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BVB-Leihspieler Felix Passlack im Interview: "Ich sehe mich überhaupt nicht als Juwel"

Felix Passlack gewann 2015 die Fritz-Walter-Medaille in Gold in der Altersklasse U17, debütierte unter Thomas Tuchel bei Borussia Dortmund in Bundesliga und Champions League und ist der jüngste deutsche Torschütze in der Königsklasse. Zuletzt verlieh ihn der BVB an die TSG 1899 Hoffenheim und Norwich City.

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Im Interview mit  SPOX  und  Goal  spricht Passlack über die Gründe für die beiden verkorksten Leihgeschäfte, die Arbeit unter Tuchel und Julian Nagelsmann und den aktuellen Schwebezustand um seine Zukunft.

Herr Passlack, zur letzten Saison hat Sie der BVB zum Tabellenviertzehnten der zweiten englischen Liga verliehen. Ein Jahr später ist Norwich City unter dem ehemaligen Dortmund-Trainer Daniel Farke souverän in die Premier League aufgestiegen. Sie haben allerdings nur acht Spiele in allen Wettbewerben gespielt, sind dabei auf 628 Minuten Einsatzzeit gekommen und durften nur einmal für sechs Minuten in der Liga für die Profis spielen. Konnten Sie überhaupt über den Aufstieg jubeln?

Felix Passlack:  Es war natürlich schwer, sich persönlich zu freuen. Wenn man in einer solch außergewöhnlichen Saison fast nur in den wenigen Pokalspielen zum Einsatz kommt, dann kann ich damit nicht zufrieden sein. Ich habe mich allerdings sehr für die Mannschaft und den gesamten Verein gefreut. Ich weiß ja, was wir alle tagtäglich geleistet und wie wir die Menschen in der Region glücklich gemacht haben.

Ihr Problem war, dass mit Ivo Pinto der langjährige Kapitän der Canaries auf Ihrer Position rechts hinten spielte. Zudem startete mit Max Aarons ein junger Spieler durch, dessen Leistungen ihm eine Nominierung ins Championship-Team der Saison und den Gewinn des jungen Spielers der Saison einbrachten. Bitterer hätte es kaum laufen können, oder?

Passlack:  Das stimmt. Ich bin mit dem klaren Ziel nach Norwich gewechselt, dass ich dort Stammspieler werde. Max Aarons bekam früh in der Saison seine Chance und hat sie bei seinem ersten Auftritt auch wirklich imposant genutzt. Da war mir klar, dass er mich erst einmal überholt hat. Für mich hieß es dann, weiter Gas zu geben und abzuwarten, bis ich irgendwann meine Chance erhalte. Nur kam die leider nie, weil Max weiter gute Leistungen gezeigt hat und das Team so erfolgreich war.

Welche Rückmeldungen bekamen Sie von Farke?

Passlack:  Es war selbstverständlich keine einfache Situation für mich, aber der Austausch mit ihm war sehr gut. Ich bin ihm deswegen ehrlich gesagt auch auf die Nerven gegangen. (lacht) Ich habe ihn oft gefragt, was ich besser machen kann. Er meinte, ich würde gut trainieren und solle einfach so weitermachen, bis ich meine Chance bekomme.

War es für Sie nachvollziehbar, dass er so etwas sagte?

Passlack:  Klar. Er hatte schlichtweg keine Argumente, um die Startelf zu ändern. Wir hatten eine recht lange Erfolgsserie, so dass auch der Kader für die einzelnen Spieltage im Grunde immer derselbe war. Er hat positionsgetreue Änderungen nur dann vorgenommen, wenn jemand gesperrt oder verletzt war. Und das war auf meiner Position halt einfach nicht der Fall.

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Aufgrund der "Homegrown Player Rule", die die Zahl an Ausländern im Kader begrenzt und vorschreibt, dass pro Spiel mindestens acht englische oder in England ausgebildete Spieler im Kader stehen müssen, bekamen Sie häufig nicht einmal eine Nominierung.

Passlack:  Ich hatte diese Regel vor meinem Wechsel natürlich auf dem Schirm. Ich war aber auch so von mir überzeugt, dass ich nicht dachte, sie würde für mich einmal ein Problem werden. Es waren für den Trainer auch immer enge Entscheidungen bei der Auswahl des Kaders, die ihm aber Spieltag für Spieltag Recht gegeben haben.

Vor der Saison in Norwich waren Sie für ein Jahr nach Hoffenheim verliehen. Diese auf zwei Spielzeiten angelegte Leihe wurde vorzeitig abgebrochen. In Norwich standen Sie dann bis Winter nur dreimal im Liga-Kader, jeweils ohne Einsatz. Gab es Überlegungen, die Leihe erneut frühzeitig zu beenden?

