Dass Cole Campbell immer noch für Borussia Dortmund spielt, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das 19-jährige Talent hat besonders in den vergangenen zwölf Monaten nicht nur häufige Anfragen und Angebote für einen Wechsel erhalten, sondern sich auch eingehend mit einem potenziellen Abgang vom BVB beschäftigt.
Getty Images"Eine einmalige Chance im Leben": Eigentlich müsste ein Top-Talent den BVB im Winter verlassen
"Das ist eine wichtige Saison für mich. Ich möchte den Durchbruch bei den Profis schaffen. Dafür muss ich hart arbeiten und dann werden wir sehen, was möglich ist. Ich hoffe, ich bekomme bald meine Chance", sagte der US-amerikanische Linksfuß, der als Rechtsaußen auf dem offensiven Flügel zum Einsatz kommt, vor fast exakt einem Jahr den Ruhr Nachrichten.
Das waren durchaus forsche Töne für einen, der noch keine Bundesligaminute auf dem Tacho hatte. Doch sie hatten gewissermaßen auch ihre Berechtigung. Denn erstens sollte Campbells Debüt im Oberhaus nur wenige Tage später tatsächlich erfolgen. Und zweitens hatte er im Jahr 2024 einige Meilensteine erreicht, die ihn berechtigterweise vom nächsten großen Schritt träumen ließen.
Campbells Vorjahr im Schnelldurchlauf: Im Januar durfte er erstmals mit den Profis ins Trainingslager nach Marbella fahren. Sechs Monate später erhielt er vom BVB seinen ersten und bis 2028 gültigen Profivertrag. Das Drittliga-Debüt für die U23 der Dortmunder folgte Ende August, im September schoss er auf diesem Niveau sein erstes Tor. Und dann kam Anfang Oktober beim Auswärtsspiel gegen Union Berlin die erstmalige Nominierung für den Spieltagskader der Profis hinzu.
Cole Campbell feiert Bundesligadebüt unter Nuri Sahin
Aufgrund der grassierenden Verletzungsseuche konnte der damalige Trainer Nuri Sahin fast nicht anders, als Campbell alsbald die ersten Minuten in der Bundesliga zu schenken. In fünf Pflichtspielen in Folge, darunter auch das 13-minütige Debüt in der Champions League, wechselte der Coach den schnellen und dribbelstarken Campbell ein.
"Vor ein paar Monaten war ich noch nicht sicher, ob ich bleiben solle und habe mich nach anderen Optionen umgeschaut. Aber Borussia Dortmund hat mich überzeugt und mir einen guten Plan aufgezeigt", hatte Campbell noch vor Saisonstart gesagt. Der Plan, er schien bis dato vollkommen aufzugehen.
Doch wirklich viel Spielpraxis kam anschließend nicht mehr für Campbell zusammen. In der Hochphase der Dortmunder Krise, die im Aus Sahins gipfelte und die Anstellung von Niko Kovac zur Folge hatte, pendelte Campbell zwischen erster und zweiter Mannschaft. Stets eine schwierige Herausforderung für einen jungen Spieler, der die nächste Stufe seiner Entwicklung nehmen soll.
AFPNiko Kovac soll Cole Campbell zu Wechsel geraten haben
Bei 75 Einsatzminuten für die Profis blieb Campbells Zähler dann stehen. Mitte Februar war noch das Gerücht aufgekommen, der Schweizer Erstligist FC Luzern stehe vor seiner Verpflichtung. Dazu kam es nicht, stattdessen erlitt er nur kurz darauf eine langwierige Sprunggelenksverletzung, die ihn knapp drei Monate pausieren ließ.
Plötzlich hatten sich die Perspektiven für den U20-Nationalspieler, der 2024 auch seine Berateragentur wechselte, verschoben. Dortmunds U23 war in die Regionalliga abgestiegen und nun unterhalb Campbells Niveau angesiedelt. Die Profis hatten unter Kovac derweil eine Siegesserie hingelegt, bei der der Neue auf Erfahrung statt Talente setzte.
Kovac soll Campbell daher auch geraten haben, den Klub zu verlassen. Das war nur eine von auffällig vielen Wasserstandsmeldungen, die Campbells Sommer begleiteten, während er in seinem Heimaturlaub in Houston im Anschluss an die Klub-WM - wo er keine Minute spielte - an einer Lebensmittelvergiftung erkrankte.
Getty ImagesCole Campbell: Erst 16 Einsatzminuten in dieser Saison
Der VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt waren hinter Campbell her, hieß es. Jeweils sollte der Transfer kurz bevorstehen. Von einer recht hohen Ablösesumme von sieben Millionen Euro war die Rede und davon, dass ihn der BVB am liebsten ins Ausland verleihen würde.
