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"Es muss an der Farbe des weißen Trikots liegen, dass man zunimmt": Real Madrids Transfer, den bis heute kaum jemand versteht

Es war eine Saison zum Vergessen für Real Madrid. Trotz eines Kaders voller großer Namen endete die Spielzeit 2008/09 in einem totaler Misserfolg, man beendete sie weit hinter dem Meister, der auch noch der FC Barcelona war. In der Champions League und der Copa del Rey schied der Edelklub jeweils früh aus.

In eine Saison, in der also jede Menge Sand im königlichen Getriebe war, passte ziemlich perfekt auch einer der rätselhaftesten Transfers der letzten Jahrzehnte!

Als Real den unspektakulären Außenverteidiger Julien Faubert von West Ham United verpflichten wollte, glaubten sowohl sein Berater als auch der Spieler selbst an einen Scherz. Man kann sich also die Reaktionen der Fußballfans auf dem ganzen Kontinent vorstellen, als der Nationalspieler Frankreichs und von Martinique als Neuzugang im Santiago Bernabéu vorgestellt wurde.

Was folgte, war kein einfacher Flop. Es war ein rätselhaftes und lustiges Debakel, zu dem auch versehentlich geschwänzte Trainingseinheiten und ein angebliches Einschlafen auf der Bank gehörten.

  • Der Deal

    Real Madrid hatte für die Saison 2008/09 einen ziemlich starken Kader zusammengestellt. Zu den Stars gehörten Sergio Ramos, Pepe, Fabio Cannavaro, Raul, Ruud van Nistelrooy, Iker Casillas, Marcelo, Arjen Robben, Gonzalo Higuaín, Wesley Sneijder, Guti, Gabriel Heinze und Javier Saviola.

    Trainer Bernd Schuster stand also unter dem Druck, die Ergebnisse der letzten Saison zu verbessern. Trotz des LaLiga-Titels war das Ausscheiden im Achtelfinale der Champions League 2007/08 gegen die AS Rom für die Vereinsführung und die Fans nicht erfreulich.

    Anfang Dezember lag die Saison für Madrid jedoch fast schon in Trümmern. Nach der 3:4-Niederlage gegen den FC Sevilla rangierte man auf einem indiskutablen fünften Tabellenplatz. Angesichts des bevorstehenden Clásicos gegen den FC Barcelona konnte man nichts riskieren - also entließ man Schuster und holte Coach Juande Ramos.

    Er schaffte zwar die Wende - allerdings erst nach der 0:2-Niederlage gegen Barça -, aber es war klar, dass der Kader im Januar 2009 noch verbessert werden musste. Und so wurde man auf dem Transfermarkt aktiv und verpflichtete Klaas-Jan Huntelaar von Ajax Amsterdam und Lassana Diarra vom FC Portsmouth.

    Doch das reichte offenbar nicht aus. Am letzten Tag des Transferfensters entschlossen sich die Verantwortlichen im Bernabéu, noch eine letzte Verpflichtung vorzunehmen: Sie holten Faubert von West Ham. Der Franzose kam zunächst auf Leihbasis für sechs Monate mit einer Option auf einen Dreijahresvertrag ab Sommer.

    Es war ein auf den ersten Blick verwirrender Transfer, aber auch eine Chance für den Rechtsverteidiger, sich zu beweisen und einen großen Schritt in seiner Karriere.

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  • Julien Faubert West Ham 2009Getty Images

    "Keine Zeit für diesen Blödsinn"

    Faubert war auch bei West Ham kein Phänomen. Nachdem er in seiner ersten Saison im Upton Park mit Verletzungen zu kämpfen gehabt hatte, pendelte er zwischen Stammformation und Ersatzbank. In der ersten Hälfte seiner unbeständigen Saison unter Alan Curbishley, der später durch Gianfranco Zola ersetzt wurde, stand er in 15 der 23 Premier-League-Spiele in der Startelf.

