2018-08-14 Rooney Wayne D.C. UnitedGetty Images

Wayne Rooney führt totgeglaubtes D.C. United in die Playoffs: Der Wiederbeleber


HINTERGRUND

Es läuft die sechste Minute der Nachspielzeit im neuen Washingtoner Fußballtempel. Die Fans von D.C. United haben sich von den Sitzen erhoben und erwarten eine Ecke, hoffen, bangen, wollen ihre Farben jubeln sehen. Es steht 2:2, der Gegner aus Orlando hat nur noch zehn Spieler auf dem Feld. Es folgen Sekunden, die jede Fahrt auf der schnellsten Achterbahn in den Schatten stellen.

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Der Eckstoß wird bereinigt, Orlandos Will Johnson hat reichlich freie Wiese vor sich, setzt sich in Bewegung und muss eigentlich nur noch die Kugel zu einem seiner Mitspieler bugsieren, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht hatten. Es wäre der sichere Siegtreffer. Was der bemitleidenswerte Kanadier nicht ahnt: Wayne Rooney hat längst beide Beine in die Hand genommen, sprintet seinem Kontrahenten in höchstmöglichem Tempo hinterher und setzt plötzlich zur perfekten Grätsche an. 

Wayne Rooney glänzt für D.C. United: Bilderbuchgrätsche, Traumflugball, Tor

Die englische Legende lässt den gefällten Johnson links liegen, macht zwei, drei Schritte mit dem soeben ergatterten Ball am Fuß, blickt kurz nach oben und schickt einen herrlichen Diagonalball auf den Weg, wenige Augenblicke später schlägt die Kugel im Netz ein. Luciano Acosta, Nutznießer der rooney'schen Maßarbeit lässt sich von den Anhängern frenetisch feiern, während der Vorlagengeber bescheiden wie selbstverständlich den Daumen hebt. Als sei das, was er gerade angestellt hatte, das Normalste überhaupt. Eine Szene, die sinnbildlich für Rooney Abenteuer in der us-amerikanischen Hauptstadt steht.

D.C. United darf nämlich nicht zuletzt dank des formstarken ehemaligen Red-Devils Stars, der im Juli dieses Jahres sein langjähriges Kapitel in der Premier League beendete und einem Engagement in Übersee zustimmte, in den Playoffs um den MLS-Titel mitspielen. Vor dessen Ankunft hatte nämlich nicht viel darauf hingedeutet, dass Washington in diesem Jahr auch nur ansatzweise ein Wörtchen um die Trophäe mitsprechen würde. Vielmehr rangierte die Truppe von Trainer Ben Olsen lange in tabellarischen Gefilden der Eastern Conference, die nicht zur Teilnahme an der K.o.-Runde berechtigen. Die niederschmetternde Bilanz bis zum Sommer: zwei Siege aus 14 Liga-Spielen.

2018-06-29 Rooney D.C.UnitedGetty Images

Bis, ja bis Rooney bei Uncle Sam aufschlug. Seit der 33-Jährige die Geschicke auf dem Feld als Kapitän leitet, stets als Anführer vorausgeht, sackte D.C. United in der zweiten Saisonhälfte satte 40 Punkte (zwölf Siege, vier Remis, vier Niederlagen) ein, wobei der Stürmer zwölf Treffer sowie sechs Vorlagen beisteuerte. Leistungen, die Rooney zum wiederbelebenden Element bei einem eigentlich schon totgeglaubten Klub werden lassen.

Nicht nur die starken Auftritte des einstigen Weltklasse-Kickers lassen ihm indes die Herzen an der Ostküste zufliegen, die Menschen schätzen ihn auch für seine Bodenständigkeit. Ein Attribut, das sie von den Arrivierten aus Europa, die in der MLS auf ihre letzten Tage im Geschäft noch einmal ordentlich Geld einstreichen möchten, nicht unbedingt gewohnt sind.

Wayne Rooney: "Ich möchte keine Extrawurst"

Mit der Erfahrung, dass alternde Fußball-Sternchen von der Insel nicht selten eine Art Sonderbehandlung einfordern, boten die D.C.-Verantwortlichen Rooney sämtliche Vorzüge an: Einzelzimmer bei Reisen, erstklassige Flüge, das ganze Programm eben. Der Routinier lehnte dankend ab und begründete bei einem Auftritt in der Show Men with Blazers: "Wenn man in ein Teamgefüge kommt, dann muss man Teil des Teams werden. Ich möchte keine Extrawurst. Ich möchte genauso behandelt werden, wie die anderen Spieler. Ich bin ein Teil dieser Mannschaft."

2018_7_30_rooney(C)Getty Images

Dabei ließ Rooney schon bei seinem Debüt für den neuen Arbeitgeber vermuten, welch Mentalitätsmonster Washington sich an Land gezogen hatte. Nach einem unglücklichen Zweikampf im Duell mit den Colorado Rapids zog sich der 119-fache englische Nationalspieler eine heftige Platzwunde im Gesicht zu. Blutüberströmt verließ er das Feld, nur um wenig später mit bandagiertem Kopf inklusive geschwollenem Auge zurückzukehren und seine Kollegen beim Verteidigen der knappen Führung zu unterstützen.

Wie gegensätzlich der Laufbahnausklang in den USA verlaufen kann, zeigte sich am vergangenen Sonntag, als Rooney mit D.C. nach Chicago reiste, wo er zur letzten Partie der regulären Saison auf seinen Kumpel Bastian Schweinsteiger traf. Am Ende trennten sich die beiden schiedlich friedlich mit 0:0, Schweinsteiger und Rooney lagen sich nach Abpfiff in den Armen. Schon vor Beginn war klar, dass der Ex-DFB-Kapitän mit seinen Fire die Playoffs meilenweit verpassen würde, die Zukunft des WM-Helden von 2014, sie steht nach wie vor in den Sternen, sein Vertrag läuft am Ende des Jahres aus.

Beim anderen Oldie, Washington-Protagonist Rooney, häufen sich derzeit hingegen sogar Gerüchte, er könne schon bald wieder nach Europa zurückkehren. Vorher gilt es aber, das kometenhafte Halbjahr zu krönen. Mit der nächsten aufopferungsvollen Grätsche, dem nächsten maßgeschneiderten Zuspiel oder einfach mit dem allesentscheidenden Treffer.  Man darf gespannt sein, was der Washingtoner Wiederbeleber noch in petto hat.

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