"Wir müssen emotionalen Fußball spielen", hatte Julian Nagelsmann nach der enttäuschenden Vorstellung vor einem Monat bei der 0:2-Pleite in der Slowakei gefordert. Das Thema Emotion forderte der damals nach Spielschluss sichtlich angefressene Bundestrainer mit aller Vehemenz in Zukunft von Beginn an und durchgehend ein. Das 4:0 gegen Luxemburg zeigte: Die Mannschaft hatte ihn erhört.
gettyDFB-Sieg gegen Luxemburg liefert nur einen Hauch von Erkenntnis: Die echte Nagelprobe wird "super eklig"
Allerdings muss gleichzeitig deutlich festgehalten werden, dass die Partie gegen den 79 Minuten lang in Unterzahl agierenden Underdog der Prototyp eines Musters ohne Wert war. Wie im Handball spielte die DFB-Elf im Grunde das gesamte Spiel um den Luxemburger Strafraum herum, gefordert wurde sie nie.
Zwar gab es bei den zarten Umschalt- und Konterversuchen der Gäste ein, zwei Szenen, in denen das deutsche Gegenpressing mit hoher Intensität den Ball sofort wieder zurückeroberte und die Spieler ein gutes Rückzugsverhalten an den Tag legten. Doch ob nach der Schmach von Bratislava und Nagelsmanns eindringlichen Worten wirklich ein Lerneffekt bei seinem Team eingetreten ist, darauf gab die Begegnung am Freitagabend keine Antwort.
"Was die Gier angeht, war es eine deutliche Steigerung", stellte der Trainer nach Spielschluss nur das Offensichtliche fest. Der Kapitän, Doppelpacker und neue, alte Rechtsverteidiger Joshua Kimmich war von der grundsätzlichen Herangehensweise ebenfalls angetan: "Es war wichtig, dass wir in der Art und Weise gewonnen haben und gewisse Prinzipen sowie auch Einstellungsthemen an den Tag gelegt haben. Wir waren von Anfang an sehr, sehr griffig. Es ist wichtig, dass wir nach Ballverlusten schnell umschalten und uns die Energie als Team holen. Ein gutes Gegenpressing ist dann auch ein Zeichen an den Gegner."
AFPJulian Nagelsmanns Botschaften ähneln dem Ansatz von Niko Kovac
Doch der war in Sinsheim mit zehn Mann dermaßen unterlegen, dass die Partie nur eine Richtung kannte und durch das frühe 2:0 nach Kimmichs Elfmetertor (21.) auch schon entschieden war. Der Sieg gegen den 96. der Weltrangliste steht nun in den Büchern, sollte aber schon jetzt niemanden mehr interessieren.
Vor Anpfiff skizzierte Nagelsmann noch einmal, welche Botschaften er seiner Truppe vermittelt hat. Sie ähneln etwas dem Ansatz von Borussia Dortmunds Trainer Niko Kovac, für den der Fokus auf die Defensive primär ist und der von seinen Spielern eine hohe Einsatzbereitschaft als Basis dafür verlangt, dass sozusagen dadurch in der Folge auch die individuelle Qualität der Spieler zum Vorschein kommt.
"Wir haben versucht, noch einmal klar die Hierarchie in der Denkweise der Spieler zu schärfen: Dass wir über die Defensive kommen wollen, gemeinschaftlich als Team verteidigen müssen, um die Emotionalität auf den Platz zu bringen", sagte Nagelsmann und führte aus: "Dann kommen die Kreativität und die Qualität, die wir auch haben. Die kommt aber immer, nachdem wir den Gegner defensiv versuchen aufzufressen und alles reinzulegen. Wir müssen über eine defensive Stabilität und Emotionalität ins Spiel finden."
Getty Images SportPartie gegen Nordirland in emotionalem Stadion als Gradmesser
Das mag als Auftrag an eine erfahrene Profimannschaft bisweilen banal klingen. Doch mit Blick auf eine gesunde und kontinuierliche Entwicklung zur WM 2026 hin ist dieser Appell dennoch zum jetzigen Zeitpunkt wichtig und sollte alsbald umgesetzt werden, damit sich daraus idealerweise in den kommenden Spielen eine Routine einstellt.
Der erste ernst zu nehmende Test wird daher erst am Montag in Nordirland folgen müssen. Der Windsor Park in Belfast ist ein emotionales Stadion, das ausgezeichnet als Gradmesser für die deutsche Lernkurve herhalten kann.
Auch Nagelsmann beschrieb die Nordiren als "sehr unangenehm" und lieferte die Gründe dafür gleich mit: "Diese vielen langen Bälle, die sie spielen, sind super eklig zu verteidigen. Sie entwickeln dadurch viel Stress, im Hinspiel hatten sie 20 Standardsituationen. Das machen sie sehr gut. Das wird eine andere Hausnummer als heute."
Getty Images SportDFB-Team benötigt anderes Repertoire an Zweikampfführung und Intensität
Der Coach sieht die Herausforderung auf der Insel darin, dass das Spiel Nordirlands "manchmal schwer zu pressen" sei, da "sie das alles überspielen". Von Nagelsmanns Mannschaft wird also ein anderes Repertoire an Zweikampfführung und Intensität abgefragt werden, viele Luftduelle und der Kampf um zweite Bälle dürften auf das Team warten.
"Das ist eine Mannschaft, die gallig ist", kündigte Nagelsmann an. Wenn er das nach Spielschluss am Montagabend auch über seine eigene Auswahl sagen kann, wäre wirklich ein erster Schritt gemacht.

