Dieser FC Barcelona hat in der Champions League nichts zu verlieren - und könnte mit seinen drei Supertalenten für jeden Gegner zum Problem werden

Berechtigte Kritik musste der FC Barcelona in dieser Saison häufig für seine wenig sattelfeste Defensive einstecken. Ein Jahr zuvor noch war die beste Abwehr Europas der Schlüssel zum Gewinn der Meisterschaft, nun fielen viele Schlüsselkräfte aus und Zahl der Gegentore hat sich etwa verdoppelt. Der Trend zeigt nun aber wieder in die richtige Richtung.

Dazu kommt eine effektive und spielfreudige Offensive. Innerhalb von 17 Minuten erzielte sie gegen Neapel zwei Tore, das erste durch Fermín López, das zweite durch João Cancelo. Raphinha, der lange in einem Tief gesteckt hatte, meldete sich zurück und war an beiden Treffern maßgeblich beteiligt.

Danach - und über weite Strecken der Partie - war Yamal das Maß aller Dinge. Der 16-Jährige schaltete und waltete überragend. Napoli konnte sich über einen Treffer freuen, als Amir Rrahmani nach einer halben Stunde in den Strafraum schlenderte und abschloss. Doch die Blaugrana blieb ansonsten relativ unbeeindruckt, überstanden die eine oder andere Schrecksekunde und behielten die Kontrolle über das Spiel. Der späte dritte Treffer Robert Lewandowskis war überfällig und völlig verdient.

Yamal war der Unterschiedsspieler. Der Flügelstürmer ist seit Monaten Barças gefährlichster Angreifer und hat mit sechs Toren und sieben Vorlagen einen beeindruckenden Start in seine erste komplette Profisaison hingelegt. Auch wenn er am Dienstag kein Tor erzielte, war er an allen guten Aktionen seiner Mannschaft beteiligt.

Er bereitete Neapels Linksverteidiger Mario Rui den Abend große Probleme, indem er ihn mit seinen scharfen Flanken und geschickten Dribblings oft überlistete. Yamals größte Stärke ist seine Unberechenbarkeit. Er kann sowohl nach links als auch nach rechts gehen, mit beiden Füßen passen und die kleinsten Lücken ausnutzen.

Xavi wird die Einsatzminuten des blutjungen Teenagers sorgfältig dosieren müssen. Vielleicht wird er in LaLiga regelmäßiger auf die Bank gesetzt, um in der CL alles geben zu können. So oder so, das neue Aushängeschild des Sportartikelriesen adidas ist schon jetzt ein echter Star und Leistungsträger.

López bietet etwas anderes als Yamal. Er wurde in der Vorbereitung überraschend Teil des Profikaders und hat sich vor allem dank eines großartigen Distanzschusses im Sommer-Clásico gegen den Erzrivalen Real Madrid in die erste Mannschaft gespielt. Seinen Leistungen mangelte es bisher noch an Konstanz, der quirlige Mittelfeldspieler stand aber immer wieder in der Startformation.

Gegen Napoli zeigte er sich von seiner besten Seite. Eine Stunde lang lief er unermüdlich und beendete seine Schicht mit 39 Ballkontakten, zwei herausgespielten Chancen und einem herrlich herausgespielten Tor. An einem anderen Abend - mit noch größerer Kaltschnäuzigkeit - hätte er drei Tore erzielen können.

Frenkie de Jong und Pedri arbeiten sich gerade von ihren Verletzungen zurück, beide würden ihn wohl aus der Startelf verdrängen. Aber selbst wenn er nur eine Reservistenrolle spielen sollte, verfügt der einstige La-Masia-Lehrling über die Energie, Kreativität und den Tatendrang, die ein Spiel verändern können.

