140 Millionen Euro für den passenden Kandidaten: Die Suche des FC Bayern nach einem Sechser bleibt schwierig

Ernsthafte Diskussion um die Position vor der Abwehr gab es beim FC Bayern vor einem Jahr noch nicht. Damals schien es, als könnte Joshua Kimmich mit seinen Gegenpressing-Qualitäten und seiner intensiven Spielweise die Rolle gut ausfüllen. Der deutsche Nationalspieler passte auch hervorragend zum aggressiven Spielstil des damaligen Cheftrainers Julian Nagelsmann. Allerdings möchte dessen Nachfolger Thomas Tuchel dem Vernehmen nach noch mehr klassische Defensivqualitäten auf der Sechserposition sehen. 

Durch einen Raumblocker und starken Defensivzweikämpfer würde etwa eine offensive Doppelacht/Doppelzehn bestehend aus Jamal Musiala und Thomas Müller genügend Absicherung erfahren. Zudem besaßen beispielsweise die meisten Champions-League-Sieger des vergangenen Jahrzehnts einen dominanten Sechser – sei es Casemiro für Real Madrid, Fabinho für Liverpool oder nun Rodri für Manchester City. Dass Declan Rice zwischenzeitlich der Top-Kandidat für die Position war, mag in dieser Hinsicht nicht überraschen. Da dieser aber nun aller Voraussicht nach zum FC Arsenal wechselt, müssen sich die Bayern anderweitig umschauen.

  • Sofyan Amrabat Morocco World CupGetty/GOAL

    FC Bayern: Kandidat 1 für die Sechserposition - Sofyan Amrabat

    Der 26-Jährige von der Fiorentina wird nicht zufällig heißgehandelt, denn er mag vielleicht statistisch nicht der beste Defensivzweikämpfer sein, aber der Marokkaner macht seine Präsenz im zentralen Mittelfeld durch hohen Laufaufwand bemerkbar und treibt gegnerische Angriffe im besten Fall aus der Spielfeldmitte weg. Zudem verfügt Amrabat anders als Kimmich über einen bulligen Körper, den er oftmals geschickt zwischen Ball und Gegner bringen kann.

    Kimmich und Amrabat sind sich dahingehend ähnlich, dass beide ihr Augenmerk deutlich auf das antreibende Element in der Rolle als Sechser legen. Der Fiorentina-Profi möchte nach Balleroberungen unbedingt den Umschaltangriff einleiten und selbst auch mit Vorliebe Raumgewinn erzielen. Mit 7,92 "Progressive Passes" gehört er laut Fbref.com in Europas Top-Ligen zu den besten zehn Prozent unter allen Mittelfeldspielern.

    Allerdings könnte Amrabat dadurch nicht die gewünschte Verstärkung sein, die sich der FC Bayern vorstellt. Der Vorteil bei Rice wäre gewesen, dass er sich vornehmlich auf die Raumkontrolle konzentriert und sehr wenig Drang verspürt, als Spielgestalter tätig zu werden. Immerhin hatte Kimmich diesen Offensivdrang ebenfalls - und der könnte dazu führen, dass er künftig weiter vorn eingesetzt wird.

    Amrabat ist spätestens seit der WM begehrt. Barcelona, das einen Nachfolger für Sergio Busquets sucht, wird immer wieder als möglicher neuer Klub gehandelt. In Florenz steht er noch bis 2024 unter Vertrag, allerdings inklusive der Option auf ein weiteres Jahr.

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  • Moises Caicedo Brighton 2022-23Getty

    FC Bayern: Kandidat 2 für die Sechserposition - Moisés Caicedo

    Der zweite heiße Kandidat kommt aus Ecuador und steht momentan bei Brighton & Hove Albion unter Vertrag. Ähnlich wie Amrabat ist auch Caicedo nicht groß gewachsen und vor allem am Boden defensivstark. In der abgelaufenen Saison profitierte der 21-Jährige gewiss auch von der Gesamtstabilität Brightons, aber er war auch ein entscheidender Faktor für selbige. Denn in der an sich schnellen und weiterhin vielfach auf Umschaltfußball ausgelegten Premier League konnte Caicedo in vielen Partien die Gegenstöße von Gegnern regelmäßig unterbinden oder direkt beenden.

    Seine Qualitäten im Tackling, in der Balleroberung sowie im Abfangen von Pässen sollte auch vor der Abwehr der Bayern – zumal im Verbund mit Matthijs de Ligt und anderen – zum Tragen kommen. Darüber hinaus hat sich seine Passgenauigkeit in der abgelaufenen Saison weiter gesteigert, weil Caicedo zunehmend auf Risikopässe verzichtet und vielmehr die kurzen Anspiele auf die kreativen Vorderleute sucht. Gerade in einer recht kompakt agierenden Bayern-Mannschaft sollte er meist einen Kimmich oder Musiala finden und diesen den Ball übergeben können. Ergibt sich ein wenig Raum für ihn, so ist Caicedo jedoch ebenso in der Lage, mit dem Ball nach vorn zu stoßen und Dynamik in Angriffe zu bringen. Aber das ist weder sein Hauptaugenmerk noch seine größte Stärke.

    Was die Bayern wohl ohnehin momentan suchen, ist ein Sechser, der die Kernkompetenz – fast wie ein Mittelfeld-Libero – erfüllt und sich auf genau diese Kompetenzen konzentriert. Der Sechser im Tuchel-System soll nur bedingt spielmachend agieren und vor allem den kreativeren Mittelfeldspielern dabei helfen, den Ball nach vorn zu bringen. Deshalb bestand zunächst großes Interesse an Rice - und nun auch an Caicedo.

    Es gibt allerdings den Haken, dass dieser vor wenigen Monaten erst einen neuen, bis 2027 gültigen Vertrag in Brighton unterzeichnet hat und die Seagulls sich angeblich nun eine Ablöse erhoffen, die umgerechnet 140 Millionen Euro betragen soll. Das meldet jedenfalls der Telegraph. Zudem soll sich auch Chelsea ernsthaft um ihn bemühen - und Caicedo einen Verbleib in England anstreben.

    Der passende Spieler mag im Grunde gefunden sein, die Suche nach einem neuen Abräumer dürfte beim FC Bayern aber dennoch weitergehen.