Jürgen Klopps Abschiedsankündigung als Grund für die Krise des FC Liverpool? Blödsinn!

Jürgen Klopp erlebte im März während des FA-Cup-Duells mit Manchester United (3:4 n.V.) zum ersten Mal, in dieser Saison, dass der FC Liverpool körperlich auf dem Zahnfleisch ging. Fünf Wochen später, bei der 0:2-Niederlage im Derby gegen Everton, war offensichtlich, wie erschöpft, auch mental, die Reds mittlerweile waren. Liverpool befand sich in der Premier League zwar noch immer im Titelrennen, doch einige Spieler schleppen sich nur noch durch die finale Saisonphase. Dass seine Spieler körperlich Probleme hatten, konnte Klopp ihnen gewiss verzeihen - aber nicht, dass sie nicht mehr ihr Bestes gaben.

"In Deutschland stimmen die Zuschauer Sprechchöre an, wenn sie mit der Mannschaft unzufrieden sind und meinen, dass sie nicht genug kämpft. Dann heißt es: 'Wir wollen euch kämpfen sehen'. Ich war kurz davor, das zu singen", gestand ein sichtlich verstörter Klopp nach der bitteren Pleite Everton.

"Das hat noch nie eine meiner Mannschaften gehört. Niemals. Ich habe noch nie gehört, dass jemand gesagt hat, mein Team hätte nicht gekämpft - weil meine Teams stets alles gegeben haben. Und jetzt heißt es: 'Wow, wie kann das passieren?'“

Einige Experten meinen zu wissen, warum Liverpool auf der Zielgeraden ins Straucheln geraten ist. Sie sind der Meinung, dass die Reds von dem Moment an, als Klopp seinen Rücktritt für den Sommer ankündigte, zum Scheitern verurteilt waren. Der 56-Jährige trage deshalb die Schuld an der sportlichen Talfahrt.

  • Jurgen Klopp Everton LiverpoolGetty

    Jürgen Klopp "geht die Energie aus" - und mittlerweile auch seinen Spielern

    Als Klopp am 26. Januar 2024 seinen vorzeitigen Abschied vom FC Liverpool verkündete, hatte das niemand kommen sehen. Die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Norwich im FA Cup (5:2) wurde ohne Erklärung verschoben. Kein einziger Reporter hatte auch nur die leiseste Ahnung, dass das Ende eines der größten Liverpooler Trainer aller Zeiten nahe war.

    Im Gegenteil, nach einer schwierigen Saison 2022/23 schien er wieder frisch und neu belebt durch die Herausforderung, sein nächstes großes Team aufzubauen. Das Projekt "Liverpool Reloaded" kam nicht nur gut voran, es lief sogar besser, als man erwarten konnte. Die Reds tanzten noch auf allen vier Hochzeiten.

    Klopp erklärte bei seinem Rücktritt jedoch, dass ihm die "Energie ausgeht". Weil es seiner Mannschaft nun ebenso geht, machen manche den Zeitpunkt seiner Ankündigung für eine enttäuschende Saison verantwortlich. Doch das ist Unsinn.

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  • Jurgen Klopp Liverpool 2024Getty Images

    Jürgen Klopp wollte auf einem Höhepunkt abtreten

    Klopp erklärte damals, dass seine Batterien noch voll aufgeladen seien, dass es ihm noch "absolut gut" gehe und dass er bereit sei, seine Arbeit mit Bravour zu Ende zu bringen. Er sei einfach zu dem unvermeidlichen Schluss gekommen, dass er nicht ewig in einer so anspruchsvollen Rolle weitermachen könne.

    Er hielt es daher für das Beste, sich auf einem Höhepunkt zu verabschieden. Es gab keine Anzeichen dafür, dass seine Kräfte nachließen, sondern nur das Eingeständnis, dass er sich in der nächsten Saison nicht mehr in der Lage sehe, weiterzumachen.

    Deshalb wollte er dem Verein so viel Zeit wie möglich geben, um sich auf seinen Abgang vorzubereiten und die schwierige Suche nach einem Nachfolger zu beginnen.

  • Jurgen Klopp Liverpool 2024

    Jürgen Klopp informierte Liverpools Bosse im November 2023

    Klopp wies auch darauf hin, dass er sich gezwungen sah, im Januar mit der Nachricht an die Öffentlichkeit zu gehen, da sein bevorstehender Abgang nicht lange geheim bleiben würde. Er war sogar überrascht, dass die Nachricht nicht bereits an die Presse durchgesickert war, da er seinen Arbeitgeber bereits im November 2023 informiert hatte.

    "In einer idealen Welt hätte ich bis zum Ende der Saison niemandem etwas gesagt, alles gewonnen und mich dann verabschiedet. Das ist aber nicht möglich", sagte er. "In der Welt, in der wir leben, ist es nicht möglich, solche Dinge geheim zu halten..."

    Klopp fuhr fort: "Es gibt so viele Dinge, die davon beeinflusst werden, vor allem persönliche Situationen. Die Leute aus meinem Trainerstab müssen frühzeitig Bescheid wissen - und vor allem der Verein muss frühzeitig Bescheid wissen und planen. Man kann vieles tun, wenn man es weiß, aber es nicht öffentlich macht. Aber die entscheidenden Dinge, viele Dinge, kann man nicht tun. Das heißt, der Verein braucht Zeit."

