HINTERGRUND
Seit geraumer Zeit bereits ranken sich Gerüchte über ein Ende der aktuellen Ära beim FC Bayern. Präsident und Aufsichtsratschef Uli Hoeneß kündigte kürzlich sogar an, dass er sich einen Abgang innerhalb der nächsten drei Jahre durchaus vorstellen könne. Und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ließ Fragen zu seiner Zukunft ab 2020 - sein Vertrag läuft Ende 2019 aus - stets offen.
Das wirft natürlich die Frage auf, wer denn auf die beiden Bayern-Granden folgen wird. Einem Bericht der Sport Bild zufolge soll Oliver Kahn eine ganz zentrale Rolle in den Überlegungen spielen. Dem Blatt zufolge traf sich der dreimalige Welttorhüter bereits mehrfach mit Hoeneß zu Sondierungsgesprächen. Es wird spekuliert, dass Kahn zunächst als Vorstand fungieren und dann eben an die Stelle Hoeneß' rücken solle.
Oliver Kahn als Vorstandsboss beim FC Bayern: Ist das realistisch?
Doch wie realistisch ist dieses Szenario? Fakt ist, dass Kahn durchaus gewillt ist, wieder näher ins Fußballgeschäft einzusteigen. Bereits im Jahr 2009 hatte sich Kahn intensiv mit einem entsprechenden Engagement befasst. Es kam zu konkreten Verhandlungen mit Schalke 04, dann lehnte Kahn den Job des Managers doch ab - zu viele anderweitige Verpflichtungen hinderten Kahn an einer Zusage.
"Mir ist diese Entscheidung sehr schwergefallen. Schalke ist eine große Herausforderung", sagte Kahn damals. Und Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ließ wissen: "Wir hatten inhaltlich eine sehr große Übereinstimmung. Oliver ist hochprofessionell und hat ein gutes Konzept. Er wäre sicher ein großer Gewinn für Schalke gewesen."
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Verpflichtungen hat Kahn zwar weiterhin - er ist Experte beim ZDF, hat das Unternehmen Goalplay gegründet und ist Werbeträger für diverse Marken. Doch dem Vernehmen nach wäre er mittlerweile durchaus bereit, sich auf eine Aufgabe in einem Fußballverein einzulassen. Im Sportstudio sagte er kürzlich zu einer möglichen Rückkehr zum Rekordmeister: "Ich sage immer: Alles zu seiner Zeit."
Ein Szenario, in dem er zunächst als Vorstand und dann Aufsichtsratschef an die Stelle von Hoeneß rückt, ist jedoch unwahrscheinlich, da es zu kurz gedacht erscheint. Wahrscheinlicher ist eher ein Konstrukt, bei dem Kahn in der Tat Vorstand wird, dann aber auf Sicht an die Stelle eines anderen großen Namens rückt - Rummenigge!
FC Bayern: Oliver Kahn könnte Matthias Sammers Posten übernehmen
Die Idee, Kahn als Vorstand Sport zu installieren und ihn damit zum De-facto-Nachfolger von Matthias Sammer zu machen, ist nachvollziehbar. Der Posten wurde seit Matthias Sammers Abgang 2016 nicht mehr besetzt und der als Sportdirektor geholte Hasan Salihamidzic scheint in dieser Rolle gerade dem Aufsichtsrat gegenüber nur schwer vermittelbar.
Kahn hingegen entspricht gewissermaßen dem Bayern-Ideal für einen Macher im Verein. Er erfüllt eigentlich alle Anforderungen: Kahn ist ein ehemaliger Spieler des Vereins - mehr noch, er ist eine Bayern-Legende. Zudem hat er einen gehörigen (zeitlichen) Abstand zu seiner Spielerkarriere angesammelt und ist auf die Unternehmer-Schiene gewechselt. Ein abgeschlossenes BWL-Studium sowie seine beachtlichen Erfolge als Geschäftsmann sind eine schlagkräftige Visitenkarte. Seine Beziehungen im internationalen Fußball sowie sein Ansehen in der Branche runden das Bild ab.
