GER ONLY Gheorghe HagiImago Images / WEREK / Sven Simon

Geniestreiche satt: Als Gheorghe Hagi zum Weltstar avancierte und Rumänien das große Argentinien narrte


HINTERGRUND

Es war eine Aktion, so voll von Genialität, dass jeder Fußball-Liebhaber Gänsehaut bekommt. Auf der rechten Seite lief Gheorghe Hagi auf einen argentinischen Verteidiger zu und zog kurz nach innen, um den Ball auf seinem starken linken Fuß zu haben. Und schon in der nächsten Sekunde schnitt die Kugel wie ein Messer durch warme Butter durch den Rest der argentinischen Abwehr.

Ein Pass, den kaum jemand spielen kann. Zinedine Zidane wahrscheinlich, Ronaldinho. An einem guten Tag vielleicht auch Mesut Özil. Aber viel mehr Namen fallen einem nicht ein. Für den Laufweg von Ilie Dumitrescu war er jedenfalls perfekt. Der rumänische Stürmer hatte ebenfalls einen Geistesblitz: Statt den Ball aufs lange Eck weiterzuleiten oder ihn vielleicht noch anzunehmen, hielt er ganz einfach seine linke Innenseite hin - und vorbei am verdutzten Keeper Luis Islas schlug die Kugel im kurzen Eck ein.

Hagi machte vermutlich eines der besten Spiele seines Lebens an jenem 3. Juli 1994 im kalifornischen Pasadena. Er führte Rumänien ins Viertelfinale der WM in den USA, am Ende bezwang man das große Argentinien mit 3:2. Und hatte der geniale Spielmacher schon zuvor begeistert, avancierte er spätestens mit diesem Auftritt zum Weltstar.

Ex-Teamkollege über Gheorghe Hagi: "Seine Übersicht war enorm"

"Solche Tore sind wunderschön", sagte Hagi bei FIFA-TV über seine Co-Produktion mit Dumitrescu. "Rumänien stand in den 1990er Jahren für großartigen Fußball. Wir hatten eine tolle Generation, die es mit den besten Teams der Welt aufnehmen konnte." Und Dumitrescu schwärt von seinem früheren Teamkollegen: "Seine Übersicht war enorm. Er war einer dieser Spieler, der das Beste aus seinen Mitspielern herauskitzelt."

Schon im ersten Gruppenspiel gegen Kolumbien hatte der damals 29-jährige Hagi, der nach dem Turnier von Brescia Calcio zum FC Barcelona wechseln sollte und von 1996 bis 2001 bei Galatasaray zur Legende wurde, für das Glanzlicht gesorgt. Beinahe an der linken Außenseite stehend überwand er den Keeper mit einem weit gezogenen, vollkommen überraschenden Schuss ins lange Eck. Es war das zwischenzeitliche 2:0 beim 3:1-Erfolg der Rumänen gegen die hoch gehandelten Südamerikaner.

"Ich spielte für die Fans. Ich liebte es, Dinge zu tun, die das Publikum unterhielten", erklärt Hagi, der heute Besitzer des rumänischen Erstligisten Viitorul Constanta ist. "Wenn man ihm zu viel Zeit ließ, wurde es immer gefährlich", sagt Miodrag Belodedici, damals Rumäniens Abwehrchef.

"Wir hatten eine Mannnschaft, die seit 1988 oder 1989 so zusammen war und 1994 ihren Höhepunkt erreichte", erklärt Gheorghe Popescu, seinerzeit als Sechser Rumäniens Mittelfeldorganisator. Neben Popescu, der nach der WM von Eindhoven zu Tottenham wechselte und später auch für Barca spielte, und Hagi hatte Trainer Anghel Iordanescu noch weitere hervorragende Fußballer wie Dan Petrescu, Dorinel Munteanu oder eben Dumitrescu beisammen.

Gheorghe Hagi: Show gegen die Gauchos

Nach dem Auftaktsieg gegen Kolumbien, zu dem Hagi auch noch zwei Assists beisteuerte, kassierte Rumänien zwar eine überraschende 1:4-Pleite gegen die Schweiz um Ciriaco Sforza und Stephane Chapuisat. Doch dank eines 1:0-Erfolgs über Gastgeber USA im abschließenden Gruppenspiel gelang letztlich souverän der Einzug ins Achtelfinale.

Und da sollte die Show gegen Argentinien, gegen den Vize-Weltmeister von vier Jahren zuvor folgen. Zwar war die Albiceleste ohne Superstar Diego Maradona angetreten, der kurz zuvor durch einen Drogentest fiel und für den Rest der WM gesperrt wurde - schmälern sollte das die Leistung von Hagi und Co. aber nicht.

Der Karpaten-Maradona, wie der heute 55-Jährige genannt wird, lieferte nach seiner genialen Vorlage für das 2:1 später auch den Treffer zum vorentscheidenden 3:1. Argentiniens Anschlusstor zum 2:3 durch Abel Balbo eine Viertelstunde vor Schluss konnte die Rumänen nicht mehr aufhalten, die nun mehr als nur ein Geheimfavorit auf den Titel waren.

Rumänien vs. Argentinien 1994: "Unser bestes Spiel bei dieser WM"

"Das war bei weitem unser bestes Spiel bei dieser WM", sagt Popescu. "Wir spielten beinahe perfekt, kreierten extrem viele Torchancen. Wir hebelten Argentinien aus - wenngleich man fairerweise sagen muss, dass sie Maradona schmerzlich vermissten."

Rumänien hatte sich in die Herzen der Fans auf der ganzen Welt gespielt, Hagi war zu einem globalen Star avanciert. Umso enttäuschender, dass man im Viertelfinale kurz vor Ende der Verlängerung noch den 2:2-Ausgleich kassierte und nach Elfmeterschießen an Schweden scheiterte. "Es war eine riesige Enttäuschung, die ganze Nacht nach dem Spiel waren wir in tiefer Trauer", erinnert sich Hagi. "Selbst heute frage ich mich noch, wie das passieren konnte. Wir hätten jeden schlagen können. Ich kann mich an kein Team bei dieser WM erinnern, dass besser war als wir. Aber so ist das Leben eben."

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