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Nach dem Rückzug des FC Barcelona: Ist die Super League wirklich tot - oder gibt es sie bereits?

Und dann war da nur noch einer. Laut dem katalanischen Radiosender RAC1 hat der FC Barcelona seine Unterstützung für eine Europäische Superliga (ESL) zurückgezogen. Real Madrid bleibt somit als einziger von zwölf Vorantreibern des Projekts übrig. 

Allerdings soll Barca mit Real und ESL-Unterstützer A22 Sports Management sieben Gesprächsrunden mit der UEFA zu Änderungen an der Champions League, geführt haben – obwohl der Modus der Königsklasse doch erst letztes Jahr überarbeitet worden war.

GOAL entschlüsselt den Fall Super League mit allen Details vom Anfang bis zu ihrem vermeintlichen Ende.

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    Warum kommt die Idee einer Super League immer wieder auf?

    Der ehemalige UEFA-Generaldirektor Gerhard Aigner bezeichnete die Idee einer europäischen Superliga einmal als "Illusion" – doch ihre Verlockung war schon immer sehr real. Wie der ehemalige Direktor der AC Mailand, Umberto Gandini, betonte, war die Gründung der Champions League im Jahr 1993 praktisch die Antwort der UEFA auf Silvio Berlusconis Versuch, einen eigenen Wettbewerb für die Elite Europas zu schaffen.

    Es war auch kein Zufall, dass die UEFA 1999, nur zwei Jahre nachdem Berlusconi einen weiteren Versuch zur Gründung einer Superliga unterstützt hatte, die Anzahl der Mannschaften und Spiele in der Champions League erhöhte und eine zweite Gruppenphase einführte, um mehr Spiele zu schaffen.

    Wie Josh Robinson vom Wall Street Journal gegenüber GOAL erklärte: "Immer wenn den großen Vereinen in Europa die Richtung, in die sich der Fußball entwickelt, nicht gefällt, ist die Superliga ihre bevorzugte Drohung. Sie ist ein ziemlich praktisches Instrument, um die Dinge zu Ihren Gunsten zu beeinflussen." Daher war es keineswegs überraschend, dass die Diskussionen um eine ESL im Jahr 2020 an Intensität zunahmen - als die finanzielle Instabilität des absurden Geschäftsmodells Fußball durch das Coronavirus brutal offenbart wurde.

    "Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor", erklärte Perez damals auf der Jahreshauptversammlung in Madrid. "Die Pandemie hat alles verändert. Sie hat uns alle verwundbarer gemacht, auch den Fußball."

    Im Grunde genommen wollten Perez und viele seiner Kollegen auf dem gesamten Kontinent in einer Zeit beispielloser Unsicherheit finanzielle Garantien – also belebten sie die Idee der ESL wieder weil, wie der Finanzexperte Kieran Maguire gegenüber GOAL erklärte, "das echte Geld im Fußball in den europäischen Wettbewerben steckt".

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    Zwölf Fußballmächte sorgen 2021 für einen Urknall

    Die Kombination aus Verzweiflung und Gier führte am 18. April 2021 schließlich zur überstürzten Gründung einer von der US-Bank JP Morgan unterstützten europäischen Superliga.

    "Zwölf der führenden Fußballvereine Europas haben sich heute zusammengeschlossen, um bekannt zu geben, dass sie sich auf die Gründung einer neuen Wettbewerbsreihe unter der Woche, der Super League, geeinigt haben, die von ihren Gründungsvereinen geleitet wird", hieß es in der Pressemitteilung. "AC Mailand, Arsenal FC, Atletico Madrid, Chelsea FC, FC Barcelona, FC Internazionale Milano, Juventus FC, Liverpool FC, Manchester City, Manchester United, Real Madrid CF und Tottenham Hotspur sind alle als Gründungsvereine dabei. Es wird erwartet, dass drei weitere Vereine vor Beginn der ersten Saison, die so bald wie möglich starten soll, beitreten werden."