Passlack : Nein. Ich wollte das Kapitel durchziehen und nicht aufgeben. Auch, weil ich wusste, dass ich in dieser Liga körperlich wie fußballerisch einen Schritt nach vorne machen konnte und dies in meinen Augen auch getan habe. Ich bin durch diese schwierige Zeit vor allem auch menschlich weiter gereift. So komisch sich das jetzt anhören mag, aber das erachte ich auch als sehr wichtig.

War es für Sie in psychischer Hinsicht problematisch, mit diesen Negativerfahrungen umzugehen, nachdem es zuvor in Ihrer jungen Karriere ja ständig bergauf ging?

Passlack:  Eindeutig. Vor allem zu Beginn war es schwer, damit umzugehen und die Situation zu akzeptieren. Ich war schon sehr gefrustet. Das ist auch normal, sonst hätte ich ja meinen Beruf verfehlt. Mir hat es sehr geholfen, dass meine Freundin mit mir in England war und mich etwas auffangen konnte. Wir haben viel über die Situation gesprochen. Nach einer gewissen Zeit habe ich mir dann gedacht: Es ist, wie es ist. Du kannst nichts anderes tun, als weiter Gas zu geben, positiv und geduldig zu sein.

Felix Passlack sieht sich nicht als Juwel

Noch vor kurzer Zeit wurden Sie von allen Seiten als riesiges Talent und kommender Star bezeichnet. Nun findet man Berichte über Sie, die mit "BVB-Juwel im freien Fall" überschrieben sind. Was macht das mit Ihnen?

Passlack:  Man bekommt es selbstverständlich mit, das geht heutzutage ja auch kaum mehr anders. Ich kann dann nur versuchen, so etwas nicht zu sehr an mich herankommen zu lassen. Ich sehe mich ja überhaupt nicht als Juwel. Niemals würde ich solche Dinge von mir behaupten. Ich bin einfach ein junger Kerl mit Spaß am Fußball. Ich weiß, was ich kann und bin vollkommen davon überzeugt, dass ich mein Leistungspotenzial wieder erreiche, sobald ich regelmäßig zum Einsatz komme.

Was nehmen Sie aus diesem ersten Auslandsaufenthalt Ihrer Karriere nun mit: Was war für Sie der größte Unterschied zu Deutschland?

Passlack:  Die zweite englische Liga ist viel intensiver als die Bundesliga. Auch die Vorbereitung ist deutlich härter. Dazu hat man viel mehr Spiele, zahlreiche englische Wochen und natürlich keine Winterpause. Ich will nicht sagen, dass ich das Training extrem anstrengend fand, aber es war schon sehr fordernd. Da muss man sich recht häufig auf den Behandlungstisch legen und die Muskeln bearbeiten lassen.

Wie erging es Ihnen dort privat?

Passlack:  Dass es Bohnen und Würstchen zu jedem Frühstück gibt, war schon gewöhnungsbedürftig. Ansonsten war ich positiv überrascht, denn England ist doch gar nicht so grau, wie ich immer dachte. (lacht) Norwich hat die meisten Sonnenstunden im Land, es gibt schöne Parks - mir hat es dort gefallen.

Blicken wir noch etwas weiter in die Vergangenheit zurück: Als Sie im August 2017 nach Hoffenheim verliehen wurden, damals wechselte Jeremy Toljan von der TSG zum BVB, haben Sie mit Ihrem neuen Team keine gemeinsame Vorbereitung bestritten. War das bereits gewissermaßen der Anfang vom Ende?

Passlack:  Es war jedenfalls ziemlich problematisch für mich. Man weiß ja, wie Julian Nagelsmann Fußball spielen möchte. Dann ohne eine einzige gemeinsame Einheit am letzten Tag der Transferperiode zu ihm zu kommen, war sehr schwierig - auch wenn mir das Training unter ihm in meiner Entwicklung sehr geholfen hat.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Wie kam es dazu, dass der Wechsel erst so spät klappte?

Passlack:  Der Deal konnte leider nur als Paket über die Bühne gehen. Hoffenheim wollte mich bereits Anfang August ausleihen. Ich wäre zu diesem Zeitpunkt auch gerne gewechselt. Der BVB hat dem aber zunächst einen Riegel vorgeschoben. Erst als das Interesse an Toljan da war, kam die Sache wirklich in Schwung, hat letztlich aber länger gedauert - für mich zu lange.

