Enrique hat Recht mit seiner Kritik nach dem Spiel gegen Reims. Wenn Mbappé am Ball ist oder einer seiner Mannschaftskameraden, ist er Weltklasse - ist der Gegner jedoch in Ballbesitz, stellt er eine Belastung für die Mitspieler dar.
Das Bild des verärgerten Superstar-Stürmers, der nicht mit nach hinten, ist vielleicht etwas übertrieben. Selbst Erling Haaland, Mbappés offensichtlichster Konkurrent um den Titel "Stürmer, der den Ball aus jeder Situation im Netz versenkt", ist bereit für sein Team zu rennen (er war in der Premier League über weite Strecken der Saison 2022/23 derjenige, der nach Ballverlust am meisten Druck ausübte).
Mbappé hingegen gleicht eher Cristiano Ronaldo, er ist ein an der Defensive desinteressierter Megastar. Das wurde bei der WM 2022 deutlich, als sich Trainer Didier Deschamps gezwungen sah, Mbappé vom linken Flügel in die zentrale Position zu versetzen - vor allem, weil dieser den gegnerischen Außenverteidigern in der Defensive nicht folgen wollte - eine Schwäche, die erst England im Achtelfinale und dann Argentinien im Finale ausnutzte.
Bei PSG ist es sogar noch problematischer. Es gibt die aus dem Zusammenhang gerissenen Screenshots in den sozialen Medien, die zeigen, wie Mbappé wegschaut, während ein Verteidiger mit dem Ball am Fuß an ihm vorbeiläuft. Es gibt auch Clips, die ihn dabei zeigen, wie seine Mitspieler zur Defensivarbeit auffordert, dann aber selbst nicht mitmacht.
Und dann sind da noch die Zahlen. Mbappé gehört zu den am schlechtesten pressenden Stürmern in Europa. Gegen Reims machte er keinen einzigen Zweikampf und verzeichnete auch keine einzige "defensive Aktion" (eine Statistik, die Zweikämpfe, abgefangene Bälle und Klärungsversuche umfasst). Gonçalo Ramos, der in der Mitte spielte, führte fünf Zweikämpfe - und Ousmane Dembélé, der auf dem anderen Flügel spielte, kam auf vier Duelle. In den letzten 365 Tagen rangiert Mbappé laut dem Datenlieferanten FBRef bei den Tacklings, Blocks und Clearances im letzten Zehntel.
Mbappé rennt in der Tat ab und zu. Er setzt Verteidiger unter Druck - vorausgesetzt, er ist nah genug dran. Und er ist auch nicht völlig immun gegen das Zurücklaufen. Wenn man dann noch bedenkt, dass er in der Regel für Konter weit vorne bleiben muss, sind seine Zahlen zwangsläufig verzerrt.
Dennoch gibt es einen Mittelweg zwischen seinen spezifischen Anweisungen und den allgemeinen Anforderungen an einen modernen Stürmer. Mbappé neigt dazu, sich aus den Defensiv-Angelegenheiten herauszuhalten.