Die Abwehr ist aktuell die mit Abstand größte Schwachstelle der Bayern. Zu den kumuliert fünf Gegentoren gegen Leipzig kommen fünf Gegentore aus den Spielen gegen Manchester United und Bayer Leverkusen hinzu, zwei weitere schenkten dem FCB Augsburg und Gladbach ein. Auffällig: Steht dem FCB eine qualitativ überdurchschnittliche Offensive gegenüber, wird es auch nichts mit einer weißen Weste für den Torhüter.
Das führt in erster Linie auf die kostspielige Innenverteidigung zurück, die sich wie schon in mehreren Phasen der vergangenen Spielzeit einfach nicht finden will. Insgesamt blätterten die Bayern für ihre drei Innenverteidiger - mehr sind es nach den Abgängen von Lucas Hernández und Benjamin Pavard im Sommer nicht mehr - ohne Bonuszahlungen 159,5 Millionen Euro hin. Pro Saison kam jeweils einer an die Säbener Straße: Dayot Upamecano 2021 für 42,5 Millionen Euro, Matthijs de Ligt ein Jahr später für 67 Millionen Euro und vor einigen Wochen Min-Jae Kim für 50 Millionen Euro.
Gegen Leipzig setzte Tuchel wie bei dem Großteil der anderen acht Pflichtspiele auf das Duo aus Upamecano und Kim - und beide erwischten nicht zum ersten Mal in dieser Saison alles andere als einen Sahnetag. Das 0:1 entstand aus einer Co-Produktion ihres Unvermögens.
Erst ließ Kim Gegenspieler Yussuf Poulsen bei dessen Kopfballablage nach einem Leipziger Einwurf ungestört zurück, obwohl er unmittelbar davor noch an dem Stürmer dran war. Dann rückte Upamecano völlig unnötig aus der Viererkette heraus und machte den Weg für Torschütze Loïs Openda frei, dessen Schuss auch noch von dem einen Schritt zu langsamen Kim unglücklich abgefälscht wurde.
FC Bayern: Upamecano und Kim bringen Tuchel zur Weißglut
Das brachte Tuchel (verständlicherweise) zur Weißglut, als dieser die Szene auf dem Tablet vor der Trainerbank anschaute und seine Innenverteidiger anschließend regelrecht anschrie. "Es ist im Grunde komplett das gegenteilige Verhalten von dem, was wir eigentlich wollen", schimpfte er hinterher amSky-Mikrofon.
Insbesondere Kim scheint noch nicht wirklich in München angekommen zu sein. Dass der eigentlich schnelle Südkoreaner - sein Tempo war immerhin einer der Gründe für die Verpflichtung - auch noch das entscheidende Laufduell verlor, passt ins Bild. Tuchel wird bald nicht mehr um die Frage herumkommen, warum nicht de Ligt für Kim oder den immer wieder fehleranfälligen Upamecano in die erste Elf rückt. Das war in dieser Spielzeit bislang erst zweimal der Fall.
Gegen Leipzig fehlte de Ligt noch angeschlagen, seine Rückkehr in die Mannschaft könnte aber schon beim Champions-League-Spiel in Kopenhagen am Dienstag folgen. Doch auch der Niederländer wusste in seinen bisherigen Einsätzen noch nicht vollends zu überzeugen, obwohl er in der Vorsaison dank überzeugender Leistungen noch klarer Stammspieler war.
Die kleine Verletzung, die er sich beim 7:0-Sieg über den VfL Bochum zugezogen hatte, warf ihn ein weiteres Mal zurück und verhinderte einen Einsatz im DFB-Pokal. Weil auch Upamecano und Kim fehlten, beorderte Tuchel kurzerhand Goretzka und Noussair Mazraoui in die Innenverteidigung. Ein Notstand, den es auf keinen Fall ein weiteres Mal geben soll, mit der dünnen Besetzung in der Abwehrzentrale aber durchaus wieder vorkommen kann.
Denn auch Talent Tarek Buchmann steht seit einigen Wochen nicht zur Verfügung. Der 18-Jährige fehlt bereits zum zweiten Mal in dieser Saison verletzt. Für die zweite Mannschaft absolvierte er nur eine Partie über 90 Minuten.Aufgrund der auf Kante genähten Abwehr-Konstellation sollen die Bayern nun sogar über eine Rückholaktion des vereinslosen Jérôme Boateng nachdenken. Ob der 35-Jährige nach seiner enttäuschenden Saison bei Olympique Lyon Tuchels Sorgenfalten tatsächlich glätten kann, steht jedoch auf einem anderen Blatt.