    Fauberts Berater Yvan Le Mee erzählte später die Geschichte: "Ich habe einen Freund in Spanien angerufen. Ich sagte: 'Hör mal, jemand von Real Madrid hat mich wegen Faubert angerufen. Das ist sehr seltsam.' Er rief den Sportdirektor an, um sich zu erkundigen, und rief mich zurück. 'Yvan, es ist wahr. Sie wollen dich morgen um 7 Uhr am Flughafen Heathrow sehen.'“

    Selbst Faubert war ungläubig. "Wir waren im Mannschaftsbus auf dem Weg zum Upton Park, um gegen Fulham zu spielen", sagte er Jahre später. "Ich erhielt einen Anruf von einem Franzosen von Real Madrid, der zu mir sagte: 'Hallo, ich arbeite für Real Madrid und wir müssen mit Ihnen sprechen.' Ich sagte ihm, dass ich mich auf ein wichtiges Spiel vorbereiten muss und keine Zeit für diesen Blödsinn habe. Ich schaltete mein Handy aus, wir spielten das Spiel, und nach dem Spiel schaltete ich mein Handy ein und sah etwa 30 Textnachrichten und 50 Sprachnachrichten. Da wusste ich, dass es ernst war."

    Der Verteidiger fuhr fort: "Also rief ich meinen Manager an und er sagte mir, dass wir mit Real Madrid sprechen müssen, weil sie in einem Hotel in Heathrow sind. Es war der letzte Tag des Transferfensters und wir fuhren hin und begannen zu verhandeln."

    Selbst als die Verhandlungen begannen, war nicht klar, ob Madrid Faubert wirklich haben wollte. Die Madrilenen hofften, Antonio Valencia verpflichten zu können, zögerten aber, Wigan Athletics Forderungen von über 30 Millionen Euro für den Ecuadorianer zu erfüllen. Trainer Ramos, der gerade von Tottenham Hotspur zurückgekehrt war, drängte darauf, Faubert zu verpflichten. Dieser hatte ihn im London-Derby beeindruckt.

    Bald darauf scheiterten die Gespräche mit Wigan wegen Valencia und Faubert blieb die letzte Option. Man einigte sich auf besagte Leihe.

  • Die Leistungen

    Selbst nachdem Real den Transfer offiziell machte, konnten es nur wenige glauben. Die Verblüffung über den Wechsel wurde perfekt durch die verwirrte Mimik von Real-Legende und Ehrenpräsident Alfredo Di Stefano widergespiegelt, der den Neuzugang vor der Presse vorstellte.

    Faubert hatte bei Girondins Bordeau dieselbe Jugendakademie durchlaufen wie Zinédine Zidane - aber niemand machte sich Illusionen, dass er bei den Blancos in die Fußstapfen seines Landsmanns treten würde.

    Der Außenverteidiger musste etwas mehr als eine Woche auf sein Debüt warten. Im LaLiga-Spiel gegen Racing Santander saß er auf der Bank und ersetzte Robben in den letzten 30 Minuten beim 1:0-Sieg der Madrilenen. Seine Leistung beeindruckte Trainer Ramos jedoch nicht. Es sollte über einen Monat dauern, bis er wieder randurfte - beim 5:2-Sieg gegen den Athletic Club aus Bilbao kam er erneut von der Bank und spielte 24 Minuten.

    Das war dann auch schon sein letzter Einsatz für Real - insgesamt 54 Minuten für die Leihgebühr von 1,5 Millionen Euro. So verpflichtete ihn Real natürlich nicht fest.

    "Ich hatte nicht die Gelegenheit zu zeigen, was ich auf dem Platz kann. Ich habe hart gearbeitet, aber Robben hat auf meiner Position gespielt. Ein Spieler, der in jedem Spiel Tore geschossen hat", sagte der rechte Schienenspieler Faubert.

  • FBL-EUR-C1-REAL MADRID-LIVERPOOLAFP

    Wie ging es weiter?

    Die Verwunderung über den Wechsel und sein Bank-Dasein in der spanischen Hauptstadt machten Faubert zur Lachnummer. Er wurde unter anderem dafür kritisiert, dass er nicht fit genug sei, um für das Weiße Ballett zu spielen. Faubert konterte: "Ich war nie ein schlanker Spieler. Ich war in Form. Es muss an der Farbe des weißen Trikots liegen, dass man zunimmt!“

    Es wurde nur noch schlimmer. Bei einem Spiel gegen Recreativo Huelva an einem Samstagabend im April 2009 wurde er nicht in den Kader berufen. Als die Mannschaft am nächsten Tag zum Training zusammenkam, erschien Faubert nicht - er dachte, dass er frei hätte.

    "Ich habe immer einen Spieler, der Englisch sprach, oder Lass Diarra gefragt, was anstand. Dieses Mal bin ich gegangen, ohne zu fragen. Das ging gegen mich", sagte er.

