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FC Bayern München: Schwere Tur­bu­lenzen trotz Auftaktsieg gegen Bayer Leverkusen


HINTERGRUND

Zehn Sekunden. So lange brauchte Thomas Müller in der Interviewzone, um zu erzählen, was seine Mannschaft gut gemacht hatte. In den übrigen zwei Minuten seiner Redezeit referierte er darüber, was nicht gut war im Spiel des FC Bayern München. Okay, über den Videobeweis sprach Müller auch. Trotzdem war schnell klar, dass er die jüngsten Geschehnisse ganz genau einzuordnen wusste. Die beste Nachricht erwähnte Müller geradezu beiläufig. In einem Nebensatz. "Wir sind jetzt nicht im siebten Himmel, aber für uns ist es sehr wichtig, einen guten Auftakt hingelegt zu haben. Das ist erstmal positiv", sagte er.

Analyse: Bayern ringt starke Leverkusener nieder

Erstmal positiv war nämlich das Resultat.  Und - mit Abstrichen - die Offensivleistung. Mit 3:1 hat der FC Bayern am Freitagabend Bayer Leverkusen (das Spiel im Ticker zum Nachlesen) zum Bundesliga-Auftakt bezwungen. Dass trotzdem keiner der in Rot gekleideten Münchner auf die Idee kam, sich im siebten Himmel zu wähnen, war der Art und Weise geschuldet, wie dieses Ergebnis zustande gekommen war.

"Die offensiven Standardsituationen waren sehr gut und als es noch nicht geregnet hat, haben wir auch ganz gut Fußball gespielt", erinnerte sich Müller dunkel. Deutlich präsenter waren jedoch all die Probleme, die danach eintraten. 35 Minuten waren gespielt, Bayern führte durch die beiden Kopfballtore der Neuzugänge Niklas Süle und Corentin Tolisso mit 2:0, da begannen die stürmischen Zeiten in München. Der Starkregen flatterte in aberwitzigen Kurven durchs Flutlicht, es donnerte und blitzte über dem Fröttmaninger Grün. Durchnässte Zuschauer flüchteten ins Stadioninnere, während die Münchner unten auf dem Rasen mehr und mehr die Kontrolle verloren und in schwere Turbulenzen gerieten.

Lewandowski erzielt erstes Bundesliga-Tor nach Videobeweis

"Von da an bis zur 70 Minute haben wir im Spiel nach vorne zu viele Fehler gemacht und hinten in den Zwischenräumen Lücken offenbart", klagte Müller. Sven Ulreich hatte mit seinem rechten Fuß schon zuvor zwei Großchancen von Admir Mehmedi und Kevin Volland vereitelt. Er ahnte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, wie viel noch auf ihn zukommen sollte. Insgesamt 19 Mal schossen die Leverkusener auf sein Tor. 

"Mit Sicherheit war ich sauer. Natürlich wünscht man sich, dass da nicht so viel aufs Tor kommt. Aber es bringt jetzt nichts, draufzuhauen. Es waren schwere Bedingungen. Der Platz war tief, weil es lange und stark geregnet hat. Auch die Kräfte waren in der zweiten Halbzeit durch die lange Pause unten. Aber klar: Es ist nicht schön, wenn man so viele Torchancen zulässt. Damit sind wir auch nicht zufrieden", gab der Neuer-Vertreter auf Nachfrage zu Protokoll.

Massive Defensivprobleme beim FC Bayern

Dass die Leverkusener mit denselben wetterbedingten Widrigkeiten zu kämpfen hatten, erwähnte er nicht - im Gegensatz zu Süle. "Die um 15 Minuten verlängerte Halbzeitpause durch das Gewitter hat uns nicht ganz so gut getan, das hat Leverkusen besser weggesteckt. Da müssen wir kompakter als Team verteidigen. Wir haben zu viele Chancen zugelassen", bemängelte der Innenverteidiger.

Insbesondere nachdem Heiko Herrlich im zweiten Durchgang auf ein 3-4-3-System umgestellt hatte, tat sich Bayern in der Defensive zunehmend schwerer.  "Wir haben zu viele Räume auf den Außen freigelassen. Da wurde es eigentlich immer gefährlich, weil die Bälle in die Mitte gespielt wurden und die Zuordnung nicht gestimmt hat. Das sind Dinge, bei denen wir Glück hatten", befand Süle. 

