Cristiano Ronaldos Sturmpartner Anderson Talisca: Vom geldgierigen Supertalent zum perfekten Nebenmann von CR7 bei Al-Nassr

Talisca wurde in Feira de Santana in Bahia - dem viertgrößten Bundesstaat Brasiliens - geboren. Wie viele andere berühmte Kicker des Landes wuchs er in Armut auf und erkannte schnell, dass Fußball ein Weg zu einem besseren Leben sein könnte.

Nachdem er seine Fähigkeiten auf der Straße verfeinert hatte, wechselte Talisca als 13-Jähriger in die Jugend von Vasco da Gama und verbrachte zwei Jahre dort, bevor er 2009 zum damaligen brasilianischen Serie-B-Verein EC Bahia wechselte.

Vier Jahre später verließ er die Akademie Bahias, das in der Zwischenzeit in die erste Liga aufgestiegen war, und gab sein Debüt als Profi in einem Spiel gegen Corinthians. Bei seinem zweiten Einsatz gegen Sao Paulo erzielte er sein erstes Tor und wurde bald zum Stammspieler im Team von Trainer Cristóvão Borges.

Die Schwächen in Taliscas Spiel waren offensichtlich - sein großes Potenzial aber ebenso. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass diese Leistungsschwankungen in diesem Alter normal sind", erklärte Borges damals. "Er ist ein (potenzieller) Nationalspieler. Wir müssen einfach geduldig sein."

Talisca erzielte in letzter Minute den entscheidenden Treffer in Cruzeiro, der Bahia eine weitere Saison in der Serie A sicherte. Bahia trennte sich im Dezember 2013 von Borges und verpflichtete mit Marquinhos Santos einen weiteren brasilianischen Trainer. Der Trainer war von Anfang an von Taliscas Einsatzbereitschaft und seinen Fähigkeiten bei ruhenden Bällen beeindruckt.

"Talisca hat die Früchte seines Trainings geerntet", so Santos. "Er ist ein Spieler, der sich voll und ganz einsetzt. Er ist immer einer der Letzten, die das Spielfeld verlassen. Nach dem Training arbeitet er emsig weiter an seiner Freistoßtechnik. Es ist noch früh in seiner Karriere. Er ist ein junger Mann, der Potenzial hat, und meine größte Sorge gilt seinem Kopf. Er soll sich weiter entwickeln und ein großer Spieler werden."

Talisca traf in der ersten Hälfte der Saison 2014 neunmal ins Netz und seine beeindruckenden Leistungen erregten schließlich die Aufmerksamkeit des portugiesischen Spitzenklubs Benfica Lissabon, der im Juli 2014 fünf Millionen Euro Ablöse für den angehenden Star hinblätterte. Coach Jorge Jesus lobte seinen Neuzugang in den höchsten Tönen, als er ihn den Medien vorstellte: "Er ist ein weiterer Spieler, der Benfica Millionen einbringen wird".

Den Worten des Trainers folgten Taten: Talisca erzielte in seinen ersten drei Monaten bei Benfica acht Ligatore, darunter einen beeindruckenden Dreierpack beim 5:0-Sieg gegen Vitoria Setubal. Jesus wurde von allen Seiten dafür gelobt, ein neues Juwel entdeckt zu haben, was Chelsea-Manager José Mourinho zu einem überraschenden Ausbruch veranlasste.

"Ich denke, Benfica hat gut eingekauft", sagte Mourinho dem portugiesischen Fernsehsender TVI24. "Sie sagen, Talisca sei unbekannt. Aber das ist er nur, weil er nur deshalb nicht in England spielt, weil er keine Arbeitserlaubnis hat. Wenn er eine hätte, wäre er schon hier!"

Der ehemalige Bahia-Mitarbeiter Newton Mota war derjenige, dem die Entdeckung Taliscas zu verdanken ist. Er war von dessen schnellem Start im Estadio Da Luz überhaupt nicht überrascht. "Die Leute nennen ihn Yaya Talisca [in Anlehnung an Yaya Toure], aber ich denke, dass er eher Rivaldo ähnelt, der linksfüßig war, lange Schritte machte und gut aus der Distanz schoss", sagte Mota gegenüber ESPN.