    Am Ende erhielt er eine Geldstrafe, auch wenn Ramos sie nicht allzu ernst nahm. "Der Junge hatte einen Lapsus, aber mehr nicht", sagte er. "Er dachte, dass der Sonntag ein freier Tag sei, wie es die natürliche Regel ist. Es war ein Ausrutscher, und es gibt kein Problem."

    Das Schauspiel nahm von da an noch zu und gipfelte darin, dass man sich über ihn lustig machte, weil er während eines Spiel gegen den FC Villarreal auf der Bank eingeschlafen zu sein schien. Faubert bestritt dies stets und meinte vielmehr, er sei nur "entspannt" gewesen.

    In der folgenden Woche, seinem letzten Spiel im Bernabeu, hielten die Fans ein Transparent hoch, auf dem zu lesen war: "Danke für alles, Faubert."

  • Was bleibt?

    Obwohl Ramos die Leistungen der Madrilenen in der Liga verbesserte, konnte er nicht verhindern, dass die Mannschaft im Achtelfinale der Champions League erneut ausschied in der Endabrechnung eine 0:5-Abreibung vom FC Liverpool kassierte. Auch in der heimischen Liga konnte seine Mannschaft ihre gute Form nicht halten, verlor die letzten fünf Spiele - darunter eine berühmte 2:6-Niederlage gegen den FC Barcelona - und landete am Ende neun Punkte hinter Pep Guardiolas Titelverteidiger.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte Faubert bereits jede Hoffnung verloren, noch einmal für den spanischen Meister zu spielen. Real zog seine Kaufoption natürlich nicht.

    Obwohl er keinen guten Eindruck hinterlassen hat, blickt Faubert mit einem Lächeln auf seine Zeit im Bernabeu zurück: "Ich habe viel gelernt, auch wenn ich nicht viel gespielt habe. Ich habe den Geist des Siegens gelernt", sagt er im Rückblick auf seine kurze Zeit. "Du spielst mit Jungs, die die Weltmeisterschaft und die Champions League gewonnen haben, aber sie wollen immer noch gewinnen. Selbst wenn sie gegen das Schlusslicht der Tabelle spielen, wollen sie gewinnen, sie sind nie siegesmüde."

    Ramos, der den Verein dazu gebracht hatte, den Außenspieler zu verpflichten, wurde im Sommer entlassen und durch Manuel Pellegrini ersetzt.

  • Julien Faubert Bordeaux 2014Getty Images

    Was passierte danach?

    Nach seiner merkwürdigen Zeit in Madrid kehrte Faubert nach London zurück und wollte seine Karriere bei West Ham auf ein neues Niveau heben. Unter Zola, der den Verein in Fauberts Abwesenheit auf den neunten Platz geführt hatte, wurde er sofort zu einem Schlüsselspieler.

    Der Franzose, der später zur Nationalmannschaft Martiniques wechselte, kam in 33 Spielen zum Einsatz, als die Hammers den Abstieg in die Championship mit fünf Punkten Vorsprung vermieden. In der darauffolgenden Saison unter Avram Grant und Kevin Keen belegten sie den letzten Platz und stiegen schließlich ab. Faubert durfte im Abstiegsjahr nur neunmal ran und hatte einen neuen Intimfeind.

    "Dieser Typ war so unsozial", sagte er über Grant. "Er hat nie mit uns gesprochen, er hat kaum die Trainingseinheiten geleitet, weil er immer in seinem Büro war, seine Motivation war beschissen und ich habe nichts von ihm gelernt ... Ich hatte kein gutes Verhältnis zu ihm, wir sind seinetwegen abgestiegen. In dieser Saison hat er so viele schlechte Entscheidungen getroffen."

    Trotz seiner Schwierigkeiten in jenem Jahr blieb Faubert, um West Ham beim Kampf um den Wiederaufstieg in die Premier League zu helfen, was dem Klub durch einen Sieg gegen Blackpool im Playoff-Finale gelang.

    Von da an begann eine seltsame Reise für Faubert, der London verließ, um sich Elazıgspor in der Türkei anzuschließen - aber nach einigen Monaten aus seinem Dreijahresvertrags entlassen wurde. Anschließend kehrte er zu seinem früheren Verein Bordeaux zurück, wo er bis zu seinem Abschied im Sommer 2015 regelmäßig zum Einsatz kam. Im Februar 2016 wechselte er zum schottischen Klub Kilmarnock. Es folgten Stationen in Finnland und Indonesien, bevor er zum Abschluss seiner Karriere als Assistent eines Spielertrainers in der vierten französischen Liga arbeitete.