehr."

    Das hat er auch in Barcelona getan. Als Victor Valdes sich dem Ende seiner Karriere näherte, holte Luis Enrique den Chilenen Claudio Bravo und machte ihn in der Saison 2014/15, in der die Blaugrana das Triple gewann, zu seiner ersten Wahl. Marc-Andre ter Stegen war zu dieser Zeit verletzt, aber nach seiner Rückkehr in den Vollbesitz seiner Kräfte ließ Luis Enrique die beiden Torhüter abwechselnd spielen - vor allem, weil beide stark mit den Füßen sind.

    Noch weiter zurück, bei Celta Vigo in der Saison 2013/14, holte Luis Enrique Yoel Rodriguez von einer Leihgabe zurück und überließ dem Celta-Nachwuchsspieler den ersten Platz zwischen den Pfosten - und entschied sich, die Leihgabe Javi Varas aus Sevilla nicht dauerhaft zu verpflichten. Rodriguez spielte in dieser Saison jede Minute und wurde dazu angehalten, den Ball so oft wie möglich zu passen.

    Für den PSG-Trainer sind das knallharte Prinzipien. Er selbst hat zugegeben, dass er kein Problem damit hat, wenn seine Torhüter Fehler machen. "Ich bin es, der verlangt, dass der Torhüter den Raum abdeckt, wenn also jemand verantwortlich ist, dann ich. Meistens läuft es gut. Wenn es nicht gut läuft, ist es mein Problem", sagte er nach dem Platzverweis von Donnarumma.

    Aber man erwartet, dass sein Torhüter lernt. Es gibt bereits Gerüchte über die Suche nach einem Ersatz. Lucas Chevalier zeigt beim OSC Lille aktuell beispielsweise Topleistungen. Ob es sich dabei um mehr als nur Gerüchte handelt, bleibt abzuwarten, aber der Druck ist auf jeden Fall groß. Aus der Historie wissen wir: Enrique ist bereit, den Torhüter zu wechseln.

  • Donnarumma Luis EnriqueGetty

    Gianluigi Donnarumma: Hält der Trend an, dann...

    Das soll nicht heißen, dass Donnarumma seinen Wechsel nach Paris bedauern sollte. Denn es war klar, dass er direkt an der Weltklasse gemessen wird. Seine Fangquote gehört nach wie vor zu den besten der Welt, und er hat zweifellos die körperlichen Voraussetzungen, um in einem der größten Klubs der Welt in der Startelf zu stehen.

    Und er weiß, dass der Druck unvermeidlich ist. Gianluigi Buffon, sein erklärtes Idol, hat das auch zugegeben. "Ich denke, Donarumma hat sich ein dickes Fell zugelegt, wenn es um Kritik und ständige Selbstzweifel geht. Ich glaube, wenn man zu den drei besten Torhütern der Welt gehört, ist es normal, dass jeder Fehler eine Kontroverse auslöst", sagte er der französischen Sportzeitung L'Équipe.

    Wahrscheinlich hat Donnarumma also die Zeit auf seiner Seite. Selbst Enrique, der für seine Kompromisslosigkeit bekannt ist, wird ihm Zeit geben, sich zu verbessern. Doch wie der Trainer in der Vergangenheit bewiesen hat, kann die Geduld nur eine bestimmte Zeit lang anhalten.

    Donnarumma wird vorerst seine Fehler machen dürfen. Aber wenn sie sich fortsetzen und seine Vertretung Tenas beeindrucken sollte, wird er vielleicht nicht mehr lange in der Startelf von PSG stehen.