Inter epic collapse GFXGetty/GOAL

Inzaghi-Abgang und interne Streitigkeiten zeugen von Chaos: Inter Mailand steht nach Serie-A-Drama, CL-Finale und Klub-WM vor einem Trümmerhaufen

Am 6. Mai waren die Inter-Anhänger auf dem Zenit ihres Fan-Daseins. Die Nerazzurri hatten gerade den FC Barcelona im Halbfinale der Champions League mit 4:3 nach Verlängerung niedergerungen. Den rettenden Treffer zum 3:3 und in die Verlängerung hatte damals ein gewisser Francesco Acerbi erzielt, seines Zeichens 37-jähriger Innenverteidiger. Ganz Europa staunte über den alten und günstigen - aber auch erfahrenen und starken Kader der Nerazzurri. Auf dem Weg ins Finale gegen Paris Saint-Germain hatten die Italiener im Viertelfinale zuvor bereits den FC Bayern München ausgeschaltet.

In der italienischen Serie A befand sich Inter damals gleichauf mit der SSC Neapel, in der Coppa Italia war man jedoch Ende April an Stadtrivale Milan gescheitert (0:3). Das Double schien zum Greifen nahe, sowie die Krönung einer Spielergeneration im Herbst bzw. Winter ihrer Karriere.

Doch letztlich scheiterte Inter in der Serie A dramatisch an Napoli - und kassierte im CL-Finale gegen PSG eine bitterböse 0:5-Abreibung. Zuletzt blamierte man sich dann bei der Klub-WM. Die jüngsten beiden Monate sorgen bei Inter für Chaos, das nicht zu enden scheint.

  • Como 1907 v FC Internazionale - Serie AGetty Images Sport

    Inter wirft den Serie-A-Titel weg

    Am 11. Mai schlug Inter den FC Turin in der Serie A und hielt damit seine Hoffnungen auf die Titelverteidigung am Leben. Am darauffolgenden Spieltag – dem 37. und vorletzten der Saison 2024/25 – schien sich das Rennen um den Serie-A-Titel zugunsten der Nerazzurri zu entscheiden.

    Da Tabellenführer Napoli bei Parma nur ein torloses Unentschieden erreichte, übernahm Inter dank eines Kopfballs von Dumfries in der 79. Minute im San Siro virtuell die Tabellenführung. In den letzten Sekunden der regulären Spielzeit wurde Lazio jedoch nach einem Handspiel des deutschen Innenverteidigers Yann Bisseck ein umstrittener Elfmeter zugesprochen - den Pedro verwandelte, den Gästen ein 2:2-Unentschieden bescherte und damit letztlich auch den Scudetto für Napoli sicherte.

    Inter sah sich danach als Opfer einer Ungerechtigkeit und weigerte sich nach dem Spiel, seinen Medienverpflichtungen nachzukommen. Dabei waren Inzaghi und seine Spieler selbst für das Schlamassel verantwortlich. Und so sicherte sich Neapel dank Scott McTominay mit einem Sieg über Cagliari den Titel.

    "Wir haben den Titel nicht verdient, weil wir nach 38 Spielen nicht an der Spitze stehen", sagte Innenverteidiger Stefan de Vrij danach zu DAZN. "Aber ich habe das Gefühl, dass wir in dieser Saison in der Liga mehr hätten erreichen können."

    Der Niederländer blickte trotzdem nach vorne: "Wir haben dieses Jahr wirklich hart gearbeitet und in der Champions League sehr gut abgeschnitten, also werden wir jetzt alles tun, um die Saison mit einem Erfolg zu beenden. Der Wunsch, nächste Woche ein großartiges Finale zu spielen, ist riesig."

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  • Paris Saint-Germain v FC Internazionale Milano - UEFA Champions League Final 2025Getty Images Sport

    Inter im CL-Finale von PSG gedemütigt

    Vor dem Showdown mit PSG am 31. Mai in München betonten die Spieler von Inter, dass sie aus ihrem letzten Champions-League-Finale 2023 in Istanbul viel gelernt hätten. Damals hatten sie mit 0:1 gegen Manchester City verloren, aber weit besser gespielt, als irgendjemand erwartet hatte.

    In der Allianz Arena war Inter an jenem Tag jedoch völlig von der Rolle und wurde von starken Parisern überrannt. Das Spiel war nach 20 Minuten praktisch entschieden, als die Franzosen mit 2:0 führten. Doch PSGs junge Truppe ließ nicht nach und verpasste der alternden Inter-Mannschaft einen Denkzettel, der noch lange nachwirken dürfte. Innenverteidiger Alessandro Bastoni erklärte nach der heftigen Pleite enttäuscht: "Das hinterlässt ein tiefes Gefühl der Bitterkeit und wir werden Zeit brauchen, um sie zu verstehen."

  • Monza v Parma - Serie AGetty Images Sport

    "Kapitän" Inzaghi verlässt das sinkende Schiff - Chivu übernimmt

    Nur drei Tage nach dem verheerenden Finale in der Königsklasse verkündete Trainer Filippo Inzaghi seinen Abgang. Der Coach, der Inter unter schwierigen Bedingungen zurück in die Weltspitze geführt hatte, hatte wohl schon vor dem CL-Finale bei Al-Hilal in Saudi-Arabien unterschrieben. Die Inter-Fans waren bitter enttäuscht und befürchteten bereits eine düstere Zukunft ihres Vereins.