Pau Cubarsi ist Barcelonas Überraschungsmann. Der schlaksige Innenverteidiger hat sich im Alter von 17 Jahren einen Stammplatz erkämpft und eine angeschlagene und wackelige Abwehrreihe wiederbelebt. Er ist eine prima Ergänzung zum körperlich robusten Ronald Araújo. Cubarsí ist ein Mann der Finesse. Als hervorragender Passgeber ist er das Bindeglied zwischen der oft starren Barça-Abwehr und dem Mittelfeld.

Doch gegen Napoli spielte er die Rolle des Prügelknaben und lieferte bei seinem ersten Champions-League-Einsatz eine denkwürdige Leistung ab. Der Innenverteidiger gewann 100 Prozent seiner Luftduelle, brachte 90 Prozent seiner Pässe an den Mann, kreierte eine Chance, klärte dreimal, eroberte fünf Bälle zurück und nahm mit Victor Osimhen einen der besten Stürmer Europas fast vollständig aus dem Spiel.

Cubarsís Spiel ist noch unbeständig. Stellungsspiel und Timing sind die Bereiche, in denen er noch zulegen muss. Ein strengerer VAR-Schiri hätte zudem nach einer grenzwertigen Aktion gegen Osimhen auf Strafstoß entschieden.

Dennoch könnte Barça sein Innenverteidigerduo der Zukunft schon in den eigenen Reihen haben. Araújo brachte es auf den Punkt: "Pau Cubarsí ist spektakulär. Wir ergänzen uns sehr gut, und wir hoffen, dass das noch viele Jahre so bleibt. Er ist die Zukunft des Vereins."

Und dann bleibt noch die Frage, wer in den kommenden Wochen wieder fit wird. Die Länderspielpause im März kommt deshalb zu einem guten Zeitpunkt.

Vor allem Pedri könnte von ein paar Wochen Pause profitieren. Er hat sich Anfang März erneut eine Verletzung der Achillessehne zugezogen. Wie der Verein mitteilte, ist die Zerrung jedoch nicht so schwerwiegend wie zunächst angenommen, so dass er im CL-Viertelfinale wieder dabei sein könnte.

De Jongs Fall ist schwieriger zu beurteilen. Der wendige Mittelfeldspieler zog sich in der ersten Halbzeit gegen Athletic Bilbao am 3. März seine zweite Knöchelverstauchung in dieser Saison zu. Beim letzten Mal brauchte er fast drei Monate, um wieder fit zu werden. Nun könnte er etwa einen Monat ausfallen - bis zum Viertelfinal-Hinspiel wird es ein Wettlauf gegen die Zeit.

Besser stehen die Aussichten bei Ferran Torres. Der Stürmer soll nach seiner Oberschenkelblessur bald zurückkehren und eine weiteres Element für den Angriff liefern. Der 'Hai' hat in dieser Saison überraschend gut gespielt und insgesamt 11 Tore erzielt, obwohl er nur in 16 Spielen zum Einsatz kam.

Es heißt, dass er am Sonntag im Ligaspiel gegen Atlético Madrid schon wieder dabei sein könnte.

Die Fragen zu Xavis Zukunft werden nicht plötzlich verschwinden. Egal was passiert - er wird so oder so wie angekündigt nach der Saison zurücktreten.

Xavi hat bei zahlreichen Gelegenheiten deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht hat, seine Entscheidung rückgängig zu machen - und er hat sogar eine beängstigende Warnung an potenzielle Nachfolger ausgesprochen.

Sein Vermächtnis bei Barça ist vielleicht schon gesichert. Xavis ursprüngliche Aufgabe war es, einen Liga-Titel zu holen. Genau das hat er letztes Jahr geschafft, mindestens damit sollte er in Erinnerung bleiben.

Wenn Barcelona nun bei der Auslosung etwas Glück haben und die erleichtert aufspielende Mannschaft um einige Rohdiamanten weiter auftrumpft, könnte es sogar noch ein vor wenigen Monaten kaum für möglich gehaltenes Abschiedsgeschenk geben. Xavi und Barça haben nichts zu verlieren und das macht es für jeden Gegner gefährlich.