ERCAN KARA IBRAHIMOVIC GFX RAPID WIEN 25032021Getty/Goal

"Mini-Zlatan", ungewöhnlicher Werdegang, Interesse von Fenerbahce? Das ist Rapid-Stürmer Ercan Kara


HINTERGRUND

"Er erinnert mich an Zlatan Ibrahimovic", sagte Rapid Wiens Cheftrainer Dietmar Kühbauer im Gespräch mit dem österreichischen Standard über Mittelstürmer Ercan Kara. Kurz darauf relativierte der 49-Jährige seine Aussage, wenn auch nur minimal: "Zlatan macht solche Tore seit 20 Jahren. Er hat viel früher damit begonnen, bei den besten Vereinen der Welt." Daraufhin zählte Kühbauer Karas individuelle Auszeichnungen auf: "Er war mehrmals Torschützenkönig in der Regionalliga oder Stadtliga", sagte der Österreicher und kam anschließend zur Schlussfolgerung: "Ercan ist ein Mini-Zlatan."

Ganz so weit wie der 39-jährige Schweden-Comebacker ist der 25-jährige Kara natürlich noch lange nicht. Doch der Österreicher mit türkischen Wurzeln ist vor dem Tor zumindest ähnlich eiskalt und weist eine starke Quote seit seinem Wechsel im Januar 2020 zu Rapid auf: In 43 Pflichtspielen traf der Angreifer 20-mal und legte neun Tore vor. In der laufenden Spielzeit netzte er in 33 Begegnungen bereits 17-mal (acht Assists).

Vor allem sein Treffer am 14. Spieltag gegen St. Pölten weist gewisse Parallelen zu Ibrahimovic auf. Kara verwertete eine Hereingabe von der rechten Seite im Fünfmeterraum mit dem Rücken zum Tor akrobatisch, indem er sein rechtes Bein bis auf Stirnhöhe hob und den Ball über den Kopf zum 2:1 ins Netz bugsierte – so etwas wie ein Fallrückzieher im Stehen quasi. "Karabrimovic" oder "ibraKARAbra" kommentierten User unter dem Kunstschuss, den Kara auf seinem Instagram-Kanal teilte. 

Vor allem mit Blick auf den Werdegang des gebürtigen Wieners sind diese Vergleiche alles andere als selbstverständlich.

"Schritt zurück" in die vierte Liga: Der außergewöhnliche Werdegang von Ercan Kara

Kara kam als Sohn türkischer Einwanderer 1996 in der österreichischen Hauptstadt zur Welt. Seine ersten fußballerischen Gehversuche unternahm der heutige Torjäger in der Jugend des SK Slovan HAC, der in der Wiener Stadtliga (4. Liga) aktiv ist. 

2014 zog es Kara weiter zu den seinerzeit drittklassigen Amateuren von Austria Wien. Glücklich wurde der Rechtsfuß dort allerdings nicht, lediglich ein Treffer stand nach 20 Einsätzen zu Buche. Um seiner Karriere einen neuen Schub zu geben, versuchte sich Kara, der nach eigener Aussage schon immer Profi werden wollte, 2016 eine Liga tiefer.

"Ich habe mit dem Wechsel zum FC Karabakh Wien in die vierte Liga damals einen Schritt zurück gemacht", gab er einst in der Sky-Sendung "Dein Verein" zu. Manchmal sei jedoch "ein Schritt zurück einer nach vorne". Was wie eine reine Floskel klingt, sollte für Kara tatsächlich von ernormem Vorteil sein. In seiner Premierensaison erzielte er satte 35 Tore, wurde Stadtmeister und stieg auf, im Folgejahr traf er 27-mal. Auch in seiner dritten und letzten Spielzeit erwies er sich mit 22 Saisontoren als treffsicher. In allen drei Saisons wurde Kara Torschützenkönig.

Der Lohn: der Wechsel zum SV Horn in die zweite österreichische Liga. In Horn knüpfte Kara nathlos an seine vorherigen Leistungen an und spielte sich mit 13 Toren in 16 Ligapartien in den Fokus von Rapid. Nur ein halbes Jahr später folgte der Wechsel in die Bundesliga – für 200.000 Euro. "Ich habe mich in Horn wohlgefühlt und dann kam das Interesse von Rapid, da habe ich nicht zweimal überlegen müssen", erinnerte sich Kara. Eine Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum genoss Kara nie, umso schöner sei es, "dass man es trotzdem schafft".

ercan kara rapid wienDepo Photos

Der Schritt in die Erstklassigkeit sei freilich eine Umstellung gewesen, Torinstinkt allein reiche im Profifußball nicht aus.

"Ich musste mich körperlich verbessern und arbeite jeden Tag, um besser zu werden", erklärte Kara: "Ich fühle mich wohl, es wird noch besser."

Erst österreichische Nationalelf, dann Fenerbahce?: Der Traum vom Profi lebt

Der Traum hatte sich also erfüllt, auch wenn Kara dafür einige Umwege nehmen musste. Aktuell kämpft Rapid als Tabellenzweiter hinter RB Salzburg noch um den Titel. Auch auf internationaler Bühne durfte sich Kara bereits präsentieren: Nachdem die Hauptstädter in der Champions-League-Qualifikation gescheitert waren, ging es in die Europa League, wo sie unter anderem auf den FC Arsenal trafen. Allerdings schied Rapid bereits in der Gruppenphase aus. 

Vergangene Woche erlebte Kara den nächsten Höhepunkt seiner Laufbahn: Franco Foda, Trainer der österreichischen Nationalmannschaft, nominierte den Newcomer für die anstehenden Länderspiele. Auch der ebenfalls türkischstämmige Teamkollege und Wunderkind Yusuf Demir (17) zählt zum Aufgebot um Bayern-Star David Alaba. Im Gegensatz zu Demir lief Kara bislang auch für keine Jugendnationalteams auf. Da beide noch kein A-Länderspiel auf dem Konto haben, wären sie auch noch für die Türkei spielberechtigt. 

Doch damit beschäftigt sich Kara bisher nicht. "Ich verstehe nicht, warum bei Menschen mit Migrationshintergrund immer ein Theater ist. Es ist doch nicht so wichtig, woher du kommst, sondern wie du bist", stellte er im Standard klar. Die Türkei könnte auch neben der Nationalmannschaft eine weitere Rolle in Karas Karriere spielen. Wie Heute.at berichtet, sollen die türkischen Top-Klubs Trabzonspor, Galatasaray und Fenerbahce an Kara dran sein. 

Bis 2022 steht Kara noch bei Rapid unter Vertrag. Einen strikten Karriereplan verfolgt der Shootingstar nicht. "Es kommt, wie es kommt", sagte er: "Im Fußball geht es schnell."

Er weiß am besten, wovon er spricht.

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