Sein Vater ließ den Termin einfach platzen: Wie Jude Bellingham dem FC Barcelona durch die Lappen ging

Im Mai 2023 tauchten die Bilder eines alten Erinnerungsalbums auf. Auf den Seiten, die 2009 gedruckt wurden, beschreibt ein junger Jude Bellingham seinen Traumberuf: "Profifußballer für Barcelona und England".

Diese Äußerungen eines Kindes, das noch nicht einmal das Teenageralter erreicht hatte, dienten den Fans des FC Barcelona bald dazu, den 20-Jährigen zu locken.

Wie wir wissen, kam es dann eh anders. Bellingham unterschrieb bei Real Madrid und etablierte sich schnell als einer der besten Spieler in LaLiga und in Europa. Am Samstag ab 16.15 Uhr wird er nun im Lluís Companys Olympiastadion gegen Barça seinen ersten Clásico bestreiten. Es wird ein Schlüsselspiel im Titelrennen und Bellingham will auch hier beweisen, dass er Weltklasse ist.

Und mit besagtem Erinnerungsalbum im Hinterkopf fragen sich viele Barça-Fans, was wohl gewesen wäre, wenn die Dinge vor rund vier Jahren anders gelaufen wären. Denn obwohl zahlreiche Top-Teams an ihm interessiert waren, bevor Bellingham letztlich von Birmingham City zum BVB ging, hatte auch Barça eine gute Chance.

2019 vereinbarten die Blaugrana ein Treffen mit Bellinghams Vater Mark. Doch dieser erschien einfach nicht.

  • Louie Barry BarcelonaBarcelona

    Warum schaffte es der FC Barcelona nicht, Jude Bellingham zu holen?

    Die Geschichte beginnt mit einem anderen englischen Teenager: Louie Barry. Barry, der wie Bellingham aus Birmingham stammt, hatte zehn Jahre lang als Jugendspieler in der Akademie von West Bromwich Albion beeindruckt. Noch bevor er zu den Profis kam, hatten auch Paris Saint-Germain und der FC Barcelona ein Auge auf ihn geworfen.

    Barry entschied sich schließlich für Barça und wurde der erste englische Spieler, der jemals in La Masia spielte. Die Dinge liefen jedoch nicht von Anfang an nach Plan. So suchte Barry das Gespräch mit seinem Kumpel Jude. Die zwei kannten sich aus den englischen U-Nationalmannschaften und tauschten sich über den Misserfolg Barrys aus.

    Nur fünf Monate nachdem Barry seinen Vertrag bei Barça unterschrieben hatte, wollte sich der Verein mit Mark Bellingham in London treffen.

    "Er ist nicht zu dem Treffen erschienen", sagte Bojan Krkic Sr., Vater des ehemaligen Barcelona-Stürmers Bojan und seit über zehn Jahren Scout des Vereins, gegenüber Cadena SER im Jahr 2022. "Ich weiß, dass er das mit vielen Vereinen gemacht hat. Seine Ausrede bei uns war, dass wir bereits einen Engländer in seinem Alter [Barry] von Aston Villa oder West Bromwich unter Vertrag hatten, und er sagte scherzhaft: 'Mein Sohn wird nicht bei Barça unterschreiben, weil er nicht mit jemandem von dieser begrenzten Qualität spielen kann'."

    Bellingham verließ Birmingham schließlich im Sommer 2020 und entschied sich für Borussia Dortmund.

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  • Louie Barry BarcelonaGetty Images

    Louie Barry als abschreckendes Beispiel für Jude Bellingham

    Und Bellinghams Vater hatte wohl die richtige Entscheidung getroffen. Denn Landsmann Barry gelang in Barcelona nie der Schritt zu den Profis. Auch in La Masia fasste er nicht dauerhaft Fuß, obwohl er im Training überzeugt haben soll.

