Karim Benzemas Streit und Cristiano Ronaldos verpatzter Liga-Start zeigen: In Saudi-Arabien ist es nicht so einfach wie gedacht

Der Eingriff der saudischen Profiliga in den europäischen Transfermarkt könnte den Fußball für immer verändern. Cristiano Ronaldos Entscheidung, sich im Januar Al-Nassr anzuschließen, öffnete die Tür und seitdem strömen die besten Spieler Europas in den Nahen Osten, um eine "neue Herausforderung" zu erleben - und dabei noch reicher zu werden.

Dabei wurde vor allem über die Ablösesummen und die Gehälter diskutiert. Über die Auswirkungen auf die neuen Spieler wurde derweil wenig gesprochen.

Nun ist die Saison jedoch endlich angelaufen und die Leistungen der schillernden Neuzugänge sind gelinde gesagt überraschend. Von Karim Benzema, Sadio Mané und Riyad Mahrez wurde erwartet, dass sie die Liga im Sturm erobern würden. Stattdessen hatten sie bisher nur mäßigen Erfolg.

Überraschender ist zudem, dass sich einige in der Umkleidekabine nicht als neue Bosse etablieren konnten.

  • Nuno Espírito Santo - Karim BenzemaGOAL AR

    Karim Benzema und Al-Ittihad passen nicht zusammen

    Das beste Beispiel für solche Spannungen in der Umkleide ist Benzemas offensichtlicher Machtkampf mit Trainer Nuno Espírito Santo bei Al-Ittihad. Der Franzose blieb in den beiden ersten Ligaspielen ohne Treffer, auch in der Umkleidekabine braut sich ein Sturm zusammen.

    Kurz nach seiner Ankunft soll Benzema um das Amt des Kapitäns gebeten haben, doch Espírito Santoverweigerte ihm dieses zunächst. Die Binde beim brasilianischen Stürmer Romarinho, der schon lange im Verein ist. Dann, am Donnerstag, kurz nach Bekanntwerden des Zwists, durfte Benzema gegen Al-Riaydh doch als Kapitän ran - und erzielte prompt sein erstes Tor in der Saudi Pro League.

    Diese Meinungsverschiedenheit hat das Potenzial, sich zu einem Machtkampf auszuweiten. Benzema soll sich bei Al-Ittihad "unwohl" fühlen und überhaupt habe der Klub den Ballon-d'Or-Sieger gegen Espírito Santos Willen verpflichtet. All dies spielt sich vor dem Hintergrund einer weiteren Unsicherheit ab.

    Die saudische Zeitung Asharq al-Awsatberichtete kürzlich, dass es Unstimmigkeiten über die Registrierung ausländischer Spieler im Verein gibt. Der einstige Verteidiger von West Brom, Ahmed Hegazi, ist derzeit verletzt, verlangt aber die vollständige Auszahlung seines Gehalts bis zum Vertragsende, falls Al-Ittihad ihn vor die Tür setzen sollte. Auch Kapitän Romarinho soll schon einmal um seinen Abschied gebeten haben.

    Und dann ist da noch die merkwürdige Geschichte von Jota, der im Juli für 29 Millionen Euro von Celtic kam und offenbar schon nach wenigen Wochen wieder gehen will. Die Gründe für seinen Weggang sind nicht ganz klar und auch noch nicht bestätigt. Aber sie sind bezeichnend für die chaotischen Zustände beim Meister.

    Für so ein Chaos hat Benzema jedenfalls nicht in Dschidda unterschrieben.

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  • Riyad Mahrez Al-Ahli 2023-24Getty Images

    Die Hitze sollte ernstgenommen werden

    Nicht nur die Politik abseits des Spielfelds hat einige der Neuzugänge in der saudischen Profiliga überrumpelt. Auch die unerbittliche Hitze hat sich als Herausforderung erwiesen.

    Auf die Frage nach seinen ersten Eindrücken vom Land, nachdem er gegen Al-Khaleej sein erstes Tor für Al-Ahli erzielt hatte, scherzte Riyad Mahrez, dass es "sehr heiß" sei. Doch diese Aussage dürfte der Algier sehr ernst gemeint haben.

    Im August können die Temperaturen in dem Golfstaat bis zu 49 Grad erreichen und selbst in den "kältesten" Zeiten wird es selten kühler als 30 Grad. Fabinho hat bei seinem Debüt für Al-Ittihad auch erwähnt, wie sehr ihm die Hitze zu schaffen machte: "Wir haben das Spiel dominiert, trotz der schwierigen Atmosphäre und der hohen Temperaturen".

    Sein Eindruck wird wahrscheinlich von einem Großteil der Spieler in der Liga geteilt. Daran müssen sie sich gewöhnen, wenn sie sich ein neues Leben in diesem Land führen wollen.

  • Cristiano Ronaldo Al-Nassr referee 2023-24Getty Images

    Cristiano Ronaldo legt Fehlstart hin

    Nicht nur die Neuzugänge haben es in dieser Saison in der Pro League nicht leicht. Auch das Aushängeschild der Liga, Ronaldo, hat einen schwierigen Start in die Saison hinter sich.

    Nachdem er seiner Mannschaft mit einem Doppelpack gegen Al-Hilal (2:1) zum Gewinn des Arab Club Champions Cup verholfen hatte, ging es mit Al-Nassrs Formkurve steil bergab. Ohne den verletzten Ronaldo kassierte man am ersten Spieltag eine überraschende Niederlage gegen Steven Gerrards Al-Ettifaq (1:2).