"Nach der abgelaufenen Saison habe ich tatsächlich über meine Zukunft nachgedacht - alles andere wäre nicht korrekt. Es war immer alles offen mit dem Verein kommuniziert", sagte Campbell zuletzt der WAZ. "Letztlich bin ich zurückgekommen und habe viele gute Gespräche mit Niko Kovac, Sebastian Kehl und Lars Ricken geführt und schließlich entschieden, dass es für mich das Beste ist hierzubleiben."
Ob dies wirklich den Tatsachen entspricht, erscheint mindestens fraglich. Beim Turnier in den USA hatte sich mit Julien Duranville der einzige im Kader verbliebene Eins-gegen-eins-Tempodribbler langfristig verletzt. Und schaut man nun auf Campbells Einsatzzeit in dieser Saison, stehen da läppische 16 Minuten beim Auswärtsspiel in Heidenheim.
IMAGO / RHR-FotoCole Campbell hat "einen echten Schritt nach vorne gemacht"
Es könnte daher auch sehr gut die simple Order des Klubs gewesen sein, dass Campbell nicht (mehr) gehen darf. Als das Transferfenster schloss und Sportdirektor Sebastian Kehl auf den Fakt angesprochen wurde, dass der Profikader kaum noch über echte Flügelspieler verfügt, entgegnete er: "Wir haben Duranville, der nicht vergessen werden sollte. Wir haben Cole Campbell, der einen echten Schritt nach vorne gemacht hat. Wir waren nicht auf der Suche nach dem reinen Flügelprofil, durch das Borussia Dortmund schon immer geprägt war."
Und das deshalb, weil das reine Flügelprofil in Kovacs Dreierkettensystem nicht benötigt wird. Entsprechend verzwickt ist die Lage für Campbell nun. Fünf Pflichtspiele lang saß er bereits die vollen 90 Minuten auf der Bank.
Aktuell jedoch spielt Campbell - für die U20 der USA bei der WM in Chile. Kovac und der Klub haben seine zeitweilige Abwesenheit unterstützt. Dort haben die Amerikaner mit zwei Siegen und einer Niederlage als Tabellenerster das Achtelfinale erreicht, wo man Italien mit 3:0 aus dem Weg räumte. Campbell stand bislang dreimal in der Startelf und erzielte beim 9:1-Kantersieg gegen Neukaledonien einen Treffer.
AFPCole Campbell mit schwachen Statistiken bei der U20-WM
Wirklich überzeugen oder gar aus der Mannschaft herausstechen konnte er aber noch nicht. In der ersten Partie gegen Außenseiter Neukaledonien gelangen ihm bei neun Versuchen nur drei Dribblings, zudem verlor er elf seiner 19 Zweikämpfe und hatte mit 21 die meisten Ballverluste seines Teams.
Statistisch ähnlich schwach verhielt es sich im zweiten Gruppenspiel (3:0) gegen personell schwer gebeutelte Franzosen. Campbell gewann nicht ein Eins-gegen-eins-Duell und war in acht von zehn Zweikämpfen zweiter Sieger. Erneut verlor er am häufigsten die Kugel (14) und kam auf die mit Abstand schwächste Passquote von nur 50 Prozent. Bei der abschließenden Pleite gegen Südafrika (1:2) wurde Campbell dann erst nach der Pause eingewechselt, gegen Italien musste er nach nur 20 Ballaktionen in Minute 60 vorzeitig vom Feld.
Die Erwartungen an ihn sind in den USA natürlich groß. Schließlich spielt er in Europa und bei einem prominenten Klub, der einst seinen Landsmännern Christian Pulisic und Giovanni Reyna entscheidend dabei half, echtes Profiniveau zu erreichen.
Getty Images SportAbgang vom BVB für den Traum von der WM 2026?
Das hat Campbell natürlich auch in sich, doch er muss gleichermaßen noch viele Fortschritte machen. Sein Spiel ist derzeit noch recht eindimensional. Er versucht sich stets im Dribbling und will dabei zu oft mit dem Kopf durch die Wand. Zu selten kommen von ihm brauchbare Hereingaben. Die Entscheidungsfindung ist genauso verbesserungswürdig wie sein schwacher rechter Fuß.
"In meinem Herzen bin ich hier in Dortmund noch nicht fertig", sagte er zuletzt. "Meine jetzige Situation ist klar: Hart arbeiten, gut trainieren. Dann hoffe ich, bald mehr Einsatzminuten zu bekommen. Mein Traum ist es, im Kader für die Weltmeisterschaft 2026 in meinem Heimatland zu stehen - das ist eine einmalige Chance im Leben."
Wenn man sich vor Augen führt, wie sich die Dinge im Jahr 2025 und unter Kovac entwickelt haben, wird Campbell dafür den Verein im Winter verlassen müssen. In welcher Form auch immer. Sonst dürfte die WM-Teilnahme, jedenfalls nach momentanem Stand, ein Traum bleiben.