"Wir wünschen ihm in Hoffenheim so viel Spielpraxis wie möglich und glauben, dass er bei TSG-Trainer Julian Nagelsmann gut aufgehoben ist", sagte Sportdirektor Michael Zorc damals. Nagelsmann erklärte später, dass Sie mit "nullkommanull Rhythmus" aus der Vorsaison kamen. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, weshalb es nicht geklappt hat?

Passlack:  Ich muss ganz klar sagen, dass ich dort mein Leistungsniveau nicht erreicht habe. Entsprechend gibt es da auch keinen Vorwurf an irgendjemanden. Hoffenheim hat in diesem Jahr die erfolgreichste Bundesligasaison der Vereinshistorie gespielt. Da wurde es im Verlauf immer schwerer für mich, einen Zugang zum 18er-Kader zu finden. Ich durfte zwar in der Europa League spielen, doch da war nach der Gruppenphase leider schon Schluss.

Wie sahen denn die Gespräche mit Nagelsmann vor Ihrem Wechsel aus, welche Perspektive wurde Ihnen aufgezeigt - er wird ja von Ihren Spieldaten aus der Vorsaison gewusst haben?

Passlack:  Der ursprüngliche Plan war, zumindest noch Teile der Vorbereitung in Hoffenheim mitzumachen, dort wieder in einen besseren Rhythmus zu kommen und so gute Chancen auf einen Platz im Team zu haben. Durch den verspäteten Wechsel, erst recht, wenn man am letzten Tag der Transferperiode wechselt, bekam ich natürlich schon ein etwas schlechtes Gefühl bei der Sache. Es war ja klar, dass sich die Mannschaft bis dato schon fürs Erste eingespielt hat und einem nicht mehr alle Türen offenstehen.

Statt in der Bundesliga und Europa League kickten Sie in der Rückrunde plötzlich in der Regionalliga Südwest gegen Teams wie Stadtallendorf und Schott Mainz. War das die sportlich schwierigste Zeit Ihrer Karriere?

Passlack:  Wahrscheinlich schon. Dieses Jahr war wirklich für die Katz. Irgendwann ging es nur noch darum, überhaupt noch halbwegs regelmäßig zum Einsatz zu kommen. Daher war es mir zu diesem Zeitpunkt auch relativ egal, ob das nun in der Regionalliga war. Wenn du als Fußballer nicht zum Kicken kommst, das ist das Allerschlimmste.

Wurde die Leihe deshalb beendet, weil sie sportlich einfach keinen Sinn mehr ergab oder weil Farke bereits an Ihnen baggerte?

Passlack:  Beides. Wir haben gemeinsam überlegt, was das Beste für mich ist. Die Kommunikation mit Julian Nagelsmann war immer da. Er hat mir schließlich ans Herz gelegt, mich woanders zu versuchen. Daniel Farke wollte mich eigentlich auch schon in der Winterpause verpflichten. Da ich aber zu Beginn dieser Saison schon für Dortmund auflief, dazu noch für Hoffenheim, war das keine Option. Man darf ja pro Spielzeit nur für zwei Vereine auflaufen.

Nagelsmann gilt als sehr kommunikativer Trainer, der im Training viel fordert und gerade im taktischen Bereich einen hohen Anspruch hat. Wie groß war die Umstellung für Sie?

Passlack : Nicht besonders groß, denn ich hatte ja schon eineinhalb Jahre lang unter Thomas Tuchel gearbeitet. Beide lassen inhaltlich ziemlich ähnlich trainieren, es gibt viele gleiche Übungen. Man muss im Kopf immer da sein und darf nicht abschalten, sonst bekommt man direkt einen auf den Deckel. (lacht) Ich fand aber nicht, dass das zu viel Input oder zu psychisch fordernd für die Spieler ist. Man merkt dadurch ja, dass sich der Trainer sehr damit befasst, wo beim Gegner die Räume zu finden und aufzuhebeln sind.

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Wer ist taktisch nerdiger, Nagelsmann oder Tuchel?

Passlack:  Nagelsmann. Er sieht vielleicht nicht mehr taktische Details. Aber er versucht, der Mannschaft noch mehr verschiedene Spielformationen an die Hand zu geben.

Tuchel dagegen hat Ihnen zu Ihrem Debüt in Bundesliga und Champions League verholfen. Durch Ihr Tor im November 2016 beim 8:4 gegen Legia Warschau sind Sie seitdem mit 18 Jahren und 177 Tagen jüngster deutscher Torschütze in der Königsklasse.

Passlack:  Darauf bin ich auch sehr stolz, selbst wenn ich mich danach dann nicht täglich damit beschäftigt habe. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass der Rekord nicht so schnell geknackt wird. (lacht)

Wie weit weg sind dieses Spiel und diese Zeit für Sie?

