Von Cristiano Ronaldos letztem Tanz bis zu Englands großer Chance: Sechs Gründe, warum die EURO 2024 episch wird

Nach der eher unglücklichen Entscheidung, die Spiele der Euro 2020 in mehreren Ländern auszutragen, was dazu geführt hat, dass die Mannschaften sehr viele Flugmeilen gesammelt haben und die Fans - noch dazu in Corona-Zieten - ein Vermögen ausgeben mussten, um ihre Teams zu verfolgen, haben wir nun wieder (und vielleicht zum letzten Mal - so viele Länder können sich solche Mammut-Turniere alleine nicht mehr leisten) ein Turnier, das in einem Land stattfindet.

Deutschland ist zudem ein ideales Gastgeberland - auch aus Nicht-Deutscher Sicht Die Qualität der Stadien ist fantastisch. Keines der Stadien hat ein Fassungsvermögen von weniger als 46.000 Zuschauern - und die Fabs dürften aus mehreren Gründen für eine fantastische Atmosphäre sorgen.

Erstens liegt Deutschland zentral in Europa und ist daher für die meisten Fans leicht zu erreichen. Zweitens verfügt Deutschland über eine fantastische Fußballkultur. Selbst die neutralen Zuschauer werden sich während der Spiele Gehör verschaffen.

Natürlich kann man nicht genau vorhersagen, wie sich die Dinge entwickeln werden, aber wenn die Euro 2024 so abläuft wie die Weltmeisterschaft 2006, werden wir ein großartiges Turnier erleben, das nicht nur das Gastgeberland, sondern auch die ganze Sportwelt in seinen Bann zieht, Stichwort: Sommermärchen 2.0..

Es ist ein kleines Wunder, dass die Ukraine es bis nach Deutschland geschafft hat. Die Spieler und ihr Volk haben in den letzten zweieinhalb Jahren wegen der russischen Invasion einen Albtraum erlebt.

Der anhaltende Krieg bedeutete auch, dass die Nationalmannschaft kein einziges Qualifikations- oder Playoff-Spiel auf heimischem Boden bestreiten konnte, und dennoch schafften es die Männer von Sergiy Rebrov, sich durchzusetzen. "Es ist unmöglich, in Worte zu fassen, was das für uns bedeutet", sagte Mittelfeldspieler Giorgiy Sudakov zu GOAL. "Aber es war einfach ein unglaubliches Gefühl von Stolz.

Das Ziel ist es nun, ihren leidgeprüften Familien und Freunden noch mehr Freude zu bereiten, indem sie sich für die K.-o.-Phase qualifizieren - und sie haben tatsächlich alle Chancen dazu, in der Gruppe mit Belgien, der Slowakei und Rumänien ist Platz zwei wirklich zum Greifen nah für eine Mannschaft, die die Euro 2024 als weit mehr als nur ein Fußballturnier ansieht.

Ganz klar: Die EM ist zu aufgebläht, 24 Mannschaften sind für ein kontinentales Tirner zu viel. Das Format ist eine Farce geworden mit den vier Gruppendritten, die sich fürs Achtefinale qualifizieren. Die Qualität des Wettbewerbs hat sich verschlechtert. Aber mehr Spiele bedeuten natürlich auch mehr Geld für die UEFA.

Und doch führt die Aufblähung des Turniers auch zu berührenden Szenen. Die Jubelszenen, als sich Georgien zum ersten Mal in der Geschichte des Landes für die Europameisterschaft qualifiziert, waren bewegend. Als die begeisterten Fans nach dem Playoff-Sieg gegen Griechenland in der Dinamo-Arena Boris Paitchadze auf das Spielfeld strömten, um die neuen Helden der Nation zu umarmen, brachen im ganzen Land improvisierte Straßenfeste aus.

Das Los war nicht besonders freundlich zu Georgien, das auf Portugal, die Tschechische Republik und die Türkei trifft. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Mannschaft, die in ihrer Qualifikationsgruppe den vierten Platz belegt hat, die K.-o.-Phase erreicht.

Trainer und Ex-Bayer Willy Sagnol sagte jedoch der UEFA: "Was sicher ist, ist, dass wir, egal gegen wen wir spielen, niemals aufgeben und alles geben werden, was wir haben. Es ist auch klar, dass Georgien, wenn es auch nur einen Punkt holt, in der Heimat noch mehr schöne Jubelszenen auslösen würde.

Das ist der Moment für England. In den letzten acht Jahren wurde auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet. Nach dem peinlichen Ausscheiden bei der Euro 2016 gegen Island hat Gareth Southgate den Nationalstolz der Three Lions wiederhergestellt.