    Der UEFA und der FIFA bot man daraufhin frech "Gespräche" an, "um gemeinsam die besten Ergebnisse für die neue Liga und den Fußball insgesamt zu erzielen". Grund für die Gründung sei "die globale Pandemie, die die Instabilität des bestehenden europäischen Fußball-Wirtschaftsmodells beschleunigt hat" und das Ziel der Liga bestehe darin, "die Qualität und Intensität der bestehenden europäischen Wettbewerbe während jeder Saison zu verbessern und ein Format zu schaffen, in dem die besten Vereine und Spieler regelmäßig gegeneinander antreten können" - sowie "qualitativ hochwertigere Spiele und zusätzliche finanzielle Ressourcen für die gesamte Fußballpyramide bereitzustellen."

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    Englische Vereine ziehen sich nach heftigen Reaktionen zurück

    Das ursprüngliche Format war von der Basketball-EuroLeague inspiriert. Perez' Real Madrid nimmt an dieser Liga teil und der Präsident nahm mehrfach Bezug auf diesen Wettbewerb.

    Im Wesentlichen würde sollte die neue ESL insgesamt 20 Mannschaften umfassen (15 ständige Mitglieder und fünf jährliche Qualifikanten, die sich anhand ihrer nationalen Ergebnisse qualifizieren) und diese würden in zwei Gruppen zu je zehn Mannschaften gegeneinander antreten, um eine K.o.-Phase zu erreichen, in der der Gesamtsieger ermittelt würde.

    Die Tatsache, dass Bayern München, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain ihre Einladungen allesamt ablehnten, war jedoch kein gutes Zeichen. Die heftigen Reaktionen von Fans, Spielern und lokalen Fußballverbänden auf das, was praktisch ein "geschlossener Laden" war, führten dazu, dass alle sechs englischen Vereine innerhalb von drei Tagen nach der offiziellen Vorstellung aus dem geplanten Projekt ausstiegen.

    Angesichts der Androhung rechtlicher Schritte durch die UEFA und der Forderungen, die "Big Six" aus der Premier League auszuschließen, erklärten sowohl Liverpool als auch Manchester United, dass ihre jeweiligen Rückzüge aus der ESL durch Gespräche mit "wichtigen Interessengruppen" beeinflusst worden seien, Arsenal entschuldigte sich für einen "Fehler".

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    Real Madrid tritt gegen Aussteiger nach

    Perez war wenig überraschend wütend über die dramatische Kehrtwende der englischen Vereine. Auch Atletico und die AC Milan verabschiedeten sich daraufhin schnurstracks. 

    Der Real-Boss suchte nach Gründen und sprach in einem Interview mit dem El Larguero offenbar Manchester City an: "Es gab einen englischen Verein, der nicht so interessiert schien, und das übertrug sich auf die anderen. Sie haben den Vertrag unterzeichnet, aber wir konnten bereits sehen, dass sie nicht überzeugt waren. Einer aus Manchester sah in der Kampagne das Ende der Ligen, dass sie [sportliche] Leistungen nicht mehr zulassen würde, dass sie das Ende des Fußballs bedeuten würde."

    Perez wütete: "Die UEFA hat daraus eine Show gemacht. Es war, als hätten wir eine Atombombe abgeworfen. Vielleicht haben wir es nicht gut erklärt, aber sie haben uns keine Chance dazu gegeben. Warum? Weil sie es nicht wollten. Ich habe noch nie eine solche Aggressivität gesehen; das war inszeniert. Am nächsten Tag haben sie uns fertiggemacht. Sie haben auf uns gewartet. Ich glaube, sie wussten, dass wir es tun würden. Es gab Drohungen, Beleidigungen, als hätten wir den Fußball zerstört.

    Der Spanier sprach außerdem über seine subjektiven Gründe für den Rückzug der Teams. Er sagte: "Die Eigentümer [der Premier-League-Vereine] sind größtenteils keine Engländer. Sie sind nicht dabei, um Geld zu verdienen, sie haben Teams in Amerika, lieben den Sport und befanden sich in einer Situation, die sie nicht erwartet hatten. Sie sind alt, sie bekamen Angst."

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    Real, Barca und Juventus lassen sich zunächst nicht beirren

    Der grundlegende Unterschied zwischen den englischen Vereinen und den drei größten Befürwortern der ESL, Perez' Real Madrid, Joan Laportas FC Barcelona und Andrea Agnellis Juventus Turin bestand natürlich darin, dass sie angesichts der finanziellen Macht der Premier League, den neuen Wettbewerb eigentlich gar nicht zwingend brauchten.