    Noch vor der Klub-WM musste also ein neuer Trainer von Format her, der das niedergeschlagene Team wieder aufbauen sollte.

    Cesc Fabregas von Como 1907 war der Wunschkandidat von Inter, da er in der Serie A in seiner ersten Saison einen hervorragenden zehnten Platz erreicht hatte. Como weigerte sich jedoch, den ehemaligen Mittelfeldspieler von Arsenal und Barca gehen zu lassen. Auch mit dem Italiener Roberto de Zerbi von Olympique Marseille soll es Gespräche gegeben haben - doch auch hier kam es nicht zu einer Einigung. Und so wandte sich Inter an Christian Chivu, einen ehemaligen Verteidiger der Nerazzurri, der Parma zum Klassenerhalt geführt hatte.

  • FC Internazionale Milano v Fluminense FC: Round Of 16 - FIFA Club World Cup 2025Getty Images Sport

    Nächster Dämpfer bei der Klub-WM - dafür ordentliches Preisgeld

    Chivus Amtszeit begann nicht gerade vielversprechend: Inter musste sich in seinem Auftaktspiel der Klub-Weltmeisterschaft mit einem 1:1 gegen Monterrey begnügen. Auch gegen die Urawa Red Diamonds stand Inter kurz vor einer blamablen Niederlage, doch Kapitän Lautaro Martinez gelang in der 78. Minute in Seattle der Ausgleichstreffer, bevor Valentin Carboni den Siegtreffer erzielte.

    Anschließend besiegte Inter die Argentinier von River Plate und sicherte sich damit den ersten Platz in Gruppe E. Damit keimte die Hoffnung auf, dass die finanziell angeschlagenen Nerazzurri nicht nur eine anstrengende Saison mit einem Erfolg beenden, sondern auch noch ein ordentliches Preisgeld einfahren könnten.

    Im Achtelfinale waren dann selbst die Brasilianer von Fluminense besser als der CL-Finalist (0:2) - und Inter fuhr früh zurück nach Hause. Für gerade einmal vier Spiele hat Inter jedoch insgesamt rund 30 Millionen Euro Preisgeld eingespielt - die Klub-WM hat sich also finanziell trotzdem gelohnt.

  • Lautaro Martinez Calhanoglu InterGetty Images

    Martinez greift Calhanoglu öffentlich an

    Unmittelbar nach der 0:2-Niederlage in Charlotte stellte sich Kapitän Lautaro Martinez vor die Mikrofone - und setzte ein Statement, das noch lange nachhallen wird: "Ich will um die großen Titel kämpfen. Wir brauchen Spieler, die hier sein wollen. Wer nicht bleiben will, kann gehen"

    Als er danach gefragt wurde, welche Mannschaftskollegen er damit meine, fügte der Stürmer hinzu: "Ich spreche nur allgemein. Ich werde keine Namen nennen. Wir sind hier, um alles zu geben, aber ich habe viele Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben. Ich bin Kapitän, ich bin der Anführer der Mannschaft, also muss ich meine Meinung sagen. Die Botschaft ist klar: Wer bleiben und weiter um wichtige Titel kämpfen will, kann das tun, sonst heißt es auf Wiedersehen!"

    Im Anschluss verriet Inter-Präsident Giuseppe Marotta, dass der Argentinier damit Hakan Calhanoglu ansprechen wollte: "Wir werden mit dem Spieler sprechen und die Situation zum Besten für alle lösen." Der Deutsch-Türke erklärte, dass er mit einer Verletzung gespielt habe und schrieb auf Instagram: "Aber was mich am meisten getroffen hat, waren die Worte, die danach kamen. Harte Worte. Worte, die spalten, nicht vereinen."

    Danach soll sich Galatasaray Istanbul um eine Verpflichtung des 31-Jährigen bemüht haben, der Deal platzte jedoch. Zudem sorgte eine Blitz-Heilung von Benjamin Pavard für Gesprächsstoff. Entsprechende öffentliche Probleme sollte Inter künftig besser intern behandeln.

  • Paris Saint-Germain v FC Internazionale Milano - UEFA Champions League Final 2025Getty Images Sport

    Erste Transfers getätigt - weitere sollen folgen

    An Neuzugängen holte Inter bereits Schienenspieler Luis Henrique aus Marseille, Stürmer Ange-Yoan Bonny von Chivus Ex-Klub Parma, sowie Mittelfeldspieler Petar Sucic und Schienenspieler Nicola Zalewski von der Roma. Folgen könnten bald unter anderem Torhüter Marc-André ter Stegen, der den FC Barcelona verlassen soll - und Offensivstar Christopher Nkunku vom FC Chelsea.

    Der Umbruch bei Inter scheint also gerade erst begonnen zu haben.

    Nach zwei bitteren Monaten muss der Blick bei Inter nach vorne gehen. Ob man schnell wieder so erfolgreich spielen kann wie unter Inzaghi bleibt jedoch höchst fraglich. Der 1. Spieltag der Serie A 2025/26 gegen den FC Turin wird erste Aufschlüsse geben.