Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und noch mehr Superstars: Ist die Saudi Pro League eine Bedrohung für Europas Top-Ligen oder eine Rentnerliga mit viel Kohle?

Als Cristiano Ronaldo behauptete, dass die saudische Profiliga "in den kommenden Jahren" zu einem Elitewettbewerb werden wird, wurde er belächelt. Kein Wunder, dass er das sagt, so der Tenor: Schließlich bezieht er von Al-Nassr ein horrendes Gehalt und muss dafür auch die Werbetrommel für seine neue sportliche Heimat rühren.

In diesem Zusammenhang hat CR7 bewundernswert offen über einige der Herausforderungen gesprochen, mit denen der saudi-arabische Fußball konfrontiert ist, insbesondere über seine infrastrukturellen Probleme. Doch Ronaldo ist fest entschlossen, die Wahrnehmung der saudischen Profiliga vor allem in Europa zu verändern.

"Ich denke, man sollte die Liga aus einem anderen Blickwinkel betracht", sagte er im März. "Ich werde sicher nicht behaupten, die Pro League sei die neue Premier League. Das wäre eine Lüge." Der mehrfache Weltmeister prophezeite gleichzeitig aber auch, die saudische Spitzenliga werde bald "zu den fünf besten Ligen der Welt" gehören.

Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden, denn das Geld ist da, und zu Ronaldo hat sich in Saudi-Arabien gerade sein ehemaliger Mannschaftskamerad von Real Madrid, Karim Benzema, der aktuelle Gewinner des Ballon d'Or, gesellt. Die Aussicht auf einen letzten großen Vertrag ist für jeden Profi verständlicherweise schwer zu widerstehen.

Aber wird sich die Profiliga als etwas anderes erweisen als ein lukrativer Altersruhesitz für alternde Superstars? Kann sie wirklich jüngere Spieler auf dem Höhepunkt ihres Könnens anziehen?

GOAL geht der Sache auf den Grund...

  • Der Tiefschlag durch Lionel Messi

    Lionel Messi betonte nach seinem Wechsel zu Inter Miami, dass er ein Angebot von Al-Hilal aus familiären Gründen abgelehnt habe. "Wenn es eine Frage des Geldes gewesen wäre", erklärte er in einem Interview mit Mundo Deportivo, "wäre ich nach Saudi-Arabien oder anderswohin gegangen.

    Messi war jedoch eindeutig der Meinung, dass es für seine Frau und seine Kinder einfacher wäre, sich in Miami niederzulassen, einer Stadt mit einer großen hispanischen Bevölkerung. Dennoch war seine Absage unbestreitbar ein massiver PR-Rückschlag für die Pro League.

    Ronaldo und Messi im selben Wettbewerb zu haben, wäre ein spektakulärer Coup gewesen. Schon ein Freundschaftsspiel zwischen den beiden kurz nach Ronaldos Vertragsunterzeichnung sorgte für großes Interesse am All-Star-Game der Liga.

    Messi mag zwar in die Jahre gekommen sein, aber wie er in Katar mit einer logikwidrigen Darbietung nach der anderen bewiesen hat, ist er nach wie vor ein Magier - ein Magier, zu dem die Fans in Scharen geströmt wären.

    Seine Absage hat also ein potenzielles Problem für die Profiliga aufgezeigt: Nicht alle Fußballer werden sich von den enormen Geldbeträgen, die in Saudi-Arabien geboten werden, überzeugen lassen.

    Es wird andere Bedenken geben, von denen einige mit der sozialen Szenerie und den örtlichen Gesetzen zusammenhängen. Andere wiederum zieht es aus religiösen Gründen nach Saudi-Arabien, so wie Benzema.

    "Ich bin Moslem und dies ist ein muslimisches Land", sagte er, nachdem er Anfang des Monats bei Al-Ittihad unterschrieben hatte, "ich wollte schon immer hier leben".

    Das größere Hindernis für die Anwerbung von Spitzenspielern sind das Niveau und das Prestige der Liga.

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  • Eine Rentnerliga?

    Ronaldo, Benzema, Messi, N'Golo Kanté, Luka Modric, Neymar, Pierre-Emerick Aubameyang - die vergangenen und aktuellen Transferziele Saudi-Arabiens haben alle etwas gemeinsam. Sie sind alle in ihren Dreißigern und haben ihren Zenit überschritten, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Und das ist natürlich verständlich.

    Der Fußball hat sich stark auf Europa konzentriert, und selbst die Vorstellung von den "Big Five" ist wohl überholt, wenn man bedenkt, dass die Ligue 1, die Serie A und die Bundesliga praktisch zu Lieferanten für die Premier League geworden sind.

