FC Bayern München - Kommentar: Mia san Mia? Den Bayern-Bossen fehlt die Souveränität

Der FC Bayern setzte ein sportliches Ausrufezeichen, schlug Borussia Dortmund im Spitzenspiel der Bundesliga mit 4:2, zog so am BVB in der Tabelle vorbei und steht nach 26 Spieltagen wieder auf Platz eins.

Bestimmendes Thema war danach aber nicht der starke Auftritt der Bayern unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel oder der Stand im Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Sondern die Frage nach dem genauen Ablauf der Trennung zwischen dem Rekordmeister und Trainer Julian Nagelsmann.

Ausgelöst wurde die Wiederaufarbeitung der Vorgänge durch einen verbalen Schlagabtausch zwischen Oliver Kahn und Lothar Matthäus vor der Partie bei Sky. Der FCB-Vorstandsvorsitzende hatte dabei deutlich auf die Vorwürfe geantwortet, die Sky-Experte Matthäus zuvor in seiner Sky-Kolumne erhoben hatte: Das “familiäre, beschützende Selbstverständnis der Bayern, das ‘Mia san Mia’” sei "teilweise mit Füßen getreten" worden.

Zwischenzeitlich gab Nagelsmanns Berateragentur ein Statement heraus, in dem sie den Bayern vorwarf, gar nicht zuerst bei Nagelsmann angerufen zu haben: Man selbst habe sich nach den ersten Medienberichten über die Trennung bei den Bayern-Bossen melden müssen.

Kurz darauf legte Matthäus bei t-online nach und bezichtigte Kahn der Lüge. Kahn antwortete seinerseits am nächsten Morgen via BILD und legte am Nachmittag bei "Sky90" nochmal seinen Standpunkt genauer dar. In der Vorwoche hatte Kahn bereits zusammen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic bei der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung von Neu-Trainer Tuchel in der Allianz Arena den Ablauf aus Bayern-Sicht nacherzählt. Salihamidzic ging am Tag darauf im "Doppelpass" bei Sport1 nochmal genauer ins Detail. Ein riesiger Kommunikationsaufwand, um den Vorwurf zu entkräften, man habe nicht gut kommuniziert.

Nagelsmann(C)Getty Images

Das "Wie" sorgt für Kritik

Denn die Gründe für die Trennung von Nagelsmann werden ja schon gar nicht mehr in Frage gestellt. Nur das “Wie” sorgt bei manchen - Lothar Matthäus zum Beispiel - für Kritik.

Was genau wird den Bayern-Bossen hier vorgeworfen? Der Leak der Nachricht ging nicht von ihnen aus. Hätte man Nagelsmann früher anrufen können? Hätte man ihm die Nachricht, wie von Matthäus vorgeschlagen, nicht auch persönlich in Südtirol überbringen können?

Die Vorstellung alleine ist schon etwas gruselig: Man verbringt mit seiner Freundin einen Skiurlaub in einem Hotel in Südtirol. Plötzlich steht der Chef spätabends unangekündigt an der Rezeption, schüttelt sich den Schnee aus der Kapuze und überbringt einem die Nachricht, dass man seinen Job los ist. Wäre das besser gewesen?

Julian Nagelsmann lebte seinen Traum: Mit 33 Jahren Trainer des FC Bayern. Dieser Traum ist jetzt zu Ende und das tut sicherlich weh. Egal wie die Bayern am Ende die Nachricht überbracht hätten: Angenehm ist sowas nie.

Auch wenn Kahn behauptete, er und Salihamidzic hätten “das ‘Mia san Mia’ mit der Muttermilch mitbekommen", scheinen sich die beiden genau wie Matthäus nicht ganz bewusst über dessen tatsächliche Bedeutung zu sein.

Wäre “Mia san Mia” nämlich nur dieses “familiäre, beschützende Selbstverständnis” der Bayern, wäre ja noch nie ein Münchner Trainer während der Saison aus der “Mia-san-Mia-Familie” ausgestoßen worden. Oder wurden bisher einfach alle Trainer vor Nagelsmann auf eine besonders “familiäre und beschützende” Art und Weise freigestellt?

Nein, der Kern von “Mia san Mia” fernab jeder Werbeagentur-Romantik ist eigentlich: “Wir schauen nur auf uns und uns ist egal, was die anderen denken.”

Den Bayern-Bossen fehlt es an Souveränität

Kahn und Salihamidzic ist aber offensichtlich überhaupt nicht egal, was die anderen denken. Zumindest im Fall der Trennung von Julian Nagelsmann. Deshalb fühlen sich die beiden offenbar verpflichtet, sich ein ums andere Mal zu erklären. Und auf jeden einzelnen Kritiker zu antworten. Hier fehlt den Bayern-Bossen die Souveränität.

Der frühere Bayern-Macher Uli Hoeneß dagegen macht es sich mit dem “Mia san Mia” nicht allzu kompliziert. Er erklärte im kicker lapidar: "Julian Nagelsmann hätte nach der Niederlage in Leverkusen nicht in den Skiurlaub fahren dürfen. Wäre er in München geblieben, hätte man sich am Montag oder Dienstag zusammengesetzt und gesprochen.”

Man muss ja nicht gleich Nagelsmann den Schwarzen Peter komplett zuschieben. Aber Kahn hätte sich diesmal vielleicht besser im großen Floskel-Baukasten bedient. Und kurz vor Anpfiff sowas gesagt wie: “Wir spielen gleich das wichtigste Spiel der bisherigen Saison. Wir haben volles Vertrauen in unseren neuen Trainer Thomas Tuchel. Alles andere ist jetzt nebensächlich.” Wie auch immer: Kahn und Salihamidzic müssen das Thema Nagelsmann jetzt schnell abhaken. Sonst droht es, den Verein in der entscheidenden Phase der Saison vom Wesentlichen abzulenken.

Werbung
0