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Carlos Eduardo: Die Wende zum Schlechten


HINTERGRUND

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Transfers in der Größenordnung von zweistelligen Millionensummen noch die absolute Ausnahme und ein Zeichen dafür, dass es sich um einen ganz besonderen Spieler handeln musste. Legte ein Klub eine derart hohe Summe auf den Tisch, musste es sich einerseits um einen Star oder ein Mega-Talent handeln und andererseits waren hohe Erwartungen mit diesen hohen Ausgaben verknüpft.

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Zwei dieser Transfers sorgten in Deutschland im Sommer 2007 in Deutschland für besonderes Aufsehen: Der FC Bayern München sicherte sich für 30 Millionen Euro Flügelspieler Franck Ribery von Olympique Marseille. Der andere Wechsel fand für deutlich weniger Geld statt, der Millionenbetrag war nicht ganz zweistellig und doch war er fast noch bemerkenswerter: Der 20-jährige Brasilianer Carlos Eduardo verließ seinen Jugendklub Gremio Porto Alegre – und heuerte für acht Millionen Euro beim damaligen Zweitligisten TSG 1899 Hoffenheim an.

Es war der Wechsel, der Fußball-Fans damals die wilde Entschlossenheit der Kraichgauer demonstrierte. Ein Statement, das die Ambitionen des von SAP-Gründer Dietmar Hopp geförderten Vereins verdeutlichte. Elfeinhalb Jahre später hat sich Hoffenheim zwar in der Bundesliga etabliert, doch während Franck Ribery immer noch mit den Bayern regelmäßig Titel abräumt, ist die Karriere des vier Jahre jüngeren Carlos Eduardo trotz vieler Vorschusslorbeeren und eines guten Starts in Europa nicht so verlaufen, wie es sich alle Beteiligten erträumt hatten.

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Ribery präsentiert sich immer noch Jahr für Jahr in der Champions League – und Carlos Eduardo ist mittlerweile bei EC Vitoria, dem Tabellen-16. der abgelaufenen Erstliga-Saison in Brasilien, ein selten genutzter Einwechselspieler.

Carlos Eduardos Schlägerei mit Olic im Testspiel

Was ist passiert? Es gibt zwei Ereignisse, die man mit als Wendepunkte in der Karriere des Brasilianers anführen könnte. Da wäre zum einen der 14. Januar 2009. Hoffenheim bestritt im Trainingslager in La Manga ein Testspiel gegen den Hamburger SV – und beim eigentlich bedeutungslosen Kick gerieten Hamburgs Ivica Olic und Carlos Eduardo an der Seitenlinie nach einem Foul aneinander. Es folgten eine kleine Schlägerei zwischen den beiden und dann die entsprechenden Strafen für die Streithähne.

Zwei Spiele wurde Carlos Eduardo gesperrt – und ohne ihn, den kreativen Zehner, waren damit der Zauber und das Tempo, das die Hoffenheimer in der Hinrunde sensationell zur Herbstmeisterschaft geführt hatte, schnell verflogen. Im zweiten Saisonteil folgte der TSG-Absturz auf Rang sieben – auch weil sich der Brasilianer gegen Bochum einen weiteren Ausraster mit einem Ellbogenschlag gegen Philipp Bönig leistete und erneut lange gesperrt wurde. Nach einer Hinrunde auf Wolke sieben war der Liga-Neuling in der harten Realität angekommen.

In der Rückrunde und dem folgenden Jahr setzte sich bei TSG-Mäzen Dietmar Hopp die Erkenntnis durch, dass sich mit grenzenlosen Ausgaben allein der Erfolg in der Liga nicht kaufen lasse. Ein nachhaltigeres Wirtschaften war nun bei den Hoffenheimern angesagt und in dieses Bild passte es, dass der Klub mit Carlos Eduardo im Sommer 2010 einen seiner großen Stars verkaufte – eben, weil dem Verein ein großes Angebot auf den Tisch geflattert war. Aus den acht Millionen, die Hoffenheim gezahlt hatte, machte Rubin Kazan aus Russland 20.

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Einer der seltenen Glücksmomente in Russland: Carlos Eduardo jubelt

Der Klub aus Russland war zu diesem Zeitpunkt eine größere Nummer, als er es aktuell ist. Für die TSG war der Wechsel in Zeiten, in denen auf dem Transfermarkt noch nicht so viele Millionen zu verdienen waren wie heute, ein gutes Geschäft. Und Carlos Eduardo sah die Möglichkeit, sich bei dem Team, das 2009 in der Champions League sensationell in Barcelona gewonnen hatte, ins Rampenlicht zu spielen. Im Sommer 2010 war er noch aus Brasiliens vorläufigem WM-Kader gestrichen worden, unter dem neuen Coach Mano Menezes wollte er groß angreifen und deshalb zu einem "größeren" Klub als Hoffenheim wechseln – so wie es Menezes in den brasilianischen Medien von ihm gefordert hatte.

Schwere Knieverletzung - sogar Eduardos Karriereende drohte

Vier Monate später folgte jedoch das zweite Ereignis, das zum Wendepunkt der Karriere taugt: Carlos Eduardo zog sich im Rubin-Training eine schwere Knieverletzung zu. So schwer, dass der Mittelfeldmann rund zwei Jahre nicht für Kazan spielen konnte. Sogar das Karriereende drohte, doch im September 2012 war er zurück auf dem Platz. "Für das erste Mal war das gar nicht schlecht", sagte sein Trainer Kurban Berdyev nach dem Comeback zu Eduardos Leistung.

Das Gesamturteil nach weiteren Liga-Auftritten des Rekord-Neuzugangs der Russen fiel allerdings nicht mehr ganz so positiv aus. Eduardo kämpfte verständlicherweise mit seiner Fitness und es wurde mit der Zeit immer deutlicher, dass er das Tempo, das sein Spiel zuvor ausgezeichnet hatte, nicht mehr erreichen konnte.

Es folgte eine Leihe zu Flamengo in sein Heimatland, wo er sich für die WM 2014 im eigenen Land empfehlen wollte. Aber auch in Brasilien wurde den Verantwortlichen und Zuschauern klar, dass aus dem Wunderkind und Mega-Talent von einst ein zwar weiterhin überdurchschnittlicher Kicker geworden war, doch von der Nationalmannschaft war Carlos Eduardo weit entfernt.

Kontinuierlicher Abstieg: Eduardo in Brasiliens zweiter Liga angekommen

Im Sommer 2014 ging es zurück nach Russland zu Rubin – und erstaunlicherweise eroberte sich "Kadu", wie ihn die Fans nannten, einen Stammplatz. Aus dem ambitionierten Klub des Jahres 2010 war allerdings ein Team aus der Verfolgergruppe hinter den großen Moskauer Vereinen geworden, in dem Carlos Eduardo nicht groß auffiel. Nach knapp sechs Jahren löste er schließlich 2016 seinen Vertrag bei Rubin auf und über die Station Atletico Mineiro ist er nun beim Abstiegskandidaten in Vitoria gelandet – und dort auch nur zweite Wahl.

"Es ist eine Sensation, dass ein Spieler wie Carlos Eduardo nach Hoffenheim kommt. Das ist vergleichbar damit, dass Ribery zu Bayern kommt", hatte TSG-Trainer Ralf Rangnick im Sommer 2007 zu seinem Transfercoup gesagt. Aus Sicht des Brasilianers entwickelten sich die Karrieren der beiden Kicker allerdings leider höchst unterschiedlich. Vergleichbar sind sie schon lange nicht mehr.

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