Der FC Chelsea im Jahr 2023: Eine ganz große Lachnummer

Die Schmähgesänge der Chelsea-Fans über Armut und Arbeitslosigkeit in Richtung der Everton-Supporter begannen etwas mehr als eine Minute nach dem Anpfiff des Premier-League-Spiels gegen die Toffees (0:2) am Sonntag im Goodison Park.

Obwohl viele Teile Englands, darunter auch London, von finanzieller Ungleichheit betroffen sind, finden es Gästefans in Liverpool immer noch lustig, sich über eine Stadt mit einer langen Geschichte sozioökonomischer Probleme lustig zu machen. Dass die Chelsea-Fans Lieder über Hunger und Arbeitslosigkeit sangen, war also nicht im Geringsten überraschend - oder amüsant. Was dann aber sportlich folgte, war wirklich urkomisch.

Everton besiegte die sündhaft teuer zusammengestellte Mannschaft der Blues und verschaffte sich mit einem 2:0-Sieg Luft im Abstiegskampf, während Chelsea der gefährdeten Zone immer näher kommt.

Dann deutete Chelseas Teammanager Mauricio Pochettino auf der Pressekonferenz nach dem Spiel an, dass sein Klub im Januar 2024 möglicherweise noch mehr Geld ausgeben will, um die verkorkste Saison noch halbwegs zu retten. Auch wenn es dem Blues-Boss gelang, vor der Presse keine Miene zu verziehen - weil er die fehlende Qualität todernst meint -, konnten sich neutrale Fans im ganzen Land ein Lächeln nicht verkneifen.

Chelsea ist zur Lachnummer geworden, zur Inspirationsquelle für zig Memes, die mit jeder schwachen Leistung wieder viral gehen.

  • Fernandez-ChelseaGetty

    FC Chelsea: Riesige Ausgaben, magere Ausbeute

    Nach dem ständigen Chaos in der Saison 2022/23 sollte diese Saison für Chelsea eigentlich anders werden. Trainer Mauricio Pochettino wurde am 29. Mai als Trainer offiziell vorgestellt. Nach dem wahnsinnigen Winter-Transferfenster im Januar 2023 durfte der Argentinier weitere 450 Millionen Euro ausgeben, so dass sich die Gesamtausgaben seit der Übernahme des Klubs durch ein Konsortium um den US-Amerikaner Todd Boehly seit Sommer 2022 auf mehr als eine Milliarde Euro belaufen.

    Allerdings sind unter Pochettino keine Fortschritte zu verzeichnen. Er übernahm eine Mannschaft, die in der vergangenen Saison den 12. Platz in der Premier League belegte - und genau dort steht man jetzt, nachdem der Verein unter dem Argentinier in 16 Spielen nur 19 Punkte geholt hat. Die Ausbeute eines Abstiegskandidaten!

    Außerdem haben die Londoner im Jahr 2023 insgesamt nur 39 Punkte geholt - eine verheerende Bilanz.

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  • Nicolas JacksonGetty

    Chelsea holte nur fünf Siege in dieser Saison

    Fairerweise muss man sagen, dass es unter Pochettino einige ermutigende Auftritte gab, vor allem gegen Liverpool, Arsenal und Manchester City - aber selbst diese drei Spiele zu Hause konnte man nicht gewinnen. Das lag in erster Linie an Chelseas Konzentrationsschwächen in der Abwehr und einer schwachen Chancenverwertung im Angriff.

    Der 51-jährige Trainer kann nicht unbedingt für dumme Fehler oder schockierende Aussetzer verantwortlich gemacht werden. Doch jeder Coach wird letztlich an den Ergebnissen gemessen. Und in dieser Saison haben die Blues bisher mehr Ligaspiele verloren (sieben) als gewonnen (fünf) und ebenso viele Tore kassiert wie sie geschossen haben (26).

  • Reece James Mauricio Pochettino Chelsea 2023-24Getty

    Mauricio Pochettino erfindet klägliche Ausreden

    Pochettino hat versucht, Ausreden für Chelseas miserable Leistungen zu finden - eingestehen wollte er sich das auf humorvolle Art jedoch nicht. Er verwies unter anderem auf die lange Verletztenliste und unglückliche Ansetzungen. Doch das sind Ausreden - mit einem derart teuren Kader MUSS in kürzerer Zeit mehr Erfolg verzeichnet werden.

    Beide Argumente sind nicht dazu nicht stichhaltig. Am 25. November wurde Chelsea mit 4:1 von einer Mannschaft aus Newcastle besiegt, die in dieser Saison durch Verletzungen deutlich heftiger dezimiert ist und dazu noch die Doppelbelastung der Champions League hat. Chelsea hingegen hat unter der Woche in der Regel frei.

