Kein Scorerpunkt, keine Startelf und private Probleme: Beim FC Chelsea entwickelt sich ein 121-Millionen-Euro-Problem

Bevor auch nur eine Sekunde in der Saison 2024/25 absolviert war, dominierte Fernandez bereits die Schlagzeilen – allerdings aus unschönen Gründen. Nach dem Gewinn der Copa America mit der Albiceleste im Juli war er es, der per Smartphone aus dem Mannschaftsbus übertrug, wie einige Argentinier rassistische und transphobische Gesänge auf Kosten französischer Nationalspieler anstimmten. Fernandez grölte dabei überschwänglich mit.

Unter anderem hieß es: "Sie spielen in Frankreich, aber sie kommen alle aus Angola" und "ihre Mutter ist Nigerianerin, ihr Vater ist Kameruner, aber auf ihrem Pass steht: Französisch".

Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten. Einige von Fernandez' Chelsea-Mannschaftskameraden sind afro-französischer Herkunft und zeigten sich auch öffentlich sauer. Wesley Fofana zum Beispiel prangerte "unverhohlenen Rassismus" an.

Fernandez entschuldigte sich daraufhin und erklärte, er sei "gegen jede Form von Diskriminierung" und entschuldigte sich dafür, "dass er sich von der Euphorie anstecken ließ". Weiter erklärte er: "Dieses Video, dieser Moment, diese Worte spiegeln nicht meinen Charakter oder meine Überzeugungen wider. Es tut mir aufrichtig leid."

Damit war das Thema aber nicht aus der Welt, es köchelte weiter und dominierte mehrere Tage lang die Schlagzeilen. Chelsea leitete ein Disziplinarverfahren gegen den 23-Jährigen ein und auch die FIFA ermittelte. Berichte über ein Zerwürfnis innerhalb der Chelsea-Mannschaft erwiesen sich allerdings als nicht korrekt, denn Fernandez' Mitspieler sollen ihm verziehen haben. Eine ideale Saisonvorbereitung ohne Ablenkung sieht trotzdem anders aus.

In Chelseas abermals neu zusammengestellter und von einem neuen Trainer betreuten Mannschaft waren Fernandez' Leistungen zu Beginn der Saison okay. Mehr aber auch nicht. An den ersten drei Spieltagen der Premier League stand er noch über die vollen 90 Minuten auf dem Platz, danach war es damit vorbei.

Zum Knackpunkt in der bisherigen Fernandez-Saison wurde die Genesung Romeo Lavias. Der Belgier fiel erst wegen einer Kniesehnenverletzung aus. Seitdem er wieder fit ist, erhielt er stets den Vorzug gegenüber Fernandez auf der Doppelsechs im Chelsea-Mittelfeld.

Lavia passt zum einen deutlich besser zum formstarken Moises Caicedo, dem zweiten sündhaft teuren Spieler in der Zentrale, und er passt auch deutlich besser zum etwas defensiveren Ansatz, den Maresca mittlerweile wählt. Eine Position weiter vorn im Mittelfeld ist Cole Palmer gesetzt, sodass es nicht nach einer schnellen Rückkehr Fernandez' in die Stammformation aussieht.

Die Frage, die sich mittlerweile stellt, ist: Welche Position soll Fernandez überhaupt ausfüllen? Für die 10 geht ihm die ganz große Kreativität ab. Für einen Spielgestalter aus der Tiefe ist er mit null Scorerpunkten in dieser Saison nicht effektiv und hat zudem mit einer Passquote von rund 80 Prozent auch hier Defizite. Außerdem ist es fraglich, ob er die nötige Ausdauer und Physis besitzt, um dauerhaft als defensiver Mittelfeldspieler eingesetzt zu werden.

Maresca seinerseits betont, dass er weiterhin Vertrauen in den Südamerikaner hat und dass seine Entscheidungen rein taktischer Natur sind. "Ich vertraue Enzo nach wie vor", sagte der Cheftrainer vor nicht allzu langer Zeit. "Es gibt keinen Grund auf der Welt, warum ich das Vertrauen in ihn verlieren sollte", beschwichtigte Maresca. Er treffe im Moment einfach "eine andere Entscheidung".

Diese andere Entscheidung erläuterte er so: "Ich weiß, dass Sie im Moment nach anderen Gründen für Enzos Nichtberücksichtigung suchen, aber es ist ganz einfach. Er spielt im Moment nicht, wir haben noch so viele Spiele, er wird in der Zukunft sicher spielen. Und das bedeutet nicht, dass Romeo und Moi immer spielen werden. In dem Moment, in dem einer von ihnen nachlässt, werden wir es wahrscheinlich ändern."

