Falsche Position und Schatten der Superstars: "Der talentierteste Spieler in der Mannschaft" sollte Real Madrid verlassen

Zunächst einmal ist festzustellen, dass niemand zu wissen scheint, welche Rodrygos beste Position ist. Das liegt daran, dass er nie wirklich die Chance hatte, auf dieser zu spielen. Vinicius Jr. ist auf dem linken Flügel gesetzt und wird es wohl auch eine lange Weile bleiben. Selbst wenn er nicht da ist, wechselt Mbappé auf die linke Seite. Ein Rodrygo auf derselben Spielfeldseite würde daher den Raum eng machen und ihn für die anderen einschränken.

Stattdessen bleibt er bei Madrid auf der rechten Seite. Er berührt den Ball für gewöhnlich seltener als Vinicius, Bellingham und Mbappé. Seine größte Stärke in wichtigen Spielen ist seine Bereitschaft, sich zurückfallen zu lassen und intelligent zu positionieren. Das ermöglicht es den Blancos, in einer 4-4-2-Formation zu verteidigen. Dadurch ist die rechte Seite deutlich weniger anfällig für Attacken des Gegners.

Rodrygo selbst hat in der Vergangenheit betont, dass seine Lieblingsposition die Zehn ist und dass er dort den größten Beitrag für das Team leisten kann. Diese Position bekleidete er für eine kurze Zeit hinter Karim Benzema, ehe dieser den Verein in Richtung Saudi-Arabien verließ. "Im 4-2-3-1 ist die Position hinter Benzema die, die mir am besten gefällt, und jeder weiß das. Ich spreche immer mit dem Trainer darüber. Natürlich kann ich auf allen Positionen spielen, aber auf dieser Position fühle ich mich am wohlsten" sagte Rodrygo in einem Interview mit GOAL.

Die Chance, auf seiner Lieblingsposition zu spielen, hat er seither nur selten bekommen. Dorival Jr. setzte ihn in der brasilianischen Nationalmannschaft als Nummer Neun ein, bevor auch er ihn auf den rechten Flügel schickte. Ein Offensivtrio Vinicius-Endrick-Rodrygo könnte bei der WM 2026 für gegnerische Verteidigungen zu einem Problem werden, aber dafür müsste Rodrygo einmal mehr auf die Linksaußen-Position verzichten.

Es gibt viele gute Gründe, warum es Spaß macht, Real Madrid beim Spielen zuzusehen. Da wäre zum einen Vinicius Junior mit seinen Finten, Dribblings und Laufwegen. Zum anderen Mbappé mit seinem Antritt und seinen unnachahmlichen Sprints. Oder auch Bellingham mit seinen Drehungen und seinem Passspiel. Doch auch Rodrygo ist wertvoll für das Team. Er ist ein überragender Dribbler und kann wie jeder klassische Flügelstürmer sowohl links als auch rechts spielen.

Auch seine Torjäger-Qualitäten werden unterschätzt, in den entscheidenden Momenten taucht er immer wieder auf. Bestes Beispiel dafür ist sein wichtiger Doppelpack im Achtelfinale der Champions League 2023 gegen den FC Chelsea. Auch im Champions-League-Halbfinale 2024 war er gegen Bayern München überragend. Im K.-o.-Spiel zuletzt gegen Manchester City steuerte er einen Assist bei.

Trotz alledem bleibt Rodrygo unterbewertet. Ancelotti muss in Madrid ein taktisches Luxusproblem lösen. Es ist kein leichtes Unterfangen, Vinicius, Mbappé, Rodrygo und Bellingham in einer Mannschaft zusammenspielen zu lassen. Seine Lösung dafür? Rodrygo auf der Bank zu lassen. Obwohl der Brasilianer während der gesamten Saison von schweren Verletzungen verschont geblieben ist, hat er nur die achtmeisten Minuten im ganzen Kader gespielt. In 17 Spielen stand er in der Startelf, dreimal weniger als Bellingham und siebenmal weniger als Federico Valverde. Oft schaut er von der Ersatzbank zu, während die großen Stars auf dem Feld stehen.

