Kylian Mbappé oder Harry Kane? Stürmer-Entscheidung von Real Madrid sollte eindeutig ausfallen

Vor zwei Wochen versuchten die Fans von Real Madrid noch, die Verpflichtung von Joselu (Espanyol Barcelona) zu begründen und sich schönzureden. Und das war gar nicht so schwer. Der gebürtige Stuttgarter hat in jeder seiner vier vorangegangenen Spielzeiten zweistellig getroffen. Er hat schon in der Bundesliga (für Hoffenheim, Hannover und Frankfurt), der Premier League und LaLiga gespielt: Ein erfahrener Spieler, der Tore garantieren kann.

Und dann war da noch die andere Seite der Realität. Joselu ist 33 Jahre alt und steht ständig im Abseits. Seine beste Platzierung in LaLiga als Stammspieler war Rang 13. Er hat noch nie mehr als 16 Tore in einer Saison erzielt. Als Ersatz für den scheidenden Ballon-d'Or-Gewinner Karim Benzema sieht das alles etwas düster aus.

Doch das änderte sich bald. Zunächst wurde gemeldet, dass Real bereit wäre, viel Geld für Harry Kane von Tottenham Hotspur auszugeben. Der englische Stürmer wird in diesem Sommer wahrscheinlich verkauft werden, da er einen Wechsel anstrebt. Nach Angaben von The Athletic würden die Königlichen den geforderten Preis für Kane zu zahlen - über 100 Millionen Euro.

Doch dann wirbelte das Buch des Schicksals das vierte Kapitel in der Mbappé-Saga auf. Die beiden Parteien flirten schon seit Jahren aus der Ferne miteinander. Dieses Mal scheint es, als ob ein Wechsel endlich zustande kommen könnte.

Doch die Sache hat einen Haken. Laut der französischen Sport-Tageszeitung L'Équipe will PSG 200 Millionen Euro für seinen Stürmer. Aber kann Real nach dem Deal mit einer Ablöse in Höhe von 103 Millionen Euro für Jude Bellingham einfach so weitershoppen? Es ist möglich, dass die Blancos einige ihrer aktuellen Akteure verkaufen müssen, um Geld für einen Spieler aufzutreiben, den sie seit Jahren begehren.

GOAL analysiert die Pro- und Contra-Argumente für Mbappé auf der einen und Kane auf der anderen Seite.

  • Harry Kane Tottenham 2022-23Getty

    Real Madrid: Das Argument pro Harry Kane

    Das Interesse an Kane ist natürlich verständlich. In mancher Hinsicht könnte der englische Kapitän auch die bessere Wahl sein. Wenn die Blancos einen direkten Nachfolger für Benzema suchen, der ihm ähnelt, dann ist Kane derjenige, der am besten passt.

    Kane lief in seiner Jugend einst als Spielmacher auf, wurde erst spät zum Stürmer und hat seine typischen 10er-Gene nie verloren. Der Engländer ist ein ziemlich guter Passgeber, wenngleich er nicht so beweglich wie Benzema ist.

    Es handelt sich also um einen vielseitigen Stürmer, der viele Tore schießt, viele Assists gibt und mit schnellen Flügelspielern zusammenarbeiten kann. Es gibt deutliche Parallelen zwischen dem Duo Kane und Heung-Min Son sowie dem schnellen Zusammenspiel von Benzema und Vinicius Jr.

    Und dann ist da natürlich noch die Abschlussstärke. Kane ist auf dem besten Weg, den Torrekord der Premier League zu brechen. Mit seinen 29 Jahren und 213 Treffern könnte er innerhalb von zwei Jahren den Rekord von Alan Shearer knacken.

    Benzema hat für Real seit 2009 0,67 Tore pro 90 Minuten erzielt. Kane schoss für Tottenham im Schnitt 0,72 Tore. Wenn die Blancos einen neuen Benzema suchen, der in Sachen Tore vielleicht sogar noch besser ist, dann ist es Kane.