Dass es aber dann doch nicht nur an der Formstärke der beiden Kontrahenten liegt, deutete Maresca noch mit an: "Es ist eine Frage der Balance. Romeo und Moi geben uns Körperlichkeit und Stärke im Mittelfeld." Wegen Fernandez' Vorwärtsdrang habe man im Zentrum "Probleme mit der Körperlichkeit".

Generell liegt es in einem hochkarätig besetztem Kader wie jenem Chelseas in der Natur der Sache, dass auch namhafte Spieler mal draußen bleiben müssen. Trifft es aber einen Weltmeister, der teurer als jeder andere Akteur des Klubs war, ist es schon ein spezielles Thema.

Maresca hat bereits erklärt, dass er glaubt, dass sowohl Fernandez als auch Caicedo unter der Last der horrenden Ablösesummen leiden, die Chelsea einst für ihre Dienste gezahlt hat. "Der Preis darf kein Problem für sie sein. Das ist etwas, an dem die Spieler nichts ändern können", sagte der Italiener kürzlich. "Manchmal fühlen sich die Spieler unter Druck gesetzt, weil der Verein zu viel zahlt, aber das ist ein großes Problem und eine Last auf den Schultern, die den Spielern nicht hilft."

Da ist sicherlich etwas Wahres dran. Fernandez kam nach der WM in Katar unter besonderen Umständen zu Chelsea. Die Blues wollten ihn unbedingt, bei Benfica streikte er und die hohe Ausstiegsklausel in seinem Vertrag in Lissabon führte am Ende zu dem teuren Transfer mit der Brechstange. Es war und ist unwahrscheinlich, dass Fernandez die 121 Millionen Euro auf dem Rasen jemals wirklich wert sein wird.

Zu den sportlichen Schwierigkeiten gesellen sich auch noch private Probleme. Fernandez' Ehefrau und Mutter seiner beiden Kinder, die Influencerin Valentina Cervantes, verkündete Ende Oktober via Social Media eine vorübergehende Trennung des Paares.

Sie schrieb auf Instagram: "Enzo und ich haben heute beschlossen, etwas Abstand voneinander zu nehmen. Aber wir werden immer eine Familie sein, und wir werden uns gegenseitig in allem unterstützen. Denn es geht um zwei Kinder, die viel Liebe von uns brauchen. Ich weiß, was für ein Mensch Enzo ist und was für ein hervorragender Vater er ist, und was für ein Herz er hat. Und das reicht mir. Bitte versuchen Sie nicht, Konflikte zu schaffen, wo es keine gibt".

Die Journalistin Julieta Argenta berichtet dazu in der Daily Mail, dass Fernandez gerne die Erfahrung machen wolle, alleine zu leben - eine Phase, die er übersprungen hat, als er in jungen Jahren eine Familie gründete.

Darüber hinaus musste er im Herbst wegen zweier Vergehen im Straßenverkehr seinen Führerschein für sechs Monate abgeben und eine Geldstrafe zahlen.

Den vorläufigen Tiefpunkt erlebte Fernandez vor rund zwei Wochen beim 0:2 Chelseas im Carabao Cup gegen Newcastle United. Fernandez brachte es am Ende auf sagenhafte 22 Fehlpässe und war gegen Bruno Guimares im Zentrum klar nur zweiter Sieger.

Nach dem Spiel gingen zwei Videos viral: Zum einen ein Zusammenschnitt seiner schwächsten Szenen und zum anderen ein Clip, der Maresca zeigt, wie er sich an der Seitenlinie resignierend abwendet, nachdem Fernandez mit einem Steilpass scheiterte.

Anschließend meinte der Coach: "Wir brauchen mehr Kontrolle, aber das liegt nicht nur an Enzo, sondern ganz allgemein."

Abgesänge und Verkaufsforderungen, wie sie bisweilen bei Social Media von frustrierten Fans schon zu lesen sind, kommen deutlich zu früh. Allerdings steht Maresca vor der kniffeligen Aufgabe, einen Platz für aktuell formschwachen Rechtsfuß zu finden. Eine Möglichkeit wäre es, Palmer auf einen der offensiven Flügel zu ziehen und Fernandez damit in vorgezogener Rolle vor den Abräumern Caicedo und Lavia aufzubieten.

Ein Spieler, der eine solch hohe Ablöse gekostet hat, bis 2032 unter Vertrag steht, und ein Gehalt in Höhe von angeblich 11,25 Millionen Euro pro Jahr einstreicht, sollte keine Ergänzungskraft sein. Auch nicht bei Chelsea.