Über weite Strecken des Spiels fehlte den Bayern zudem die Kontrolle im Mittelfeld - und das trotz einer potenziell kontrolllastigen Aufstellung mit Rudy, Tolisso sowie Vidal im Mittelfeld. Bezeichnend dafür war die für FCB-Verhältnisse schwache Passquote von 86 Prozent - die der Gäste lag bei 87.

Weitaus schwerer allerdings wogen die Fehler im Spiel gegen den Ball. Die Abstände zwischen Abwehrkette und Mittelfeld gerieten doch reichlich luftig, auch stimmte das Timing im Pressing nicht. "Entweder muss die Defensive nachrücken oder die Offensive muss schneller zurückkommen", meinte Rudy. Die Bayern taten weder das eine, noch das andere. Erschwerend hinzu kam, dass Robert Lewandowski, der das zwischenzeitliche 3:0 per Foulelfmeter erzielte, nach missglückten Offensivaktionen zumeist genauso regungslos vorne stehenblieb wie der eingewechselte Arjen Robben in der Schlussphase. "Wir haben 3:1 geführt. Wenn dann hinten einer wegbricht, ist es nicht so schlimm. Dann müssen es die anderen auffangen", sagte Rudy. Auch das passierte nicht.

Letztendlich war es bloß dem von Süle wie Müller angesprochenen Faktor Glück und noch viel mehr dem Leverkusener Unvermögen bei der Chancenverwertung geschuldet, dass die Münchner derart glimpflich davonkamen und nur einen Gegentreffer durch Mehmedi hinnehmen mussten. Selten hat sich der FC Bayern in den vergangenen Jahren vor eigenem Publikum derart schwach präsentiert. Wie offen die Partie tatsächlich war, untermauerten nicht zuletzt das nahezu ausgeglichene Ballbesitz- (51 Prozent Bayern) sowie das aus FCB-Sicht negative Torschussverhältnis (13:19).

NO GALLERY Thomas Müller Bayern München 18082017

"Wir können das Spiel gut abhaken, aber müssen es schon so einordnen, wie es wirklich war", forderte Müller. Derart selbstkritisch gingen allerdings nicht alle Münchner in die Analyse. Teilweise wurde beschönigt, teilweise begaben sich die Profis erst auf Nachfrage auf Fehlersuche.

Ulreich sowie Rudy und Süle etwa hatten unisono einen "verdienten" Erfolg gesehen - und man kann es ihnen ja auch gar nicht verdenken. Einerseits gehörten die drei an diesem Freitagabend zu den besten Bayern-Profis, andererseits ist es logisch, dass weder der Ersatzkeeper noch die beiden Neuen vor laufenden Kameras den großen Mahner mimen und ihre (neuen) Kollegen angehen wollten.

Salihamidzic zufrieden - Süle fordert "anderes Gesicht"

Das wäre eigentlich die Aufgabe von Hasan Salihamidzic gewesen. Der neue Sportdirekor wollte jedoch auch nicht dazwischengrätschen so kurz nach dem Erfolg. "Ich bin sehr glücklich und zufrieden, dass wir gewonnen und die ersten drei Punkte eingefahren haben", grinste Brazzo und versicherte: "Es läuft alles nach Plan."

Angesprochen auf die größten Defizite im Spiel der Bayern, entgegnete Salihamidzic: "Was waren denn die positiven Sachen? Das wollen wir wissen. Wir haben gewonnen, das ist das Wichtigste. Ich finde es nicht gut, dass Ihr nur negativ draufhaut. Ich muss der Mannschaft trotzdem ein Kompliment machen. Wir haben fünf, sechs, sieben Verletzte. Die Mannschaft hat das sehr gut gemacht, ich bin sehr stolz auf sie."

Und so war es dann doch Süle, der sagte, was vermutlich ein Philipp Lahm gesagt hätte, wenn er denn noch beim FC Bayern unter Vertrag stehen würde. Oder ein Mats Hummels, wenn er dem Gespräch mit der Presse nicht aufgrund von einer Magenverstimmung hätte fernbleiben müssen. "Wir", sagte also Süle, "müssen ein anderes Gesicht zeigen."

Eine klare Botschaft, auch wenn der Neue - wahrscheinlich aus reiner Höflichkeit - noch hinterherschob: "Aber wir haben noch nicht oft in dieser Konstellation zusammengespielt. Es waren viele Neuzugänge dabei, das muss sich erst einmal finden."

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