Nach mehreren Beinahe-Pleiten bei großen Turnieren lastet der Druck nun auf dem Trainer, die 58 Jahre währende Enttäuschung endlich zu beenden und eine Trophäe zu gewinnen. Southgate, der wahrscheinlich nach der Europameisterschaft zurücktreten wird, hat sicherlich die Spieler, um in Deutschland zu triumphieren, zumindest was die Offensive betrifft. England verfügt über die wohl aufregendsten Stürmer im Weltfußball.

Aber wird Southgate das Beste aus ihnen herausholen? Man hat ihm in der Vergangenheit vorgeworfen, zu konservativ zu sein, aber ist es jetzt nicht an der Zeit, sie von der Leine zu lassen? Schließlich ist Angriff die beste Form der Verteidigung für eine Mannschaft, die in der Defensive beunruhigend schwach aussieht.

Wird England die Europameisterschaft gewinnen? Das ist so schwer zu sagen. Aber diese englische Mannschaft ist fällig. Für Southgates Mannschaft heißt es jetzt oder nie.

Wir hatten geglaubt, wir hätten Cristiano Ronaldo nach seinem tränenreichen Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft in Katar nicht mehr auf internationaler Ebene zu sehen. Wir hätten es besser wissen müssen. Ronaldo ist unerbittlich; der Mann hört einfach nicht auf. Er hat eine Karriere daraus gemacht, seine Kritiker zu widerlegen, und jetzt, mit 39 Jahren, will er die Europameisterschaft zum zweiten Mal gewinnen. Und die Chancen stehen gar nicht mal so schlecht (und das hat nicht nur was mit ihm zu tun).

Portugal verfügt in jedem Bereich des Spielfelds über Spitzenspieler, und wenn Roberto Martínez ihm den Vorzug gibt (in Wahrheit sind Goncalo Ramos und vor allem Diogo Jota die besseren Optionen), wird der alternde Stürmer von wunderbaren kreativen Talenten wie Rafael Leão, Bernardo Silva und Bruno Fernandes umgeben sein.

Ronaldo war in letzter Zeit auch in guter Torlaune - wenn auch in der drittklassigen saudischen Profiliga -, so dass er eine gute Chance hat, den Goldenen Schuh zu gewinnen, zumal Portugal eine schwache Gruppe hat und wohl erst im Halbfinale auf einen anderen Gruppensieger treffen wird.

Der erfolgreichste Spieler in der Geschichte des internationalen Fußballs scheint wie geschaffen für einen perfekten Abschied aus Portugal - vorausgesetzt, er entscheidet sich nicht, bis zur Weltmeisterschaft 2026 weiterzumachen, versteht sich!

Würde der Gewinn des Goldenen Schuhs Ronaldo zu einem Anwärter auf den Ballon d'Or machen? Möglich ist alles wie die Vergangenheit gezeigt hat, aber einige andere Stars sind ihm in der Rangordnung weit voraus und haben gute Chancen, bei der Euro 2024 selbst für Furore zu sorgen.

In Deutschland werden natürlich alle Augen auf Kylian Mbappé gerichtet sein. Nachdem der französische Stürmer endlich seinen lang ersehnten Wechsel zu Real Madrid bestätigt hat, fühlt er sich "befreit". Mbappé war bei der Weltmeisterschaft 2022 eine Schau - es spricht wenig dafür, dass er bei der EM schwächer sein wird.

Mbappé gilt seit langem als der beste Spieler der Welt, aber mit seinen 25 Jahren hat er noch keinen Ballon d'Or gewonnen, und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass er von einem seiner neuen Teamkollegen bei Real Madrid, Vinicius Jr. oder Jude Bellingham, vom ersten Platz verdrängt werden könnte. Von dem Seleção-Star, der im Finale der Champions League ein Tor erzielte, wird erwartet, dass er bei der Copa América für Brasilien glänzt, während Bellingham gerade die wohl beste Debütsaison hinter sich hat, die wir je von einem Galactico bei Real Madrid gesehen haben.

Aber auch Bellinghams Landsleute Harry Kane und Phil Foden, die in der vergangenen Saison zu den besten Spielern Deutschlands bzw. Englands gehörten, wären bei einem Sieg der Three Lions mit von der Partie.

Aber was ist mit Toni Kroos? Der klassischste aller Mittelfeldspieler wird nach der Europameisterschaft in den Ruhestand gehen - würde es wirklich überraschen, wenn er sich mit dem Gewinn der Champions League in seinem letzten Spiel auf Vereinsebene mit dem Gastgeber verabschiedet?

Natürlich geht es bei diesem Turnier um den ultimativen kollektiven Ruhm und die Entscheidung, wer die Henri-Delaunay-Trophäe in die Höhe stemmen darf - aber es dürfte auch für den Kampf um den Ballon d'Or entscheidend sein.