    Für einen Verein wie Barcelona, der nach Jahren eklatanter finanzieller Misswirtschaft unter dem ehemaligen Präsidenten Josep Maria Bartomeu kurz vor dem Bankrott stand, wurde die Super League laut Laporta zur "Notwendigkeit". Er fügte hinzu, dass es ein "historischer Fehler" gewesen wäre, die Chance auszuschlagen. Folglich bestand Perez darauf, dass das Projekt ohne die englischen Vereine weitergeführt werden müsse. Außerdem würde er allen Akteuren im Fußball wesentlich höhere Solidaritätszahlungen bieten.

    In einem Statement hieß es: "Trotz des angekündigten Austritts der englischen Vereine sind wir überzeugt, dass unser Vorschlag vollständig mit den europäischen Gesetzen und Vorschriften im Einklang steht, wie eine Gerichtsentscheidung zum Schutz der Super League vor Klagen Dritter gezeigt hat."

  • "Wandelnde Leiche" oder "Monopol der UEFA"?

    Die drei verbliebenen Vereine, die weiterhin mit A22 zusammenarbeiteten, entwickelten modifizierte Pläne für die ESL, ohne jedoch zusätzliche Unterstützung zu erhalten. Im Februar 2023 stieß ein neues Zehn-Punkte-Manifest zur Wiederbelebung des Projekts auf öffentlichen Spott. Kevin Miles, Geschäftsführer der Football Supporters' Association, kommentierte: "Die wandelnde Leiche, die die Europäische Superliga ist, zuckt erneut mit all dem Selbstbewusstsein, das man mit einem Zombie assoziiert. Ihre neueste Idee ist es, einen offenen Wettbewerb zu veranstalten, anstatt den ursprünglich vorgeschlagenen geschlossenen Wettbewerb, der zu massiven Fanprotesten geführt hatte. Natürlich gibt es bereits einen offenen Wettbewerb für Europas Top-Clubs – er heißt Champions League."

    Javier Tebas, Präsident LaLigas, wählte eine andere Metapher und bezeichnete die ESL als "den Wolf, der sich als Oma verkleidet, um den europäischen Fußball zu täuschen".

    Perez & Co. konnten jedoch Ende 2023 einen "Sieg" verbuchen, als der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass die FIFA und die UEFA rechtswidrig gehandelt hatten, als sie ihren Mitgliedsvereinen 2021 die Teilnahme an der ESL untersagten. "In den kommenden Tagen werden wir den Umfang dieser Entscheidung sorgfältig prüfen, aber ich gehe von zwei Schlussfolgerungen von großer historischer Bedeutung aus", erklärte Perez damals. "Erstens, dass der europäische Klubfußball kein Monopol ist und nie wieder sein wird. Und zweitens, dass die Klubs ab heute ihr Schicksal selbst in der Hand haben. Kurz gesagt, heute hat das Europa der Freiheiten erneut gesiegt, und heute haben auch der Fußball und seine Fans gesiegt. Angesichts des Drucks, dem wir seit mehr als zwei Jahren ausgesetzt sind, setzen sich heute Recht, Vernunft und Freiheit durch. Aus diesem Grund wird Real Madrid sich weiterhin für den Fußball einsetzen."

    Die Meinung des Spaniers teilte auch Bernd Reichart, der CEO von A22. "Wir haben das Recht auf Wettbewerb errungen", erklärte er. "Das Monopol der UEFA ist vorbei. Der Fußball ist frei!"

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    Der Fall Agnelli

    Allerdings war das Urteil des EuGH für die ESL kein so großer Sieg, wie Perez und bestimmte Teile der Presse es darstellten. Die UEFA hatte bereits die Regeln und Vorschriften geändert, die der EuGH als "rechtswidrig" angesehen hatte, sodass die Gründung einer Konkurrenzliga ohne die UEFA oder die FIFA weiterhin unmöglich schien. Darüber hinaus gaben Manchester United und mehrere andere Vereine sofort Erklärungen ab, dass sie kein Interesse an einer erneuten Teilnahme an der ESL hätten. Im Sommer 2024 sagte auch Juventus Turin ab.

    Unter Agnelli waren die Bianconeri einer der entschiedensten Befürworter des Abspaltungswettbewerbs gewesen. Weil der Italiener eine Schlüsselrolle bei der Gründung hatte, trat er als Vorsitzender der European Club Association (ECA) zurück, seine enge Beziehung zu Aleksander Ceferin, dem UEFA-Boss, zerbrach.