  • Jurgen Klopp West Ham Liverpool Premier League 2023-24Getty

    "Wegen Jürgen Klopp ist alles schiefgelaufen"

    Diese Logik wird nun von Leuten wie Gabriel Agbonlahor in Frage gestellt, der sein Geld ausschließlich mit derber Kritik verdient. "In dieser Saison ist wegen Klopp alles schiefgelaufen“, sagte der ehemalige Stürmer von Aston Villa gegenüber Razed.com. "Die Ankündigung so früh in der Saison zu machen, war die falsche Entscheidung."

    Klopp hat Liverpool, dem Verein und der Stadt, einen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt. Er hatte sich das Recht mehr als verdient, zu entscheiden, wann und wie er gehen möchte.

    Kein einziger Spieler hat behauptet, dass die Verkündung des Teammanagers zu einer Belastung wurde oder sich in irgendeiner Form (negativ) ausgewirkt habe. Vorerst hatte dies auch keinen negativen Einfluss auf die Ergebnisse.

    Wie der ehemalige Kapitän Phil Thompson in seiner Kolumne auf Paddy Power betonte, "hatten wir zwei Monate lang wunderbaren Fußball, nachdem er Ende Januar seine Ankündigung gemacht hatte." In dieser Zeit schaffte es ein von Verletzungen geplagtes Liverpool irgendwie, den Carabao Cup mit zahlreichen Jugendspielern in der Mannschaft zu gewinnen.

  • Jurgen Klopp Liverpool Chelsea League Cup 2023-24Getty

    Jürgen Klopps "schönster Pokalsieg" mit dem FC Liverpool

    Der Sieg im Wembley-Stadion gegen Chelsea (1:0) war unter den gegebenen Umständen wirklich eine außergewöhnliche Leistung. Die ohnehin schon ramponierte Startaufstellung - es fehlten Alisson Becker, Trent Alexander-Arnold, Dominik Szoboszlai, Mohamed Salah und Darwin Núñez - wurde durch die Auswechslung von Ryan Gravenberch in der ersten Halbzeit weiter geschwächt, während Wataru Endo trotz einer Verletzung weiterspielte. Letztlich musste er das Stadion mit Krücken verlassen.

    Klopp nannte den Triumph seinen "schönsten Pokalsieg" - wohl vor allem wegen der erschwerten Umstände und, weil es letztlich sein letzter Titel mit dem LFC bleiben wird.

    Während eines großen Teils der zweiten Saisonhälfte musste Klopp mit nur zwölf Profispielern auskommen. Seine Abwehr war ständig dezimiert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte er nicht einmal einen gelernten Linksverteidiger. Joe Gomez musste die Lücke füllen, so wie er es auch tat, als Liverpool im Februar ohne defensiven Mittelfeldspieler dastand.

    Erschwerend kam hinzu, dass selbst einige Stars nach ihrer Rückkehr von einer Verletzung nicht an ihre Bestform anknüpfen konnten. Besonders bitter ist die schwache Form des eigentlichen Schlüsselspielers Mohamed Salah.

    Die Verletzung von Joel Matip, die seine Saison im September 2023 beendete, wurde angesichts der folgenschweren Fehler Ibrahima Konatés und der Unerfahrenheit von Jarell Quansah immer kostspieliger.

    Auch Diogo Jota, der Salahs fehlende Tore wettmachen sollte, war lange verletzt oder außer Form.

  • Jurgen Klopp Liverpool 2023-24Getty

    (Zu) hohe Erwartungen bis zum März

    Doch der Zeitpunkt ist nicht für den sportlichen Absturz verantwortlich. Der Einsatz bestimmter Schlüsselspieler in bedeutungslosen Spielen ist weitaus kritischer zu hinterfragen. Beispielsweise das Auflaufen von Mohamed Salah, Andy Robertson, Dominik Szoboszlai, Wataru Endo und Darwin Núñez im Europa-League-Achtelfinal-Rückspiel gegen Sparta Prag, das 6:1 endete. Denn drei Tage später stand besagtes FA-Cup-Viertelfinale gegen Manchester United an, das Liverpool knapp in der Verlängerung verlor.

    Im Nachhinein könnte Klopp zu dem Schluss kommen, dass es für Liverpool besser gewesen wäre, sich ausschließlich auf die Premier League zu konzentrieren und einigen Spielern die Donnerstag-Sonntag-Schinderei zu ersparen. Liverpool hatte aufgrund eines Spielplans, den Klopp zu Recht als "verrückt" bezeichnete, weniger Ruhepausen als alle anderen Teams, so dass es unvermeidlich war, dass die Mannschaft am Ende erschöpft war.

    Bis zum März sah es allerdings nicht danach aus. Vor der verhängnisvollen Reise ins Old Trafford schien für Klopp und seine Spieler alles möglich zu sein. Trotz vielen Verletzten gewann der LFC seine Spiele.

    Doch das konnte nicht ewig so weitergehen. Verletzungen und die sinkende Fitness forderten schließlich ihren physischen und mentalen Tribut. Und so fühlt sich die Saison an wie eine Enttäuschung - obwohl die Erwartungen vor Saisonbeginn eher niedrig waren.

    Wenn Klopp sich etwas zuschulden kommen ließ, dann, dass er wieder einmal Zweifler zu Gläubigen gemacht hatte. Die Erwartungen wurden auf ein Niveau gehoben, das unmöglich erfüllt werden konnte - und das kann man ihm kaum vorwerfen.

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