Benfica war in jener Saison in der Primeira Liga auf dem Vormarsch, hatte aber aus den ersten drei Champions-League-Spielen nur einen Punkt geholt. Auch am vierten Spieltag kamen die Portugiesen zu Hause gegen die AS Monaco lange nicht über ein enttäuschendes 0:0 hinaus, bis Talisca in letzter Sekunde nach einem Eckstoß den Siegtreffer erzielte.

Das war der Moment, in dem er sich dem europäischen Publikum vorstellte und andeutete, dem Ruf des "neuen Rivaldos" durchaus gerecht werden zu können. Obwohl Benfica in der Gruppenphase des Wettbewerbs ausschied, war sein Status als einer der aufregendsten jungen Spieler des Kontinents gesichert, und die Gerüchte um einen Wechsel zu Chelsea wurden immer intensiver.

Jesus' Mannschaft beendete die Saison 2024/15 als portugiesischer Meister und holte auch den Pokal. Talisca steuerte 14 Tore bei. Außerdem wurde er zum ersten Mal in die brasilianische U23-Nationalmannschaft berufen.

Alles änderte sich, als sein Förderer Jesus von Benfica zu Erzrivale Sporting ging.

Rui Vitória war der Mann, der Jesus nach einer beeindruckenden vierjährigen Amtszeit bei Vitoria Guimarães ablöste. Er machte sich sofort daran, der Mannschaft seinen Stempel aufzudrücken. Er bestand auf einer 4-4-2-Formation mit zwei kampfstarken zentralen Mittelfeldspielern, wodurch die Spielmacherrolle, die Talisca unter Jesus eingenommen hatte, im Grunde überflüssig wurde.

Der Brasilianer stand in der ersten Hälfte der Saison 2015/16 nur in drei Ligaspielen in der Startelf und sah sich gezwungen, sich zu Berichten über Spannungen mit dem neuen Trainer zu äußern. "Jeder Spieler muss solche Momente durchmachen", sagte Talisca im Dezember 2015. "Es gibt Unsicherheiten und mangelndes Selbstvertrauen, aber ich arbeite hart. Ich habe unter Jesus mehr gespielt, aber es gibt keine persönliche Fehde mit Rui Vitória".

Talisca erzielte trotz seiner begrenzten Spielzeit neun Tore in allen Wettbewerben, darunter ein brillanter Freistoßtreffer gegen Bayern München im Viertelfinale der Champions League. Benfica verlor dieses Spiel zwar mit 2:3, erntete aber viel Lob für seinen überraschenden Lauf in Europa und holte sich den dritten Meistertitel in Folge.

Vitória hatte Benfica zweifelsohne auf ein neues Niveau gebracht und entschied, dass Talisca fortan benötigt wurde. Liverpool und die Wolves wurden als Interessenten gehandelt, allerdings entschied sich der Wunderknabe aus Bahia für einen Wechsel zu Besiktas nach Istanbul. Er wurde für zwei Jahre ausgeliehen.

Weniger als einen Monat später traf Talisca in der Champions League auf seinen Stammverein. Benfica lag mit 1:0 in Führung, als der Brasilianer in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurde, und konnte diese Führung bis in die Nachspielzeit halten. Sekunden vor Schluss wurde Besiktas jedoch durch ein unnötiges Foul ein Freistoß aus 25 Metern zugesprochen, den Talisca sicher verwandelte. Traumhaft netzte er per Vollspann in die lange Ecke und hielt sich mit dem Jubel nicht zurück, bevor er von seinen aktuellen Mannschaftskameraden umringt wurde.

In seinem Interview mit Sport TV nach dem Spiel beschuldigte Talisca Benfica, ihm nach der Geburt seiner Tochter sein letztes Gehalt nicht gezahlt zu haben, und bestritt nachdrücklich, dass sein Ausscheiden aus dem Verein finanziell motiviert war: "Ich möchte eine Botschaft an das Management von Benfica senden, denn es hat mich nicht respektiert. Es gab Leute, die mich kritisiert haben und sagten, dass ich Benfica wegen des Geldes verlassen habe, aber das ist eine Lüge."