    Das gesamte Geld des Fußballs ist heute in England konzentriert, und einige wenige Superclubs sind über den Kontinent verstreut. Wie die MLS im Laufe der Jahre festgestellt hat, ist es daher schwierig, andere Spieler als Veteranen aus Europa zu locken. Messi ist natürlich ein Sonderfall, aber es ist nicht so, dass dem siebenfachen Ballon d'Or-Gewinner plötzlich Spieler mit Mitte 20 in die USA folgen.

    Was wir jedoch weiterhin erleben dürften, ist ein stetiger Strom südamerikanischer Stars in die MLS, da diese mittlerweile als Sprungbrett für einen Wechsel nach Europa angesehen wird. Das mag eine zynische Sicht der Dinge sein, aber unterm Strich verbessert sich das Niveau der MLS dadurch, was für alle, die mit dem amerikanischen Fußball zu tun haben, einschließlich US-Nationalmannschaft, von großem Vorteil ist.

    Wäre Saudi-Arabien wirklich zufrieden, wenn in der Profiliga etwas Ähnliches geschähe? Wahrscheinlich nicht, wenn man bedenkt, dass eine Quelle gegenüber France24 erklärte, dass Al-Nassr nach der Verpflichtung Ronaldos das Ziel hatte, die "neuen Galaktischen" zu schaffen.

    Kleiner, aber feiner, Unterschied: Luis Figo und Zinédine Zidane waren einst in ihren besten Jahren, als sie von Real Madrid verpflichtet wurden. Die Saudi Pro League hat gewiss nicht die gleiche Anziehungskraft wie Florentino Pérez während seiner ersten Amtszeit im Santiago Bernabéu - zumindest noch nicht.

    Sagen wir es mal so: Wenn die Serie A trotz der beeindruckenden Leistungen ihrer Teams in Europa in dieser Saison ihren Ruf als Ort, "an den die Stars im hohen Alter gehen", nicht loswird, wird es für die saudi-arabische Eliteliga noch schwieriger sein, die Welt davon zu überzeugen, dass es sich um einen Top-Wettbewerb handelt, wenn ihre größten Stars alle schon bessere Tage gesehen haben.

  • Crstiano-Ronaldo(C)GettyImages

    "Systematische Vertragsverletzungen" in Saudi-Arabien

    Offensichtlich werden die hochkarätigen Spieler, die sich mit den Vereinen der Pro League einigen, gut bezahlt und haben keine Probleme, ihr Gehalt pünktlich und in vollem Umfang zu kassieren. Schließlich wäre es ein PR-Desaster katastrophalen Ausmaßes, wenn sich Ronaldo öffentlich darüber beschweren würde, dass sein Gehalt nicht pünktlich gezahlt wird.

    Allerdings gilt das offenbar nicht für alle Spieler in Saudi-Arabien. Spielergewerkschaft FIFPRO, die Profifußballer in der ganzen Welt vertritt, hat ihre Mitglieder bereits davor gewarnt hat, bei Vereinen in Saudi-Arabien zu unterschreiben, "weil es dort systematische und weit verbreitete Vertragsverletzungen gibt".

    Die Organisation hat behauptet, dass "die Nichtzahlung von Gehältern ein immer wiederkehrendes Problem für Spieler in Algerien, China und Saudi-Arabien ist" - und die Erwähnung Chinas ist dabei interessant.

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  • Oscar Shanghai SIPG 02012017Getty Images

    Der Vergleich mit der Chinese Super League

    Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Chinese Super League etwas Ähnliches wie die Saudi Pro League versucht hat, indem sie große Namen mit teils absurden Verträgen nach Asien gelockt hat.

    Auch hier waren einige der angeworbenen Spieler bereits in die Jahre gekommen, aber es gab auch einige sehr bemerkenswerte Neuverpflichtungen, allen voran Oscar, ein brasilianischer Nationalspieler, der erst 25 Jahre alt war, als er vom FC Chelsea zu Shanghai SIPG wechselte. "Der chinesische Markt ist eine Gefahr für alle", sagte der damalige Trainer der Blues, Antonio Conte. "Nicht nur für Chelsea, sondern für alle Mannschaften der Welt.

    Die Blase platzte jedoch bald. Oscar ist zwar immer noch in China, aber die meisten Stars, die während des Booms in den Jahren 2016 und 2017 kamen, sind längst wieder abgereist.

    Die Regierung, die anfangs voll und ganz hinter dem Plan stand, die Liga zu "professionalisieren", zog sich langsam aber sicher zurück, nicht zuletzt, weil der Eindruck entstand, dass die ausländischen Stars, von denen viele ihre Engagements wie einen bezahlten "Urlaub" betrachteten, wie Carlos Tevez es ausdrückte, die Entwicklung der einheimischen Spieler behinderten.

    Auf ausländische Spieler wurde eine Art Steuer erhoben, die einen Wechsel nach China deutlich unattraktiver machte, während die durch die Pandemie verursachte Finanzkrise und die "Entkorporatisierung" der Klubnamen dazu führte, dass die meisten Unternehmen jegliches Interesse an weiteren Investitionen in die Liga verloren.