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  • Harry Kane Tottenham 2022-23Getty

    Das Argument gegen Kane

    Aber so eindimensional sollte man das nicht betrachten.

    Ein erstes Problem sind die Knöchel von Kane. Der englische Stürmer wird seit Jahren von verschiedenen Bänderproblemen geplagt und scheint sich in jeder Saison eine neue Verletzung zuzuziehen. Doch der 29-Jährige ist viel zu wichtig für die Spurs, um nur auf der Bank zu sitzen. So neigt er dazu, die Beschwerden zu überspielen und einfach weiterzumachen - im Gegensatz zu einem gewissen Neymar bei PSG, der dann lieber nach Brasilien fliegt oder das nächstgelegene Poker-Turnier aufsucht.

    Sein Alter ist vielleicht auch ein kleiner Grund zur Sorge. Mit 29 Jahren ist Kane nicht gerade ein Opa, aber seine zahlreichen Fußverletzungen vor dem 30. Geburtstag verheißen nichts Gutes. Fußballer, auch Stürmer, altern heutzutage in der Regel recht gut - Benzema gewann den Ballon d'Or mit 34 Jahren. Ein gewisses Risiko würde Real dennoch eingehen, gerade bei der Ablöse.

    Und dann gibt es da noch die mahnenden Geschichten englischer Spieler im Ausland. Der letzte englische Stürmer, der für den spanischen Giganten spielte, war Michael Owen im Jahr 2004.

    Der frühere Liverpooler hatte vielleicht das Pech, zum falschen Zeitpunkt im Santiago Bernabeu anzukommen. Owen hatte ein Jahr lang mit verschiedenen Verletzungsproblemen zu kämpfen und konkurrierte mit Raul und Ronaldo um Spielminuten. In 45 Spielen erzielte er immerhin 26 Tore, doch als ihm Newcastle United in der Saison vor der Weltmeisterschaft 2006 einen Stammplatz anbot, ergriff der ehemalige Ballon d'Or-Gewinner direkt die Chance, nach England zurückzukehren.

    Kane ist ein kompletterer Spieler als Owen und passt viel besser zu der aktuellen Mannschaft als sein Landsmann damals. Aber das spanische Spiel ist anders als das englische.

  • Kylian Mbappe Paris Saint-Germain 2022-23Getty

    Real Madrid: Kylian Mbappé, der Fußballer

    Damit zu Mbappé. Der ist schlicht ein besserer Fußballer. Und vielseitiger einsetzbar.

    Der 24-Jährige hat fünfmal in Folge den Goldenen Schuh der Ligue 1 gewonnen, gewann die WM 2018 als Stammspieler und verteidigte den Titel 2022 fast. Nun ist er Kapitän der Équipe tricolore und bei PSG bereits jetzt der beste Torschütze aller Zeiten - wenngleich der Verein erst 1970 gegründet wurde.

    Und dann ist da noch das Spektakel, das er bietet. Mbappé tänzelt und täuscht an. Er weicht aus und schießt unerwartet.

    Ein weiterer Grund für den Franzosen: Kane ist eher einseitig. Wenn man ihn zustellt und hoch steht, tut er sich etwas schwerer. Mbappé hingegen ist gegen hochstehende Mannschaften der wohl beste und einer der schnellsten Spieler auf der Welt. Und selbst wenn die Gegner eine andere Taktik wählen, findet er Wege zum Tor.

    In Paris hat er sich bisher alle Wünsche erfüllt: Gehalt, Ruhm, Tore. Nur der Champions-League-Titel fehlt. Hätte er ihn 2020 gegen den FC Bayern gewonnen (0:1), wäre er vielleicht schon bei Real.

  • Kylian Mbappe PSG vs Bayern 2022-23Getty Images

    Kylian Mbappé, der Madridista

    Und dann ist da noch das Bauchgefühl.