    Die Probleme begannen schon früh. West Brom beschuldigte die Katalanen, ihnen 250.000 Euro Entschädigung zu schulden. Das in Geldnot geratene Barça bestritt dies. Die Streitigkeiten über den Papierkram nahmen kein Ende, während Barry über zwei Monate lang nicht zu seinem Pflichtspieldebüt kommen durfte.

    Als er schließlich spielberechtigt war, erhielt Barry nur wenige Chancen. Der 16-Jährige wurde in Barças U19-Auswahl eingesetzt, wo er ältere, erfahrenere Spieler vorgesetzt bekam. Nach Informationen von GOAL und SPOX wurde er schließlich aus der Mannschaft genommen, weil sein Spielstil überhaupt nicht zu jenem seiner Mitspieler passte. Barrys Geduld war dementsprechend erschöpft.

    "Louie war mit der Einsatzzeit, die ihm gegeben wurde, nicht zufrieden, und das zu Recht", so eine mit der Situation vertraute Person. "Er hat immer gut gespielt und einige Tore geschossen. Seine Mannschaftskameraden hielten ihn für einen großartigen Stürmer".

    Als die Covid-19-Pandemie dann im Frühjahr 2020 ausbrach, wurde Barça vorzeitig spanischer U19-Meister. Obwohl Barry zunächst einen Dreijahresvertrag unterzeichnet hatte, musste er schon wieder gehen. Aston Villa, der Verein, den er seit seiner Kindheit unterstützte, hatte im Januar sein Interesse bekundet. Barry ergriff die Chance, Spanien zu verlassen, weil er keine Perspektive sah, für die Profis zu spielen.

    Was wurde in den Jahren danach aus ihm? Es gab einige herausragende Momente, das muss man zugeben. Bei seinem Debüt für Aston Villa im Januar 2021 erzielte Barry den Ausgleichstreffer gegen Liverpool bei der 1:4-Niederlage in der dritten Runde des FA-Cups, als das von Covid bedrängte Villa gezwungen war, mit seiner Jugendmannschaft zu spielen, während die Senioren zu Hause isoliert waren. Jürgen Klopp bezeichnete Barry nach dem Spiel sogar als "Little Vardy", weil er von der Schnelligkeit des Teenagers beeindruckt war.

    Dies war jedoch sein einziger Einsatz in der ersten Mannschaft Villas. Seitdem wurde er zu einer Reihe von Leihgeschäften geschickt. Zunächst war es Ipswich Town, wo er sich in der League One nur schwer durchsetzen konnte, bevor er zu Swindon wechselte, wo er in der League Two sechs Tore erzielte. In den Jahren 2022/23 folgten weniger produktive Zeiten bei MK Dons und Salford City. Heute kickt er für Salford in der vierten Liga.

  • Jude Bellingham Dortmund 2022-23Getty Images

    Der BVB war für Jude Bellingham die perfekte Wahl

    Bellinghams Karriere lief zum Glück anders. Etwa sechs Monate nachdem Barry Barça verlassen hatte, unterschrieb er beim BVB. Der Wechsel wurde von den Fans in ganz Europa mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrung aufgenommen.

    Dortmund zahlte Birmingham die stolze Summe von 25 Millionen Euro für einen 17-Jährigen, der noch keine Erfahrung in der ersten Liga hatte. Sein Heimatverein entschied sich bemerkenswerterweise dafür, sein Trikot mit der Rückennummer 22 nicht mehr zu vergeben. Inzwischen bekannt, dass Bellingham nicht nur dem FC Barcelona, sondern auch Manchester United einst einen Korb gab.

    Und damit hat der Engländer wohl die perfekte Entscheidung getroffen. Bellingham war in Dortmund nicht sofort ein Hit. Vielmehr erhielt er die Chance, sich in der Bundesliga zu etablieren. Er wollte nicht das Rampenlicht von Barcelona oder Manchester, in dem er auch für kleine Fehler direkt kritisiert worden wäre.

