EXKLUSIV
Wenn am Montagmorgen um halb sieben der Wecker klingelt, würde sich wohl jeder von uns gern noch einmal umdrehen und etwas liegenbleiben – egal ob mit 8, 18 oder 48 Jahren. Noch schwerer fällt das Aufstehen, wenn man schon beim Verlassen des Hauses weiß, dass man in der Regel nicht vor 22 Uhr zurück ist und sich schon morgens darauf freut, völlig erschöpft zurück ins Bett zu fallen. Was für die meisten von uns einem Albtraum gleicht, ist für den 18-Jährigen Jason Ceka Realität.
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Eigentlich ist Ceka ein ganz normaler Teenager, der sich im Alltag mit Themen wie Schule, Führerschein und Freundschaft beschäftigt. Anders als alle seiner Mitschüler, die in der zwölften Klasse kurz vor dem Fachabitur stehen, strebt der Essener allerdings keinen Job als Kaufmann oder ein Studium an, sondern denkt in anderen Dimensionen. Er hat den großen Traum, Fußballprofi zu werden und ordnet diesem Ziel alles unter.
Denn der Deutsch-Albaner hat geschafft, was jeder Nachwuchsfußballer sehnsüchtig anstrebt: Er spielt in der Jugendabteilung eines Bundesligisten und wird in der U19 des FC Schalke 04 von niemand geringerem trainiert als Norbert Elgert, der schon Spielern wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Julian Draxler oder Leroy Sane zu Profikarrieren verholfen hat.
Auf der Straße vom großen Bruder gelernt
Es überhaupt bis in die U19 einer der renommiertesten Jugendabteilungen Europas zu schaffen, ist ohne Frage ein großer Erfolg und nur mit viel Talent, eisernem Willen und reihenweise Entbehrungen möglich. Der vermeintlich letzte Schritt, es aus der U19 zu den Profis zu schaffen, ist allerdings mindestens noch einmal genau so schwer. "Fußball ist mein Leben", erklärt Ceka im exklusiven Gespräch mit Goal. "Es ist mein großer Wunsch, Profi zu werden und ich werde alles dafür tun. Natürlich ist es ein großes Ziel, doch ich bin davon überzeugt, dass ich es schaffen kann."
Seine Leidenschaft für das runde Leder entdeckte der 18-Jährige schon im frühesten Kindesalter. So begann er seine Laufbahn bereits als Vierjähriger in der Bambini-Mannschaft des VfB Frohnhausen, ehe er im Alter von neun Jahren zum Traditionsverein Rot-Weiß Essen wechselte. "Dort habe ich vier Jahre gespielt, bis ich den Sprung zu Schalke geschafft habe", erklärt er seinen sportlichen Werdegang.
Gerade in Kindertagen reichte Ceka das Vereinstraining bei weitem nicht aus. Fast jeden Tag zog es ihn zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Ray auf den Bolzplatz, wo sich der kleine Jason schon früh mit älteren Fußballern messen musste. "Mein Bruder ist zwei Jahre älter und selbst ein guter Fußballer, der in der Jugend bei Rot-Weiß Essen gespielt hat", sagt er. "Dass ich früher häufig gegen Ältere gespielt habe, hat mich fußballerisch auf jeden Fall weitergebracht."
Fußball statt Disco und Party
Denn auch heute ist Ceka mit seinen 1,69 Metern regelmäßig der kleinste Spieler auf dem Platz, weiß als offensiver Mittelfeldspieler aber trotzdem wie man sich gegen körperlich überlegene Gegenspieler durchsetzt. Beweis dafür sind unter anderem seine sechs Treffer, die er in der laufenden U19-Bundesligasaison bereits erzielen konnte. Vor allem technisch und im Eins-gegen-Eins macht dem Zehner so schnell keiner etwas vor.
Die Basis für die bisher erfolgreiche Saison des Esseners wird im Training auf Schalke gelegt. Fünfmal die Woche wird am Berger Feld trainiert, während jeden Sonntag ein Spiel ansteht. Nur am Mittwoch ist für Ceka und seine Teamkollegen trainingsfrei. Viel Freizeit bleibt da allerdings auch nicht, da kurz vor dem Fachabitur für die Schule gelernt werden muss. "Es ist ziemlich schwer, Schule und Fußball unter einen Hut zu bringen. Meistens komme ich erst um 16 Uhr von der Schule nach Hause und der Bus, der mich zum Training fährt, steht schon vor der Tür und wartet. Ich habe also keine Zeit, Pause zu machen und weniger Zeit, für die Schule zu lernen als andere", beschreibt er seinen Alltag. "Trotzdem ist es wichtig, auch in der Schule am Ball zu bleiben, um neben dem Fußball eine zweite Option zu haben, um für die Zukunft gerüstet zu sein."
Spätestens wenn man sich diesen Mammut-Alltag vor Augen führt, wird klar, welche Entbehrungen Teenager wie Ceka für ihren großen Traum in Kauf nehmen müssen – mit der leisen Befürchtung, dass es vielleicht doch nicht für die Profi-Karriere reichen könnte. "Ich muss schon auf Einiges verzichten. Wenn meine Freunde am Samstagabend um die Häuser ziehen, muss ich regelmäßig zu Hause bleiben, da Sonntagfrüh ein Spiel ansteht", gibt der 18-Jährige zu. "Discobesuche oder ähnliches sind fast nie drin."