    Agnelli war im November 2022 als Juve-Präsident zurückgetreten, nachdem mehrere Untersuchungen zu den Finanzpraktiken des Vereins eingeleitet worden waren - 2023/24 wurden die Turiner deshalb aus dem Europapokal verbannt.

    Nasser Al-Khelaifi, PSG-Präsident, der Agnelli als ECA-Vorsitzender abgelöst hatte, war nur allzu glücklich, Juventus wieder willkommen zu heißen. "Die Tür der ECA steht immer offen für Vereine, die an gemeinsame Interessen, fortschrittliche Reformen und eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Beteiligten glauben", sagte der Katarer.

    Die Befürworter der ESL ließen sich vom Rückzug Juves nicht beirren und kündigten im Dezember 2024 ein überarbeitetes Format und einen neuen Namen für die ESL an: The Unify League.

    "Wir haben einer breiten Gruppe von Vereinen, Ligen und Fans aufmerksam zugehört und glauben, dass wir mit diesen Änderungen viel Unterstützung finden werden", sagte John Hahn, Mitbegründer von A22, der einen neuen Plan für einen Wettbewerb mit vier Divisionen und 96 Mannschaften vorstellte, der über einen Streaming-Dienst im Stil von Netflix verfügbar sein solle. "Wir erwarten zum jetzigen Zeitpunkt keine öffentliche Unterstützung durch die Vereine. Logischerweise wird diese erst nach der offiziellen Anerkennung der Unify League [durch die UEFA und die FIFA] kommen."

  • FC Barcelona v Paris Saint-Germain - UEFA Champions League 2025/26 League Phase MD2Getty Images Sport

    Real Madrid will nun an der Champions League herumpfuschen

    Derzeit wirkt es höchst unwahrscheinlich, dass die Unify League jemals zustande kommt, zumal RAC1 berichtet, dass Barcelona nun mit den finanziellen und strukturellen Änderungen an der Champions League zufrieden sei. Laut Mundo Deportivo sollen Barca, Real, A22 und die UEFA seit acht Monaten geheime Gespräche über eine Beendigung des Konflikts führen und kurz vor einer Einigung stehen.

    Die Zeitung behauptet, dass die ESL-Rebellen im Wesentlichen zwei Forderungen in Bezug auf die Champions League haben. Die erste betrifft das Format: Perez & Co. würden fordern, dass die 36 Teilnehmer ab 2027 nicht mehr in einer großen Ligaphase, sondern in zwei Gruppen zu je 18 Mannschaften aufgeteilt werden. Entscheidend sei, dass die Gruppe 1 aus den 18 besten Vereinen der UEFA-Rangliste bestehen würde und diese nur gegeneinander spielen würden, was mehr Geld für die traditionellen Schwergewichte des Kontinents bedeuten würde. Die acht besten Mannschaften würden dann direkt ins Achtelfinale einziehen, während die Mannschaften auf den Plätzen 9 bis 16 in eine Play-off-Runde gegen die acht besten Mannschaften der Gruppe 2 eintreten würden.

    Die UEFA soll offen dafür sein, das Format zugunsten der großen Vereine anzupassen, ebenso wie für deren weiteren Wunsch nach Einführung der globalen Streaming-Plattform A22 für die Unify League. Diese solle den Zuschauern zwei Optionen bieten: Eine kostenlose Version mit Werbung oder ein werbefreies Abonnement gegen eine "geringe Gebühr".

    Ist die Europäische Superliga nun also tot? In gewisser Weise ja, denn das ursprüngliche Projekt steht kurz vor der vollständigen Aufgabe. Angesichts der Änderungen, die die UEFA bereits an der Champions League vorgenommen hat – und der Änderungen, zu denen sie vielleicht bereit ist – bekommen die Befürworter der Super League doch ansatzweise, was sie wollten.

    Die Elite Europas wollte einen noch gigantischeren Anteil am Kuchen, und genau den wird sie auch bekommen, denn mehr Spiele bedeuten mehr Geld. Die Androhung einer Abspaltung hat also erneut ihren Zweck erfüllt - und die Champions League wird langsam, still und heimlich zur Super League.