Talisca beendete seine erste Saison bei Besiktas mit 17 Toren und einem weiteren Ligatitel, was ihm bei den Fans den Spitznamen "Kiralik Katil" einbrachte, was so viel bedeutet wie "gedungener Mörder". Auch 2017/18 war er der beste Torschütze des Vereins, aber Besiktas rutschte in der Tabelle ab und war nicht in der Lage, ihn dauerhaft zu verpflichten.

Benfica war immer noch entschlossen, Talisca loszuwerden. Es wurde berichtet, dass Mourinho sein Interesse an dem offensiven Mittelfeldspieler erneut bekundete, diesmal als Trainer Manchester Uniteds.

Guangzhou Evergrande aus China kam United jedoch zuvor und schnappte sich Talisca im Juni 2018 auf Leihbasis. Vier Monate später wechselte er für 19 Millionen Euro Ablöse fest nach Guangzhou und beendete damit seine Karriere in Europa und auf der großen Bühne. Vorwürfe der Geldgier machten in der Folge die Runde.

Talisca verbrachte drei Jahre bei Guangzhou, wo er in 65 Spielen 39 Tore schoss und 13 weitere vorbereitete. In dieser Zeit gewann er einen Titel in der chinesischen Super League und wurde in den ersten Monaten des Jahres 2021 beim saudischen Spitzenklub Al-Hilal als Wunschspieler gehandelt.

Die Verlockung eines noch größeren Reichtums im Nahen Osten war in der Tat zu groß, als dass Talisca sie hätte ignorieren können. Aber es war Al-Nassr, das das Rennen um seine Unterschrift gewann: Acht Millionen Euro Ablöse flossen nach China.

In den Augen der Al-Nassr-Fans war Talisca sofort ein Held, weil er sich gegen den Hauptkonkurrenten entschieden hatte. Ihre Bindung wuchs, als er sich schnell als wichtigstes Mitglied der Mannschaft etablierte. Mit 31 Toren in seinen ersten 37 Spielen wurde Talisca zum neuen Aushängeschild der Pro League - in der damals noch wenige bekannte Namen aktiv waren.

Das änderte sich freilich mit der Ankunft Ronaldos. Nicht zuletzt weil beide Portugiesisch sprechen, harmonierten CR7 und Talisca auf Anhieb prächtig. Sie legten einander einige Treffer auf, konnten aber auch nicht verhindern, dass die Meisterschaft verpasst wurde.

Al-Nassr verstärkte seinen Kader im Sommer mit Spielern wie Sadio Mané, Marcelo Brozovic, Aymeric Laporte und Seko Fofana sowie mit Otávio und Alex Telles. Taliscas Position im Klub wurde nach der Verpflichtung Manés in Frage gestellt, da es hieß, Cheftrainer Luis Castro könne den Brasilianer nicht neben dem Ex-Bayern-Star und Ronaldo in seiner Aufstellung unterbringen.

Für Talisca wurde eine mögliche Rückkehr zu Besiktas erwogen, doch er entschied sich für einen Verbleib - bis er sich eine Verletzung zuzog, die ihn die ersten Wochen der neuen Saison verpassen ließ. Als er wieder fit war, hatte Al-Nassr einen miesen Saisonstart hingelegt.

Wie sich herausstellte, war Talisca tatsächlich das fehlende Puzzlestück. Al-Nassr legte seit seiner Rückkehr einen Höhenflug hin und gewann 17 der letzten 18 Pflichtspiele.

Unter anderem holte man in der Gruppenphase der AFC Champions League die maximale Punktzahl, wobei Talisca beim jüngsten Sieg gegen Al-Duhail alle drei Tore erzielte. Insgesamt hat er in dieser Saison bereits 17 Treffer markierte, nur deren vier weniger als Ronaldo.

Taliscas Fähigkeit, überall in der vordersten Reihe spielen zu können, macht ihn zu einem unschätzbaren Aktivposten für Al-Nassr. Er ist zudem immer gefährlich bei Standardsituationen. Wenn Castros Mannschaft einen magischen Moment braucht, um eine starke Abwehrreihe zu überwinden, ist Talisca in der Regel derjenige, der diesen Moment herbeiführt - sei es mit einem tödlichen Pass oder einem Schuss aus der Distanz.