"Klar verspürt man Druck"
Da auch die Knappenschmiede auf Schalke um die Probleme der Jugendlichen weiß, versucht der Verein, seine Spieler bestmöglich zu unterstützen. Egal ob mit Physiotherapeuten, die sich speziell um die Jugend kümmern, Nachhilfe für die Schule oder auch sportpsychologischer Beratung. "Doch vor allem meine Mitspieler und das Trainerteam helfen mit extrem, da sie genau wissen, was ich durchmache", macht Ceka klar.
Und obwohl die Jugendmannschaften von S04 immer als eine Einheit auftreten und der Teamgedanke großgeschrieben wird, geht es in der Mannschaft um Einzelschicksale und auch Konkurrenzkampf spielt eine große Rolle. Gerade die sportpsychologische Beratung soll den Jugendlichen in Sachen Stressbewältigung zur Seite stehen. "Klar verspürt man Druck", verrät Ceka. "Doch ich glaube, das ist relativ normal. Jeder von uns hat den Wunsch, Profi zu werden und würde alles dafür tun."
Obwohl es für den jungen Spielmacher in dieser Saison mit sechs Toren gut läuft, ging auch in seiner Karriere nicht immer alles von selbst. So war seine Aussicht auf ausreichend Spielzeit als junger U19-Jahrgang in der vergangenen Saison nicht sehr hoch, sodass Ceka nach einem Gespräch mit Elgert und den Schalker Verantwortlichen entschied, zunächst ein Jahr zurück zu Rot-Weiß Essen zugehen, ehe er es in der Saison 2017/18 noch einmal in Gelsenkirchen probiert. "Für meine Entwicklung ist es wichtig, viel Spielzeit zu bekommen, die mir auf Schalke niemand garantieren konnte. Deshalb hat es auch für mich Sinn gemacht, ein Jahr zurück zu Rot-Weiß zu gehen", schätzt der 18-Jährige realistisch ein.
"Es ist etwas Besonders, unter Elgert zu trainieren"
Was auf den ersten Blick wie ein Karriereknick wirkt, war für Ceka so etwas wie die Initialzündung, denn in seiner Heimat Essen wurde er auf Anhieb Stammkraft und Führungsspieler. Starke acht Treffer in 22 Einsätzen gelangen ihm für den Absteiger aus der Bundesliga-West, weswegen er mit breiter Brust zurück zu S04 kam: "Ich bin ein Typ mit viel Selbstvertrauen, glaube an meine Qualitäten und zweifle nicht so sehr an mir."
Dieses Selbstbewusstsein scheint sich in der aktuellen Saison auszuzahlen, denn obwohl Ceka nicht immer erste Wahl ist, ist er nach Mittelstürmer Florian Krüger der zweitbeste Torjäger seiner Mannschaft. Großen Anteil daran hat auch Trainer Elgert. "Er hilft jedem Einzelnen sowohl im fußballerischen Bereich als auch persönlich", schwärmt er. "Norbert Elgert schafft es unsere Charaktere zu formen und hilft uns dabei, erwachsen zu werden. Man lernt enorm viel von ihm und merkt sofort, dass er unfassbar viel Ahnung von Fußball hat."
Dabei kümmert sich der 60-Jährige intensiv um jeden Spieler und führt fast jede Woche Einzelgespräche mit den Jugendlichen. "Gerade, wenn es nicht so gut läuft, spricht er unter vier Augen mit uns und versucht klarzumachen, wo genau wir uns verbessern müssen. Es ist wirklich etwas Besonderes, unter ihm zu trainieren", erklärt Ceka.
"Meine Mentalität und mein Temperament sind albanisch"
Ähnlich besonders wird für den 18-Jährigen auch sein erstes Junioren-Länderspiel gewesen sein. Im April 2017 streifte er das erste Mal das DFB-Trikot über und trug dazu bei, dass die U18 mit 3:0 gegen Österreich gewinnen konnte. "Ich habe der Jugendförderung des DFB sehr viel zu verdanken", weiß der gebürtige Essener, der seitdem zum erweiterten Kader der Nationalmannschaft gehört und regelmäßig zu Lehrgängen des Sichtungskaders eingeladen wird.
Als Sohn albanischer Eltern schlägt allerdings auch ein albanisches Herz in seiner Brust "Bei uns zu Hause wird teilweise albanisch gesprochen und gekocht", verrät er. Auch weil der Großteil der Familie Ceka noch heute in Albanien lebt, kann sich Jason voll mit der albanischen Kultur identifizieren und fühlt sich ein stückweit albanisch: "Ich würde sagen, dass vor allem meine Mentalität und mein Temperament albanisch sind."
Sollte es der 18-Jährige tatsächlich in den Profibereich schaffen, könnte er sich deshalb auch "gut vorstellen, für Albanien zu spielen, sollte der DFB kein Interesse an mir haben." Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg und auch Ceka weiß, "dass es keinen Sinn macht, so etwas schon jetzt zu planen, da ich nicht wissen kann wie meine Entwicklung in dieser Saison weitergeht. Erst danach wird sich zeigen, wohin der Weg tatsächlich führt."
Das Ziel des deutsch-albanischen Dribblers ist jedoch klar definiert: "Es wäre ein Traum, meinen Lebensunterhalt mit dem Fußball zu finanzieren und mein Hobby zum Beruf zu machen."
Bis es soweit ist, muss sich der Junioren-Nationalspieler allerdings noch etliche Male aus dem Bett quälen, die lästige Führerscheinprüfung hinter sich bringen, das Fachabitur abschließen – und natürlich das tun, was er am liebsten macht: Fußball spielen.