    Auch in der darauffolgenden Woche gegen Al-Taawoun (0:2) lief es nicht viel besser. Ronaldo war alles andere als fit, als sein Team eine weitere enttäuschende Niederlage hinnehmen musste. Der Sieg gegen Shabab Al-Ahli Dubai (4:2) in der AFC Champions League mag wie eine Rückkehr zur alten Form aussehen, aber die Mannschaft hat sich den Sieg hart erarbeitet - auch wenn einige fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen die Aufgabe deutlich erschwerten.

    Was ist also schiefgelaufen? Nun, wir sind es gewohnt, dass sich die Manager der Premier League über die Überlastung der Spieler beklagen, aber auch die saudischen Klubs haben es mit vollgepackten Terminkalendern zu tun. Der Trainer von Al-Nassr, Luis Castro, schimpfte kürzlich, nachdem seine Mannschaft nur 48 Stunden nach dem erwähnten Finale des Arab Club Champions Cup gegen Al-Ettifaq antreten musste: "Ich weiß nicht, wie man dann am Montag spielen kann, das ist unmöglich. Außerdem haben wir heute Abend im Finale eine Verlängerung gespielt. Wir müssen die Spieler respektieren. Es ist unmöglich für uns, 48 Stunden danach zu spielen", sagte er.

    So ist das alles andere als Urlaub. Kombiniert man das hohe Spielpensum mit der großen Hitze, ist das ein Rezept für schlechte Leistungen.

  • 20230823_Cristiano_Ronaldo(C)Getty images

    Alles schlecht bei Al-Nassr und Cristiano Ronaldo

    Die hohe Anzahl an Spielen ist aber nicht das einzige Problem Al-Nassrs. Ähnlich wie bei Al-Ittihad wurden in jüngster Zeit Streitigkeiten über die Zusammensetzung des Kaders öffentlich ausgetragen.

    Torhüter David Ospina steht bei den Saudis noch bis zum nächsten Sommer unter Vertrag, doch der Verein will ihn aufgrund einer langwierigen Verletzung abgeben. Die Fans haben in den letzten Wochen in den sozialen Medien ihre Unzufriedenheit über die mangelnde Stabilität der Defensive geäußert, mit dem Transfer von Champions-League-Sieger Aymeric Laporte (kommt von Manchester City) soll diese Baustelle behoben werden.

    Ronaldo hat sich auch über den Spielplan hinaus beschwert. Bereits im April hatte er sich nach der Niederlage von Al-Nassr im Pokal gegen Al-Wehda (0:1) über den schlechten Zustand des Spielfelds beschwert. In dieser Saison hat er nun die Schiedsrichter kritisiert.

    Sein Frust ist dabei nicht völlig unberechtigt. Er spiegelt vielmehr wider, dass sich die saudische Profiliga auch abseits des Spielfelds weiterentwickeln muss, wenn sie ernsthaft mit den europäischen Topligen konkurrieren will.

  • Roberto Firmino Ah-Ahli 2023-24Getty Images

    Roberto Firmino hat für Al-Ahli abgeliefert

    Unter den vielen anderen Ex-Stars aus Europa, die einen unglücklichen Start hingelegt haben, sticht Roberto Firmino hervor. Bei seinem Debüt für Al-Ahli erzielte der Brasilianer einen lupenreinen Hattrick, doch schon kurz darauf verletzte er sich im Training.

    Als ob sein Fehlen nicht schon schlimm genug wäre, führte die Blessur auch noch zu einem Streit darüber, welcher der ausländischen Spieler nun die Kapitänsbinde übernehmen sollte.

    Die Wahl von Trainer Matthias Jaissle fiel auf Franck Kessié, was Mahrez verärgert haben soll. Auch Edouard Mendy soll sich zu dieser Entscheidung geäußert haben. Es wäre übertrieben, von einem ausgewachsenen Streit zu sprechen - aber den Zwist, den er in den lokalen Medien verursachte, zeigt: Die Trainer müssen die Dynamik in der Umkleidekabine sorgfältiger steuern.

    Es handelt sich schließlich um große Spieler mit großen Egos und hohem Einfluss auf ihre Mannschaftskameraden. Es wird nicht einfach werden, alle zufriedenzustellen.

  • Neymar Hilal 2023Getty

    Neymar wartet noch auf sein Debüt bei Al-Hilal

    Die oben beschriebene Politik abseits des Spielfelds ist ein passender Vorbote für Neymars Ankunft im September, wenn er nach seiner Verletzung seinen Platz bei Al-Hilal einnehmen wird. Der Brasilianer mag ein Weltstar sein, aber er hat in seiner viel diskutierten Karriere auch immer wieder für Kontroversen gesorgt.

    Es bleibt abzuwarten, wie sich sein Eintritt auf diese ohnehin schon brisante Atmosphäre auswirken wird - langweilig wird es sicher nicht werden. Neymar ist es gewohnt, seinen eigenen Willen durchzusetzen - er hatte sich kürzlich seinen eigenen See anlegen lassen und die millionenschwere Umweltstrafe gerne bezahlt.

    Doch wie alle, die sich dem saudischen Projekt kurz vor ihm angeschlossen hatten, könnte auch der ehemalige Spieler von Paris Saint-Germain feststellen, dass die Profiliga eine härtere Nuss ist, als er es sich vorgestellt hat.

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