    Real hat sich in den letzten Jahren auf dem Transfermarkt clever verhalten. Der Umbau des Estadio Santiago Bernabeu hat den Geldbeutel der Madrilenen gestrafft und sie von großen Neuverpflichtungen ferngehalten. Bereits seit 2019 haben sie in einem Transferfenster nicht mehr tief in die Tasche gegriffen. 2022 waren es 80 Millionen Euro (einzig für Aurelien Tchouameni), 2021 nur 31 Millionen Euro (einzig für Eduardo Camavinga) und 2020 hatten sie keinen einzigen Cent an Transferausgaben.

    Aber das hat sich in den ersten zwei Wochen des Sommer-Transferfensters 2023 geändert - erstmals seit 2019 und Eden Hazard für 115 Millionen Euro, der als abschreckendes Beispiel dient. Jude Bellingham ist bereits eingetroffen und Klubpräsident Florentino Pérez hat versprochen, dass weitere Neuverpflichtungen anstehen.

    Und warum sollte man für einen so guten Spieler wie Mbappé nicht die Galactico-Ära heraufbeschwören? Der Franzose ist ein Real-Fan aus Kindertagen, der Cristiano Ronaldo verehrt. Er hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er gerne für den Verein spielen würde - früher oder später. Zudem spricht er exzellent spanisch.

    Der Franzose wollte erst einmal noch weiter für seine Heimatstadt Paris spielen. Aber Mbappé und Madrid sind sozusagen füreinander bestimmt. Soweit das Bauchgefühl.

  • Jude Bellingham Real Madrid 2023Getty

    Kylian Mbappé, die Zukunft

    Mbappé ist nicht wie gefühlt noch 21, sondern 24 Jahre alt. Ja, in Paris vergehen die Jahre schneller und ereignisloser als in Madrid. In der Mitte der kommenden Saison wird der Franzose 25 Jahre alt sein - und ist trotzdem schon seit Ewigkeiten einer der Besten der Welt, aber auch noch hungrig auf den Titel, den Real liebt.

    Die Blancos sind gerade dabei, eine beängstigend gute, junge Mannschaft aufzubauen. Zu den Spielern unter 23 Jahren gehören Bellingham, Camavinga, Vinicius Jr., Tchouameni und Rodrygo. Federico Valverde ist auch erst 24.

    Zwischen den beiden Brasilianern ist noch ein Platz frei. Dann wären das Mittelfeld und der Sturm für die kommenden fast zehn Jahre gesichert. Nur in der Abwehr muss sich Real langsam umschauen. Keeper Thibaut Courtois kann auch mit 31 Jahren noch lange spielen.

  • Kylian Mbappe PSG 2022-23Getty

    Real Madrid: Kylian Mbappé, die Antwort

    Zusammenfassend: Kane ist der kompletteste Stürmer in der Premier League und gilt als einer der fünf besten Angreifer der Welt. Außerdem hat man das Gefühl, dass er noch besser sein könnte, wenn er in einem Spitzenteam spielen würde. Tottenham würde viel Geld verlangen (über 100 Millionen Euro), aber Kane würde die Blancos sicherlich sofort zum Favoriten in LaLiga machen und sie wieder ins Gespräch für die Champions League bringen.

    Ein kleines Problem gibt es in der Causa Mbappé außerdem: Mit Vinicius verfügen die Königlichen bereits über einen echten Weltklasse-Linksaußen. Und der PSG-Stürmer hat deutlich gemacht, dass er nicht allzu gerne als Mittelstürmer aufläuft. Vinicius und Mbappé könnten den Drang verspüren, in die gleichen Räume zu laufen.

    Dennoch hat Mbappé den Vorteil, dass er Zeit hat. Trainer Carlo Ancelotti wird mehrere Umstellungen in dieser Mannschaft vornehmen und wahrscheinlich werden sie erneut fruchten. Bei Real bekommt der Franzose zudem endlich eine Top-Chance auf den größten Titel im europäischen Klub-Fußball - mit der Mannschaft und als Einzelspieler.

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