Bayern Münchens Torhüter Manuel Neuer (34) hat in einem ausführlichen Interview mit 51, dem Mitgliedermagazin des FC Bayern, über sein Torwartspiel gesprochen. Dabei verriet er, wie er sich mit Torwarttrainer Toni Tapalovic auf Bundesligaspiele vorbereitet, wie er Eins-gegen-eins-Duelle gegen Cristiano Ronaldo angeht, und was seine Rolle als mitspielender Torhüter für seine Teamkollegen bedeutet.
Wie die komplette Mannschaft bereitet sich Neuer intensiv auf anstehende Gegner vor: "Bei einem Samstagsspiel beginnen wir unsere Vorbereitung am Donnerstag; unter anderem gibt es eine Sitzung zu den Standardsituationen und Einzelanalysen mit der Frage, wie sich der oder der Spieler offensiv und defensiv verhält", erklärte er. Zusätzlich analysiere er mit Tapalovic am Spieltag noch einmal alle Spieler des Abschlusstrainings und die finale Aufstellung des Gegners.
Dabei habe er "einen richtigen Katalog im Kopf", betonte Neuer, der seit 2011 bei den Bayern spielt: "Das Vorgehen im Eins-zu-eins, Eckenvarianten, Freistoßtricks, Flankenverhalten, Elfmeterschützen etc., das weiß ich alles - und dazu die Fähigkeiten aus dem Spiel heraus." Dennoch müsse man auch situativ reagieren können. Und: "Man kann nicht alles voraussagen. Das ist ein Berufsrisiko des Torwarts."
Im Eins-gegen-eins gehe es darum, "den Gegner unter Druck zu setzen" oder diese Situationen schon in der Entstehung zu verhindern: "Wenn ich direkt nach der Ballannahme am Gegner bin, hat er mich oft gar nicht kommen sehen und kaum Zeit für eine Reaktion. Auf diese Art vereitle ich oft hundertprozentige Torchancen bereits weit im Vorfeld".
Manuel Neuers Torwartspiel: Erster Angreifer beim FC Bayern
Dabei gebe es aber keine grundlegenden Unterschiede zwischen Topstars wie Cristiano Ronaldo und unbekannteren Stürmern: "Der Unterschied ist, dass ich Cristiano Ronaldo inzwischen aus unseren vielen Duellen besser kenne als viele andere. Ich sage da jetzt nicht: 'Oh, da kommt Ronaldo, ich habe Angst'." Ihm gefalle "die spezielle Herausforderung" im Eins-gegen-eins, es handle sich immer um ein "Psychospielchen". "Nicht falsch verstehen: Ich bin nicht scharf auf solche Situationen, ich denke ja in erster Linie an die Mannschaft", sagte Neuer. "Aber wenn ich mich beweisen kann, will ich da sein."
Bei den Bayern glänzt Neuer nicht nur auf der Linie, sondern auch als mitspielender Torhüter. "Der Stürmer ist der erste Verteidiger, heißt es immer - ich finde, der Torwart sollte dann heutzutage auch der erste Angreifer sein", erklärte Neuer. Da Trainer Hansi Flick "extrem hoch verteidigen" lasse, müsse er "den Raum hinter der Abwehr kontrollieren." So erspare er seinen Vorderleuten gleichzeitig kräftezehrende Wege: "Dass ich auf diese Art praktisch ein Energiesparer für das Team bin, ist einer von vielen Nebeneffekten", gab Neuer zu.
Manuel Neuer: Inspiration fürs Torwartspiel aus dem Handball
Um auch mit Mitte 30 noch auf höchstem Level spielen zu können, achte er "seit vielen Jahren noch genauer als früher auf eine gesunde Ernährung", sagte Neuer. "Da habe ich einen ähnlichen Leitfaden wie zum Beispiel Leon Goretzka, glutenfrei unter anderem - ich darf nicht einmal rotes Fleisch essen." Während der Corona-Pause habe er Cybertraining absolviert und fünfmal die Woche in einem Tor im heimischen Garten trainiert, zusammen mit Tapalovic: "Der Aufwand hat sich gelohnt, wenn man all die Erfolge sieht, die wir im Anschluss an den Lockdown erreicht haben."
Auch sonst versuche er sich immer etwas abzuschauen, so etwa bei der Handball-WM: "Im Handball ist es interessant, die Winkel zu studieren, die Position des Torhüters, die Beinarbeit - da sieht man laufend interessante Situationen für das Eins-zu-eins-Verhalten." Schließlich sei es sein Ziel, "jeden Ball zu halten. Ich bin auch dann nicht zufrieden, wenn ich ein Tor kassiere, bei dem man nichts machen kann. Weil mein Anspruch einfach ist, mein Tor sauber zu halten - ganz egal, was für ein Ball auf mich zukommt."