    Aber seine Qualität war unbestritten und offensichtlich. Nachdem er sich in der Saison 2020/21 in die Mannschaft gearbeitet hatte, stand er in den beiden darauffolgenden Spielzeiten fast in jedem Spiel in der Startelf. Mit einer herausragenden Saison hätte er den BVB schließlich 2023 fast zum Titel geführt.

    Er stand zudem im England-Kader von Gareth Southgate für die EURO 2021 und war ein wichtiger Spieler für die Three Lions bei der Weltmeisterschaft in Katar Ende 2022.

    Im vergangenen Sommer war er für die Borussia nicht mehr zu halten und wechselte für eine Ablöse von 103 Millionen Euro zu Real Madrid.

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    Hätte Jude Bellingham zu Barça gepasst?

    Ein Wechsel zu Barça hätte aber auch aufgehen können. Schließlich ist der Engländer ein äußerst talentierter Mittelfeldspieler, der schon mit 17 Jahren die Chance gehabt hätte, in der ersten Mannschaft der Blaugrana Fuß zu fassen.

    Barcelona befand sich zu dieser Zeit im Umbruch und holten viele junge, talentierte Spieler aus La Masia zu den Profis hoch. Bellingham hätte zur gleichen Zeit wie Ansu Fati und Pedri den Durchbruch schaffen und mit ihnen ein famoses Offensivtrio bilden können. Wenn man dann noch bedenkt, dass ein gewisser Lionel Messi immer noch da war, kann man davon ausgehen, dass es hätte klappen können.

    Aber die Nachteile überwiegen hier sicherlich. Als junger Spieler in Katalonien lebt man im Schatten Messis. Je besser der Spieler ist, desto schwieriger wird es, Erfolg zu haben. Fati zum Beispiel, der als 'der nächste Messi' gepriesen wurde und schließlich dessen Trikot mit der Nummer 10 erhielt, ist hat schwere Verletzungen hinter sich und kickt nun in Brighton.

    Und dann wäre da noch der Druck für einen 17-jährigen Engländer in Barcelona. Bellinghams technische Qualitäten sind offensichtlich, aber der Mittelfeldspieler ist sicherlich kein Akteur, der auf dem Papier in das klassische La-Masia-Schema passt.

    Mittlerweile hat er sich an den Druck gewöhnt und auch keine Anpassungsprobleme an die technisch anspruchsvolle LaLiga.

  • Bellingham Real Madrid 2023-24Getty Images

    Jude Bellingham: Sein erster Clásico mit Real Madrid gegen den FC Barcelona wartet

    Und so kommt es, dass Bellingham am Samstag das bisher größte Spiel seiner Karriere in Barcelona für Real Madrid bestreiten wird. Die Blancos sind trotz des Auswärtsspiels wahrscheinlich der leichte Favorit. Barça ist von einer Verletzungskrise geplagt und befindet sich in einem Wettlauf mit der Zeit, um Robert Lewandowski und Pedri wieder fitzukriegen.

    Das ohnehin schon dünn besetzte Mittelfeld ist noch dünner geworden. Gavi, der in den letzten Wochen in einer tieferen Rolle agiert hat, wird zusammen mit Oriol Romeu die Aufgabe haben, Bellingham zu stoppen - das wird ein spannendes Duell. Gavi - 'die Pest' - und Romeu - 'die Wand' - müssen zusammen den Spieler verteidigen, der aktuell wohl weltweit am besten in Form ist.

    Atlético Madrid hat im vergangenen Monat beim 3:1-Sieg im Derby demonstriert, dass es möglich ist, Bellingham zu stoppen. Aber ein verletzungsgeschwächtes Barça könnte in der Defensive Probleme bekommen - vor allem, wenn man bedenkt, dass Vinícius Jr. und Rodrygo auch noch auf den Flügeln zu finden sein werden.