HINTERGRUND
Als die Hoffnung unter all den Grün-Weißen im Westerstadion allmählich anstieg, endlich mal wieder etwas Zählbares zu holen gegen den ungeliebten Gast aus Süddeutschland, tauchte Robert Lewandowski im Bremer Strafraum auf. Galant hielt er die rechte Hacke in eine Hereingabe von Kingsley Coman, und so war es eben doch passiert, was die Bremer in den 71 Minuten zuvor erfolgreich verhindert hatten. Plötzlich führte der FC Bayern München. Und weil es so schön war, probierte es Lewandowski drei Minuten später erneut, diesmal mit links. Sein Schuss rollte erst Robert Bauer und dann Jiri Pavlenka durch die Beine, und schon war der Ball wieder im Netz. 2:0 Bayern - Game over.
Doppelter Lewandowski führt Bayern in Bremen zum Sieg
Die Münchner hatten sich im Bundesliga-Gastspiel bei Werder Bremen am Samstag im Vergleich zum doch arg wackligen 3:1-Erfolg im Auftaktspiel gegen Bayer Leverkusen merklich gesteigert, spielten kompakter und verteidigten besser. Offensiv allerdings hatten sie sich lange die Zähne ausgebissen an den tiefstehenden Gastgebern. Da war ein Fernschuss von David Alaba, ein Kopfball von Arjen Robben, ansonsten aber nicht viel. Bis zu jener 72. Minute. Bis es Lewandowski zum ersten Mal krachen ließ.
"Wir haben in drei Minuten in zwei Situationen geschlafen und dann ist die individuelle Klasse einfach zu hoch", sagte Bremens Max Kruse treffend bei Sky. "Robert", freute sich indes Hasan Salihamidzic, "hat heute wieder gezeigt, dass er nicht wegzudenken ist aus der Mannschaft, dass er ganz wichtig für uns ist, dass er der Beste ist in der Bundesliga und sicher einer der Besten der Welt."
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"Für uns", schlussfolgerte der Sportdirektor, "ist Lewy der Knaller." Salihamidzic hatte das Spiel seiner Mannschaft auch ansonsten sehr gut gefallen. "Wir haben wirklich eine gute Partie gemacht, sind geduldig geblieben, haben es die ganze Zeit probiert und hatten viele Möglichkeiten. Ab und zu hat der letzte Pass gefehlt, aber wir haben die Tore gemacht und es souverän zu Ende gespielt. Wir waren super kompakt und haben nichts zugelassen. So muss man Fußball spielen", schwärmte er.
Müller bringt frischen Wind - und versteht Ancelotti nicht
Auch Manuel Neuer, der nach mehr als viermonatiger Zwangspause sein Comeback gefeiert und die Mannschaft erstmals als neuer Stammkapitän aufs Feld geführt hatte, war mit vielen Dingen zufrieden. "Ich bin froh, dass ich wieder auf dem Platz stand und dass wir das Spiel gewonnen haben", sagte er und hob ebenfalls die "gute Defensivleistung" hervor. "Heute waren wir kontrollierter, wir standen besser in der Verteidigung als noch gegen Leverkusen", analysierte er.
Neuer wusste allerdings auch, dass im Spiel nach vorne "ein bisschen die Ideen gefehlt" haben, dass sich Bayern "lange schwergetan" hat: "Gerade in der ersten Halbzeit. Da haben wir viel zu lange gebraucht, um auch mal die Seite zu wechseln. Wir wollten die Räume über Außen nutzen, mal hinterlaufen oder in die Schnittstelle gehen. Das hat uns ein bisschen gefehlt, sodass wir bis in die zweite Hälfte auf unsere Führung warten mussten."
Die fehlenden Ideen waren wohl auch der Aufstellung geschuldet. Carlo Ancelotti hatte Sebastian Rudy und Thomas Müller zunächst draußen gelassen, dafür rückten Arjen Robben und der wiedergenese Thiago Alcantara in die erste Elf. Der Spanier allerdings ließ seine Spielfreude und Kreativität, mit der er insbesondere in der Hinrunde der vergangenen Saison so sehr verzückt hatte, vermissen. Der eine oder andere Bayern-Fan soll sich zwischenzeitlich schon nach dem zuletzt starken Strukturgeber Rudy gesehnt haben. Der jedoch kam erst nach 85 Minuten für Arturo Vidal. Mehr Durchschlagskraft hatten die Münchner zu diesem Zeitpunkt schon entwickelt, nämlich nach 73 Minuten und der Hereinnahme von Müller sowie der Umstellung auf ein 4-4-2-System.
Gleich nach seiner Einwechslung etwa schoss Müller nach Zuspiel von Corentin Tolisso gefährlich aufs Tor, Lewandowskis zweiten Treffer machte er durch seinen Laufweg erst möglich. Nachdem das Spiel zu Ende war, knisterte es allerdings in den Katakomben des Weserstadions. Müller erklärte im ARD-Hörfunk auf die Frage, ob er über seinen Bankplatz verwundert war: "Ja. Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer sehen will. Meine sind scheinbar nicht hundertprozentig gefragt." Dass er, der schon in der vergangenen Saison in Top-Spielen oft zuschauen musste und eine starke Vorbereitung gespielt hatte, gleich im zweiten Bundesligaspiel auf der Bank Platz nehmen musste, passte ihm ganz und gar nicht.