    Müdigkeit kann nicht als Grund für Chelseas schwankende Leistungen angeführt werden - und doch hat Pochettino kurioserweise angedeutet, dass ein zusätzlicher Ruhetag des Gegners bei der 1:2-Niederlage in der vergangenen Woche gegen Manchester United, ebenfalls damals noch CL-Teilnehmer, entscheidend gewesen sei.

  • Unai Emery Aston Villa 2022-23Getty Images

    Unai Emery und Ange Postecoglou zeigen Mauricio Pochettino, wie es geht

    Es ist dabei durchaus erwähnenswert, dass bei Chelsea mehrere Spieler ausfallen. Aber die meisten von ihnen werden dem Verein auch nicht weiterhelfen können.

    Nur der Ex-Leipziger Christopher Nkunku könnte den miserablen Angriff verbessern (obwohl er nicht der Torjäger von Weltklasseformat ist, den Boehly unerklärlicherweise in drei aufeinanderfolgenden Transferfenstern nicht verpflichtet hat). Ben Chilwell ist ein anständiger Außenverteidiger und Reece James ist an guten Tagen Weltklasse. Beide sind aber so häufig verletzt, dass man sich nicht auf sie verlassen sollte.

    Nur die Ersatzbank ist aktuell nicht ganz so prominent besetzt - aber nicht die erste Elf. Mit der müsste Poch deutlich besser spielen lassen. Andere Vereine kommen mit viel weniger Geld deutlich besser zurecht.

    Sowohl Unai Emery als auch Ange Postecoglou haben in dieser Saison wichtige Spieler durch Langzeitverletzungen verloren - aber Aston Villa und Tottenham erzielen nicht nur Ergebnisse, sondern spielen auch aufregenden Fußball mit einem kleineren Kader als jenem Chelseas.

  • Todd Boehly 2023Getty

    FC Chelsea: Pochettino sitzt noch fest im Sattel

    Am Sonntag im Goodison Park zum Beispiel stellten die Blues eine Startformation auf, die rund 500 Millionen Euro an Ablöse kostete. Raheem Sterling (56 Millionen Euro) und Nicolas Jackson (37 Millionen Euro) kamen sogar nur von der Bank.

    Im Moment deutet trotzdem nichts darauf hin, dass Pochettinos Job bedroht ist, nicht zuletzt, weil dies ein weiteres Eingeständnis wäre, dass die Eigentümer bei der Wahl des Trainers einen schweren Fehler begangen haben. Boehly & Co. entließen überraschend Champions-League-Sieger Thomas Tuchel nach nur sieben Spielen in der vergangenen Saison, brachen das Projekt Graham Potter nach nur sieben Monaten ab und installierten dann komischerweise Frank Lampard auf Interimsbasis.

    Pochettinos bloße Andeutung, dass Chelseas Kader verstärkt werden müsse, ist ein Armutszeugnis für die teuren Transfers ohne viel Qualität. Wenn Pochettino Recht hat - und der Kader noch einen Verteidiger, einen zentralen Mittelfeldspieler und einen Stürmer braucht - was sagt das über die Eigentümer aus? Dass sie bei der Auswahl von Spielern genauso schlecht sind wie bei der Auswahl von Trainern?

  • Mykhailo-Mudryk(C)GettyImages

    Hat der FC Chelsea das Financial Fairplay missachtet?

    Es ist also klar, dass die Ergebnisse besser werden müssen, und zwar schnell. Das Ziel ist die Teilnahme an der Champions League in der Saison 2024/25. Aber das ist nur ein Wunschtraum, denn die Blues liegen derzeit 14 Punkte hinter dem viertplatzierten Manchester City.

    Viele durchschnittliche Spieler sind mit langfristigen Verträgen gebunden. Ein Schlupfloch, um die horrenden Ausgaben für sie über mehrere Jahre strecken zu können. Dieses soll nach dem Willen der Liga geschlossen werden und dann könnte Chelsea Probleme mit dem Financial Fair Play bekommen.

    Bis zum Jahresende will Chelsea nun erst einmal in die obere Tabellenhälfte. Doch gerade gegen vermeintlich schwache Teams war Chelsea selbst schwach. Und jetzt warten Sheffield United, die Wolves, Crystal Palace und Luton.

    Die Chelsea-Fans werden zum Jahresende jedenfalls zurückblicken und sollten sich eingestehen: Ihr Klub ist aktuell eine Lachnummer. Schon viele Vereine vor den Blues haben Geld für schlechte Spieler verschwendet - aber Chelsea ist bei den Ablösesummen in neue, wahnwitzige Bereiche vorgestoßen - und haben dafür Spieler bekommen, die sie in die Nähe des Abstiegskampfes bringen.