Sein behäbig wirkendes Auftreten kommt ihm ebenfalls zugute, die Verteidiger unterschätzen oft seine Physis. Talisca ist in Zweikämpfen selten unterlegen und treibt Al-Nassr mit seinen kraftvollen Läufen aus der Tiefe nach vorne.

Obwohl er im Februar 30 Jahre alt wird, ist Talisca im letzten Drittel genauso torgefährlich wie in seinen besten Jahren bei Benfica und Besiktas. Coach Castro ist der Meinung, dass es für ihn noch nicht zu spät ist, sein Länderspieldebüt für Brasilien zu geben. "Talisca verdient es, in der brasilianischen Nationalmannschaft zu spielen", sagte der Trainer von Al-Nassr im Oktober. "Das hat er verdient. Wir haben einen sehr guten Spieler."

Zu Beginn seiner Karriere wurde Talisca für seine Neigung kritisiert, sich immer wieder in die Spiele hineinzusteigern. Er war nicht diszipliniert genug, um auf einer Position zu bleiben - ein Trend, der sich in gewissem Maße bei Al-Nassr fortgesetzt hat. Es kommt auch vor, dass Talisca in Dribblings den Ball verliert, und sich nicht die Mühe macht, zurückzulaufen und seinen Mitspielern in der Verteidigung zu helfen. Dadurch ist Al-Nassr bei Kontern oft verwundbar. Aber in der Vorwärtsbewegung ist er unantastbar. Castros Mannschaft ist weit weniger gefährlich, wenn Talisca fehlt.

Als er im Oktober im Achtelfinale des Königspokals gegen Al-Ettifaq wegen des Schlagens eines Gegenspielers des Feldes verwiesen wurde, brachte er seine Mitspieler unnötigerweise in eine schwierige Lage. Es war nicht das erste Mal, dass sein hitziges Temperament ihn im Stich ließ.

Für seine imposante Größe von 1,90 Meter könnte Talisca auch mehr tun, wenn Flanken in den Strafraum kommen. Er stellt in der Luft kaum eine Gefahr dar. Eine Verbesserung dieses Aspekts seines Spiels könnte seine Chancen auf eine späte Berufung in die Selecão deutlich erhöhen.

"Ich habe ein wunderbares Verhältnis zu Al-Nassr und seinen Fans", sagte Talisca nach seinem Hattrick gegen Al-Duhail. "Sie sind sich dessen sehr bewusst. Ich war in einer Zeit des Umbruchs bei Al-Nassr. Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich Teil des Wachstums des Klubs war, bis zu dem Punkt, an dem er jetzt als einer der größten Klubs der Welt gilt."

Talisca unterzeichnete im April einen neuen Vertrag, der ihn bis 2026 an den Mrsool Park bindet. Seine weitere Anwesenheit wird für Al-Nassr von entscheidender Bedeutung sein, wenn es darum geht, weiter fleißig Titel zu sammeln. Castros Mannschaft liegt nach 13 Spielen auf dem zweiten Platz der Pro League, vier Punkte hinter Al-Hilal. Im zweiten Ligaspiel nach der Länderspielpause steht am 1. Dezember ein wichtiges Spiel gegen den Tabellenführer an, das über den Titelgewinn entscheiden könnte.

Al-Nassr scheint zudem ein echter Kandidat für den Gewinn der AFC Champions League zu sein. Castro hat es geschafft, einen neuen Kader mit vielen hochkarätigen Spielern zusammenzustellen. Ronaldo schreibt natürlich die meisten Schlagzeilen, und daran wird sich auch nichts ändern, selbst wenn seine Form nachlässt - aber Talisca verdient das größte Lob für die jüngste Form des Vereins.

Er hat es vielleicht nicht geschafft, für einen europäischen Spitzenklub wie Chelsea, Liverpool oder Manchester United zu spielen. Aber das Beste steht ihm vielleicht sogar noch bevor.