"Er ist derjenige, der sich am meisten aufopfert." Denn: "Seine Lieblingsposition ist auf der linken Seite. Es ist wichtig, dass jeder weiß, dass er eine Menge für das Team macht in der Defensive auf der rechten Seite", sagte Bellingham kürzlich.

In gewisser Weise ist es auch nachvollziehbar, warum Rodrygo hier der Außenseiter sein könnte. Vinicius und Mbappé sind beide Anwärter auf den Ballon d'Or und individuell absolute Weltspitze. Bellingham ist wahrscheinlich der wertvollste Spieler in der ganzen Mannschaft. Rodrygo ist für sich genommen hervorragend, aber er sticht nicht so sehr hervor wie die anderen drei. Das Ergebnis ist ein Fußballer, der vom allgemeinen Bewusstsein oft vernachlässigt wird.

Es ist wirklich schade, denn Rodrygo könnte selbst ein Weltstar sein, wenn er eine größere Rolle bekleiden würde. Im vergangenen Jahr war für ihn auf der Ballon d'Or-Shortlist kein Platz, worüber er sich in den sozialen Medien beschwerte.

Es gibt nur wenige Spieler auf der Welt, die so viel Qualität und Talent am Ball haben. Hinzu kommt, dass es auf seiner bevorzugten Position nur wenige Spieler - außerhalb von Real Madrid - gibt, die ihm das Wasser reichen können. Die Liste ist kurz. Namen wie Nico Williams, Luis Diaz und Khvicha Kvaratskhelia tauchen auf, an Rodrygos Talent kommen jedoch alle drei nicht ganz heran. So sind Diaz' Arbeitswille und Dribblings zwar exzellent, jedoch lässt sein Abschluss zu wünschen übrig. Williams ist gut im Eins-gegen-Eins, zeigt jedoch Schwächen im Stellungsspiel und der Defensive. Bei Kvaratskhelia hapert es oft am letzten Pass. Rodrygo hingegen kann all dies.

Rodrygo könnte in einer europäischen Top-Liga durchaus 20 Tore schießen und 10 Vorlagen geben. Eine schwerwiegende Verletzung von Vinicius oder Mbappé wäre zwar ein Problem, mit Rodrygo im Kader aber relativ verkraftbar.

Rodrygo unterzeichnete im November 2023 eine Vertragsverlängerung, die ihn bis 2028 an den Verein bindet. Da jeder Vertrag in LaLiga eine Ausstiegsklausel beinhalten muss, hat auch der 24-Jährige eine. Diese beträgt eine Milliarde Euro - eine Summe, die natürlich kein Verein der Welt aufbringen kann. So bleibt Rodrygo also nur die Option, einen Abgang zu erzwingen, falls er Real verlassen möchte. An Interessenten wird es wohl nicht mangeln.

Es herrscht die Meinung, dass er bei jedem Topteam in Europa gut aufgehoben wäre und wahrscheinlich auch als linker Flügelspieler spielen könnte. Barcelona ist natürlich kein Thema, aber vor allem der FC Bayern München, Liverpool und Arsenal könnten auf der linken Seite einen Spieler wie Rodrygo gut gebrauchen. Auch Manchester City würde wohl nicht Nein sagen.

Und vielleicht wäre das ja auch die beste Lösung für ihn. Klar, Rodrygo macht seine Sache in Madrid gut. Er wird gut bezahlt, von seinen Mannschaftskameraden geschätzt und wird wahrscheinlich für den Rest seiner Karriere mindestens eine Trophäe pro Jahr gewinnen. Es ist nichts verkehrt daran, ein Spieler zu sein, der jede Saison auf 25 Scorer-Punkte kommt und auch ohne Ball seinen Beitrag leistet. Und doch wirkt es so, als würde er einen Teil seines Potenzials verschwenden, wenn er Bellingham nur im Training Knoten in die Beine spielt.