Passlack:  Es fühlt sich nach mehr als knapp drei Jahren an. Gerade deshalb, weil ich nun gemerkt habe, wie schnell es nach oben, aber auch wieder nach unten gehen kann. Die Intensität verfälscht da ein wenig die Wahrnehmung der Zeit. Andererseits wusste ich schon in den positiven Zeiten, dass es so nicht ewig weitergehen kann. Ich kenne jetzt beide Seiten und gebe nun mein Bestes, um wieder aus diesem Loch zu kommen.

Wie würden Sie den Trainer und Menschen Tuchel charakterisieren?

Passlack:  Ich bin mit ihm sehr gut klargekommen. Er fordert zwar wirklich sehr viel von seinen Spielern, ist in meinen Augen aber mit allen immer offen und ehrlich umgegangen. Er wollte eigentlich ständig das Beste für die Spieler und die Mannschaft.

Hatte sich sein Ende beim BVB für Sie angedeutet?

Passlack:  Nein, sein Aus hat mich gewundert. Wir haben ja attraktiven und erfolgreichen Fußball gespielt. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sich immer mehr Spieler gegen ihn gestellt haben. Von daher war es schon komisch und schade, dass er sich dann auf einmal verabschieden musste.

Felix Passlack Thomas Tuchel Borussia Dortmund 2017Getty Images

Ab wann wurde dann mit den Dortmunder Verantwortlichen darüber gesprochen, Sie zur Saison 2017/18 auszuleihen?

Passlack : Gegen Ende der Spielzeit, als in der Rückrunde auch immer deutlicher wurde, dass ich nur noch wenige Spielanteile erhalte. Der BVB hat mir signalisiert, dass man sich eine langfristige Zukunft mit mir vorstellen kann. Deshalb machte eine Leihe auch Sinn, da ich über zwei Jahre viel Spielpraxis erhalten sollte, dadurch den nächsten Schritt mache und dann wieder nach Dortmund zurückkehre.

Stand jetzt sind Sie am 1. Juli wieder Spieler der Borussia. Dort ist die Konkurrenz mit Lukasz Piszczek, Achraf Hakimi, Marius Wolf und Rückkehrer Jeremy Toljan riesig. Wie steht es derzeit um Ihre Zukunft?

Passlack:  Der aktuelle Stand ist, dass ich mich noch nicht final festgelegt habe, ob ich mich noch einmal verleihen oder doch verkaufen lassen möchte. Das hängt natürlich auch damit zusammen, was der BVB mit mir plant - und das ist momentan noch etwas in der Schwebe. Es gibt laufende Gespräche mit ein paar Vereinen und es könnte sein, dass sich noch rechtzeitig etwas ergibt. Sollte das aber nicht der Fall sein, schlage ich am 3. Juli zum Trainingsauftakt in Dortmund auf und kämpfe dort um meinen Platz.

Wie schwierig ist es in dieser Phase, mit diesem Schwebezustand umzugehen?

Passlack : Er nervt natürlich, da ich im Ungewissen bin. Da bin ich ehrlich. Anderseits ist es glücklicherweise nicht so, dass ich am 1. Juli vertragslos bin. Ich mache mir über den Ist-Zustand natürlich Gedanken, sitze aber nicht heulend in der Ecke. Ich nehme seit Mitte Mai privates Training in Dortmund und versuche, mich fit zu halten. Wir haben das Pensum zuletzt immer weiter gesteigert, es ist wie eine Vorbereitung vor der Vorbereitung.

Wäre für Sie denn eine weitere Leihe überhaupt denkbar, nachdem Sie in Hoffenheim und Norwich so schlechte Erfahrungen damit gemacht haben?

Passlack:  Ein weiteres Ausleihgeschäft ins In- und Ausland kann auf jeden Fall wieder in Frage kommen. Wichtig ist mir, dass mir der Verein eine sportliche Perspektive mit der Möglichkeit auf viele Spiele bietet.

Inwiefern wären Sie denn enttäuscht, wenn der BVB Sie verkaufen und das Kapitel enden würde?

Passlack:  Von Enttäuschung würde ich nicht sprechen. Ich bin noch jung, wer weiß also, ob ich nach einem solchen Szenario nicht noch einmal in meiner Karriere für Dortmund auflaufen werde? Ich habe fünf Jahre für den BVB gespielt und es war mein Traum, als Stammspieler für diesen Verein im Signal Iduna Park aufzulaufen. Von daher würde ich natürlich mit einem weinenden Auge gehen.

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