Um kurz nach Mitternacht meldet dieBild, dass Götze am 1. Juli zum FC Bayern gehen wird. Die Sportmedien überschlagen sich. Laut der Boulevardzeitung hat der Dortmunder den Vertrag bereits unterschrieben. Der Wechsel komme dank einer Ausstiegsklausel in der Höhe von 37 Millionen Euro zustande.
Am selben Abend spielt der FC Bayern im Halbfinale der Champions League zu Hause gegen den FC Barcelona (der FCB siegt mit 4:0), der BVB ist am nächsten Tag gegen Real Madrid dran. Auch diese Konstellation sorgt für große Brisanz.
Lange halten sich die Spekulationen um Götze jedoch nicht, denn bereits am selben Tag bestätigt die Borussia den Transfer. "Wir sind natürlich über alle Maßen enttäuscht, betonen aber, dass sich sowohl Mario als auch sein Berater absolut vertragskonform verhalten haben", sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Götze und Berater Struth hätten dem Verein mitgeteilt, dass Götze von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen möchte. Vom FC Bayern hingegen habe sich "bis zum heutigen Tag in dieser Angelegenheit kein Offizieller bei Borussia Dortmund gemeldet".
Das bestätigt auch Watzkes damaliger Gegenüber Karl-Heinz Rummenigge im Oktober 2019. Er hatte "Verständnis, dass sie völlig sauer waren", so Rummenigge in einem Beitrag in Watzkes Biografie. "Wir hatten sie damals schließlich gar nicht kontaktiert, weil das auch der Wunsch von Marios Berater war. Alles sollte schön unter der Decke bleiben. Der ganze Transfer hatte eigentlich bis zum Ende der Saison geheim bleiben sollen."
Neben dem BVB gibt auch der deutsche Rekordmeister am 23. April ein Statement heraus: "Der FC Bayern ist bereit, die zwischen Borussia Dortmund und Mario Götze vereinbarte Ausstiegsklausel zu erfüllen." Durch die 37 Millionen Euro Ablöse wird Götze der teuerste Spieler, der je von einem Bundesligaverein zu einem anderen gewechselt ist.
Klar ist dennoch: Die Verkündung des Transfers auf diese Art und Weise ist alles andere als geplant gewesen. Bis heute ist nicht geklärt, wie dieBildvorab davon Wind bekam. In der Pressemitteilung des FCB heißt es, die Münchner wollten den Wechsel aus Rücksicht auf das bevorstehende CL-Spiel der Dortmunder "erst nach dieser Begegnung gegenüber dem BVB anzeigen".
Nachdem der Transfer bekannt wird, rutscht der Aktienkurs der Borussia um rund vier Prozent ins Minus. "Gemeinsam mit Trainer Jürgen Klopp bittet Sportdirektor Michael Zorc alle Fans des BVB, Mario Götze in den letzten Spielen der Saison, vor allem aber im wichtigen UEFA Champions League-Halbfinale gegen Real Madrid, genauso bedingungslos zu unterstützen wie jeden anderen Dortmunder Profi", ist zudem in der offiziellen Verkündung der Westfalen zu lesen.
Doch damit nicht genug: Am Nachmittag des 23. April, wenige Stunden nach der Vollzugsmeldung, hält der BVB die Pressekonferenz vor dem Duell mit Real Madrid ab. Dort wendet sich Klopp ganz zum Ende mit einem Appell an die BVB-Fans: "Lasst uns morgen einen ganz speziellen, einen besonderen, einen BVB-Abend machen und gegen Real Madrid gewinnen."
Ob das gelingt oder Götze nicht ein wahrer Spießrutenlauf bevorsteht, ist zu diesem Zeitpunkt fraglich. Auf seinen Facebook-Beiträgen sind dutzende Beleidigungen zu lesen, zudem kursieren Bilder von brennenden BVB-Trikots mit der Rückennummer 10 im Internet.
Im Mai 2019 blickt Götze in einem Beitrag fürThe Players Tribuneauf die Umstände rund um die Bekanntgabe des Wechsels zurück: "Ich hatte entschieden zu gehen, aber ich verstand die Konsequenzen nicht. Einige Wochen später stand die Polizei vor meinem Elternhaus, um uns zu schützen."
Und weiter: "Ich konnte damit umgehen. Aber mein jüngerer Bruder war 14 und wurde in der Schule gestellt. Die Leute sagten Dinge zu meiner Mutter. Meine Familie wurde im Internet bedroht. Das zu durchleben war unglaublich, besonders, weil das unser Zuhause war. Ich musste im Sommer wegziehen, aber meine Familie musste in Dortmund bleiben, dort leben. Das war die schwerste Zeit in unserem Leben."