  • Saudi-Arabien: Das große Ziel ist die WM 2030

    Der Gedanke, dass die Saudi Pro League ein ähnliches Schicksal erleiden könnte, liegt also nahe. Schließlich ist das Ölgeld keine erneuerbare Ressource. Irgendwann wird es zu Ende gehen. Allerdings nicht in absehbarer Zeit. Außerdem will Saudi-Arabien seine Einnahmequellen ausweiten und diversifizieren.

    "Wir sind bei der Deckung unseres Energiebedarfs nicht allein vom Öl abhängig", schrieb Kronprinz Mohammed bin Salman in seiner Führungsbotschaft. "Gold, Phosphat, Uran und viele andere wertvolle Mineralien befinden sich unter unseren Böden. Aber unser wahrer Reichtum liegt im Ehrgeiz unseres Volkes und dem Potenzial unserer jungen Generation. Sie sind der Stolz unseres Landes und die Architekten unserer Zukunft."

    Sie sind auch große Fußballfans. Dem Interims-CEO der Pro League, Saad Allazeez, zufolge "spielen, besuchen oder verfolgen 80 Prozent der Bevölkerung das schöne Spiel". Ihre weitere Unterstützung für das derzeitige Regime würde also sicherlich nicht durch die Umwandlung der Profiliga in einen hochkarätigen Wettbewerb - oder eine erfolgreiche Bewerbung für die Weltmeisterschaft 2030 - beeinträchtigt.

    Denn genau darauf zielt das Ganze ab. Saudi-Arabien möchte sich als wichtiger Akteur im Fußball etablieren, denn der Sport ist eine der wichtigsten Säulen seines Bestrebens, "ein globales Investitionszentrum zu werden".

    Es werden bereits Schritte unternommen, um die Unterstützung für 2030 zu sichern. Bin Salman war in Katar sehr präsent und saß an Spieltagen oft an der Seite von FIFA-Präsident Gianni Infantino, während der Guardian letzten Monat berichtete, dass Saudi-Arabien Gespräche mit der Confederation of African Football (CAF) über das Sponsoring einer neuen afrikanischen Superliga aufgenommen hat.

  • 'We should not run away from our differences'

    Was die Profiliga betrifft, so war die Entscheidung, dem staatlich kontrollierten Public Investment Fund (PIF) zu gestatten, 75 Prozent der Anteile an vier der größten Vereine des Landes zu übernehmen, eine ernsthafte Absichtserklärung, die Teil eines Privatisierungsplans ist, der auch anderen Unternehmen und Agenturen die Möglichkeit gibt, in Mannschaften zu investieren.

    Das Ziel besteht zweifellos darin, eine Reihe von Superstars zu verpflichten und sie gleichmäßig auf Al-Ittihad, Al-Ahli, Al-Nassr und Al-Hilal zu verteilen, um so eine saudi-arabische "Big Four" zu schaffen. Die Premier League ist für ein Land, das die Aufmerksamkeit der Fußballwelt auf sich ziehen will, kein schlechtes Vorbild.

    Der Marktwert der Profiliga soll sich in den nächsten sieben Jahren mehr als verdoppeln, was natürlich ein ehrgeiziges Ziel ist. Dafür braucht man Zeit und Geduld.

    Aber vielleicht nicht so viel, wie viele Außenstehende glauben. Schließlich hat Saudi-Arabien gerade den Golfsport übernommen, nachdem es eine Fusion zwischen seiner LIV-Golf-Gruppe und der PGA Tour vereinbart hat. Letztere bringt Glaubwürdigkeit mit, erstere Unmengen an Geld, so dass es aus geschäftlicher Sicht durchaus Sinn macht.

    Und doch wäre ein solcher Deal noch vor einem Monat undenkbar gewesen, wenn man den Grad der Verbitterung zwischen den beiden Organisationen und ihren jeweiligen Spielern und Funktionären bedenkt. In der Tat war der Diskurs so giftig, dass sogar der 11. September ins Spiel gebracht wurde, als PGA-Tour-Vorstandsmitglied Jimmy Dunne letztes Jahr sagte, er wolle nicht, dass sein Gehaltsscheck von einer saudischen Bank unterzeichnet wird.

    Erst letzte Woche verteidigte derselbe Beamte den Zusammenschluss live im US-Fernsehen und sagte denjenigen, die auf beiden Seiten der Golfkluft stehen, dass "wir nicht vor unseren Differenzen davonlaufen sollten".

    Wenn es also um saudi-arabische Investitionen geht, kann nichts ausgeschlossen werden, was bedeutet, dass Ronaldo durchaus Recht behalten könnte. Die Profiliga könnte durchaus zu einer der fünf besten Ligen der Welt werden - denn wenn so viel Geld im Spiel ist, ist alles möglich.

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