Getty ImagesSobald Rummenigge dann tatsächlich den Vorsitz des Vorstands räumt, wäre Kahn zugleich der ideale Nachfolger. Bis dahin - sei es schon 2020, sollte Rummenigge nicht doch noch einmal verlängern, oder doch erst 2021 oder 2022 - hätte der aktuelle Amtsinhaber noch genügend Zeit, den Nachfolger behutsam einzuarbeiten. In diesem Konstrukt würde Rummenigge freilich seinerseits in den Aufsichtsrat wechseln und unter Umständen als dann neuer Bayern-Präsident nahtlos die Hoeneß-Nachfolge antreten.
Es wäre ein fließender Übergang in die dann neue Spitze in der Führung des FC Bayern, in der - wie Lothar Matthäus erst kürzlich ins Spiel brachte - Hoeneß als Ehrenpräsident zur grauen Eminenz würde.
Bayern München: Philipp Lahm ist erstmal an den DFB gebunden
Kahn als etwaiger Rummenigge-Nachfolger ergäbe auch aus Sicht des Aufsichtsrats Sinn, da dieser eben für den FC Bayern steht und aus dem Fußballbereich kommt. Generell erweckt der bisherige Kurs des FCB den Eindruck, dass dies dem allgemeinen Wunsch entspricht: Ein Ex-Fußballer mit Bayern-Wurzeln an der Spitze eines Vorstandes, der ansonsten aus absoluten Fachmännern ihrer jeweiligen Branche besteht.
Im aktuellen Konstrukt gehören hierzu Jan-Christian Dreesen, der für die Finanzen zuständig ist und als Rummenigges Stellvertreter fungiert, Andreas Jung (Marketing, Sponsoring etc.) und Jörg Wacker, der sich der Internationalisierung und Strategie verschrieben hat. Alle drei wären auch unter Kahn die bestmögliche Besetzung.
Getty ImagesBei Spekulationen dieser Art stellt sich unweigerlich aber auch die Frage: Wie sähen denn die Alternativen aus? Wer, wenn nicht Kahn, könnte Nachfolger von Hoeneß oder vor allem Rummenigge werden?
Allzu viele Namen kommen nicht infrage. Am ehesten noch Philipp Lahm, doch der gab dem FC Bayern bereits nach Ende seiner aktiven Karriere einen Korb. Hauptgrund damals: Er wollte nicht als Sportdirektor, sondern als Vorstand anfangen. Eine Idee, die von außen sicherlich verständlich gewesen wäre, aus Sicht des Aufsichtsrats aber untragbar war.
Kandidaten beim FC Bayern: Effenberg, Eberl, Mintzlaff
Mittlerweile ist ein Engagement Lahms beim FC Bayern aber in weite Ferne gerückt, Lahm ist bekanntlich Organisationschef für die EM 2024 in Deutschland und wird in Kürze ins DFB-Präsidium als Vizepräsident aufsteigen. Freilich ist nicht ausgeschlossen, dass Lahm nach der EM vielleicht sogar zum FC Bayern - in welcher Position auch immer - zurückkehrt. Doch zunächst dürfte seine Aufgabe beim DFB ein Fulltime-Job sein.
Eine weitere Ex-FCB-Alternative wäre Stefan Effenberg, der auch schon erste Gehversuche im Fußball abseits des Platzes unternommen hatte. Doch seit seinem missglückten Trainer-Job in Paderborn ist er eigentlich raus aus dem Kreis vorstellbarer Kandidaten für große Klubs.
Ins Gespräch gebracht wurden zudem Namen wie Max Eberl und Oliver Mintzlaff. Eberl, den jüngst Reiner Calmund in einem Interview mit Bild nannte, hat allerdings schon einmal den Bayern abgesagt. Damals ging es aber vordergründig um einen Sportdirektorposten. Und Eberl bekräftigte erst kürzlich, dass er seine Zukunft in Gladbach sieht.
Mintzlaff, derzeit Geschäftsführer bei RB Leipzig, wurde derweil von Matthäus vorgeschlagen. Mintzlaff leistet zweifelsohne gute Arbeit und genießt in der Branche großes Ansehen. Was ihm fehlt, ist der Bayern-Faktor. Er ist kein ehemaliger Profi und schon gar nicht bei den so stolzen Münchnern, die nun mal im besten Fall einen aus den eigenen Reihen am Ruder sehen wollen.
Bleibt also Kahn, der das Ideal für den starken Mann an der Spitze des FC Bayern verkörpert. Der einstige Kapitän, das einstige Gesicht des Klubs als zentraler Macher in der Vorstandsebene der Zukunft. Jetzt muss er nur noch wollen.


