BVB-Kapitän Emre Can hat in einem bemerkenswerten Interview die immer wiederkehrende und lautstarke Kritik an seiner Person eingeordnet und erklärt, wie er mit dieser umgeht.
Getty Images"Emre, Alter! Was machst du da?" BVB-Kapitän Can geht hart mit sich und seinen Kritikern ins Gericht
WAS WURDE GESAGT?
"Ganz ehrlich: Ich habe nicht immer gut gespielt, habe Fehler gemacht. Da bin ich aber der Erste, der sich hinterfragt, und ich denke mir oft genug: Emre, Alter! Was machst du da?", sagte Can im Gespräch mit dem Magazin 11Freunde.
Manchmal sei "der Hass aber auch völlig beliebig", stellte er fest und erzählte eine Anekdote aus der vergangenen Saison, die sinnbildlich für die teils überbordende und auch ungerechte Schuldzuweisung an den schlechten BVB-Ergebnissen ihm gegenüber steht.
GettyWAS IST DER HINTERGRUND?
"Wir haben zu Hause gegen St. Pauli gespielt, es stand 1:0 für uns, nach 70 Minuten wurde ich ausgewechselt. Kurz darauf fiel das 1:1. Hinterher schrieb einer bei Instagram: 'Wie kann man so dumm sein wie du beim Gegentor?'", sagte Can. Ein Wendepunkt in seiner Wahrnehmung der vielen kritischen Stimmen: "Da habe ich gemerkt: Es ist ganz egal, was ich mache. Ich muss nicht mal auf dem Platz stehen und es gibt Menschen, die mich fertigmachen wollen."
Can, der dem BVB aufgrund von hartnäckigen Adduktorenproblemen seit dem Saisonendspurt im Mai fehlt, war zeitweise gemeinsam mit Julian Brandt zum Gesicht der schweren Dortmunder Krise bis zur Übernahme von Niko Kovac im Frühjahr 2025 auserkoren worden. Die Sündenbock-Rolle hat er bis heute nicht ganz verstanden, wenngleich er "die Kommentare auch einordnen" könne.
WAS WURDE NOCH GESAGT?
"Ich bin ein Typ, der vieles in sich reinfrisst, ich schlafe nach schlechten Spielen nicht gut." Aber: "Ich bin nicht an allem schuld. Lieber fordere ich den Ball und mache einen Fehler, als den Ball erst gar nicht zu fordern. Und was viele nicht erkennen: Wenn es schlecht läuft, bin ich immer der Erste, der sich stellt."
imago imagesWAS IST PASSIERT?
Can etablierte sich mit zunehmender Saisondauer als äußerst gefestigter Innenverteidiger, die Ergebnisse wurden jedoch erst mit der Entlassung von Nuri Sahin Ende Januar besser. Dessen Demission habe Can sehr mitgenommen. "Das tat weh und zwar allen im Verein", sagte Can. Die gesamte Mannschaft habe sich "schuldig gefühlt". "Einige Spieler haben ihm zum Abschied in der Kabine noch ein paar Worte gewidmet. Ich auch. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt, welches Ansehen Nuri in der Kabine hatte. Wir waren uns alle einig: Wir als Mannschaft hatten es vermasselt. Nicht er."
Vor der nun anstehenden Saison hat Sahin-Nachfolger Kovac Can in dessen Kapitänsamt bestätigt, wenngleich Nico Schlotterbeck als Kapitän der Zukunft gilt. "Ich sehe überhaupt keinen Grund, etwas zu ändern. Ich bin mit der Wahl, die meine Vorgänger getroffen haben, sehr zufrieden", erklärte Kovac seine Entscheidung.
Darauf angesprochen, dass er "manch einem zu still" in der Rolle des Anführers sei, erwiderte Can, der von 2014 bis 2018 für den FC Liverpool spielte: "Wissen Sie: Wir haben über Steven Gerrard gesprochen - für viele der Inbegriff des Kapitäns, ein echter Anführer. Gerrard redet in der Kabine nur ganz wenig, er ist ein zurückhaltender, sehr höflicher Typ. Aber wenn er redet, herrscht Stille. Was er sagt, hat Gewicht." Und so sieht sich offenbar auch er in der Rolle.
WIE GEHT ES WEITER?
Wie es für Can nach der kommenden Saison weitergeht, ist indes noch nicht ganz klar. Sein Vertrag in Dortmund läuft 2026 aus. Laut Sky habe es noch keine Gespräche über eine Verlängerung gegeben. Dies sei für Can jedoch auch "kein drängendes Thema". "Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem wir uns zusammensetzen und ganz offen darüber reden, wie es weitergehen könnte", sagte er jüngst dem kicker.

