Raphinha Barcelona 2024Getty

"Ein schlechter Witz": Im Sommer fast vom Hof gejagt und plötzlich verehrt - Wie Raphinha doch noch beim FC Barcelona ankam

Rivaldo, Romario, Ronaldo, Ronaldinho, Dani Alves, Neymar. Schon so manch großer brasilianischer Fußballer hat das Trikot des FC Barcelona übergestreift, hat diesen so besonderen Verein dabei mit geprägt. Es ist daher schon als riesige Wertschätzung zu werten, dass die renommierte spanische Zeitung Marca jüngst über Raphinha schrieb: "Der am meisten unterschätzte Brasilianer in der Geschichte von Barcelona."

Vorausgegangen war Raphinhas Gala-Auftritt beim 4:1-Sieg gegen den FC Bayern München in der Champions League. Drei blitzsaubere Tore waren dem 27-jährigen Offensivmann dabei gelungen. Seine Dynamik, seine Spielfreude und sein Mix aus brasilianischer Raffinesse und schnörkellosem Zug zum Tor begeisterten dabei ganz Fußball-Europa.

Noch erstaunlicher ist das, da man sich im vergangenen Sommer kaum vorstellen konnte, dass Raphinha in Barcelona überhaupt noch eine Zukunft haben würde. Eigentlich schien es darauf hinauszulaufen, dass er die Katalanen verlässt, noch bevor er nachhaltige Spuren hinterlassen konnte.

  • Raphinha sollte eigentlich gehen: "Ich dachte, es sei sein schlechter Witz"

    Fast jedes Transfergerücht, das sich mit möglichen Abgängen bei Barça beschäftigte, nannte unter anderem Raphinha. Er galt als so etwas wie der ideale Verkaufskandidat, um die bekanntlich arg klammen Kassen bei den Blaugrana wieder aufzufüllen: Langfristiger Vertrag bis 2027, brasilianischer Nationalspieler, Offensivmann mit potenziell spektakulärer Spielweise, Erfahrung in der Premier League. Man hätte sicherlich gutes Geld für Raphinha bekommen.

    Noch wahrscheinlicher war dessen Abschied, da rund um Barça im vergangenen Sommer ohnehin alles über Nico Williams sprach. Den spanischen EM-Star von Athletic Bilbao wollten Präsident Joan Laporta und Co. unbedingt verpflichten - und für Raphinha wäre dann in der Offensive natürlich etwas weniger Platz gewesen. Barcelonas Verantwortliche waren sich dem Vernehmen nach einig, dass Williams ein eindeutiges Upgrade gegenüber Raphinha gewesen wäre. Und die Fans sahen das zuweilen genau so.

    Der Post eines Anhängers, der Raphinhas Namen auf dem Trikot mit der Nummer 11 bereits mit Williams ersetzt hatte, ging sogar viral. Öffentlich gab sich der Brasilianer cool, reagierte darauf schlicht mit einigen lachenden Emojis. Doch im Inneren sah es anders aus, beschäftigte ihn die Ablehnung: "Ich dachte, es sei ein schlechter Witz. Es war respektlos", sagte er vor Kurzem zu dem entsprechenden Post. "Die Leute müssen die Spieler respektieren, die da sind. Wir geben unser Bestes und kämpfen für den Verein. Dann ein solches Foto zu sehen, war natürlich nicht schön für mich."

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  • Hansi Flick Raphinha Barcelona 2024Getty Images

    Raphinha: Mentale Probleme und schwierige erste Jahre in Barcelona

    Mittlerweile redet niemand mehr von Williams, stattdessen ist Raphinha in aller Munde. Dass es überhaupt so weit kam, dass viele Fans lieber Williams als Raphinha im Barça-Trikot gesehen hätten, liegt an den ersten beiden Jahren des Linksaußen in Barcelona.

    Nach zwei hervorragenden Spielzeiten bei Leeds United war Raphinha den Katalanen im Jahr 2022 rund 60 Millionen Euro wert gewesen. Dabei stachen sie unter anderem auch den FC Bayern München aus, der ebenfalls ein Auge auf ihn geworfen hatte, aber letztlich von der Ablösesumme abgeschreckt wurde. Doch in Barcelona konnte Raphinha zunächst nur hin und wieder sein in Leeds unter Beweis gestelltes Potenzial herüberretten, vereinzelte Top-Leistungen wurden von vielen durchschnittlichen Auftritten überschattet.

    Dass derlei Zeiten auch mental nicht spurlos an ihm vorüber gingen, gestand Raphinha vor einigen Wochen im Interview mit RAC1: "Wenn du eine Karriere im Fußball haben willst, darfst du nicht aufgeben. Ich hatte viele Gründe, das zu tun und mein normales Leben weiterzuleben. Es ist ein Beruf, der dich zerstört", erklärte er. "Es gab Momente, an denen ich nach Hause kam und keine Ahnung hatte, ob ich am Morgen wieder aufstehen und zum Training gehen würde." Er habe "eine Menge geweint, auch hier. Ich arbeite mit einem Psychologen, weil ich merke, dass das für jeden wichtig ist." Zudem mahnte Raphinha an: "Es ist sehr leicht, in eine Depression zu verfallen und alles einfach stehen und liegen zu lassen."

    Dass es rein sportlich gesehen für ihn nun deutlich besser läuft, liegt sicherlich auch in dem Trainerwechsel hin zu Hansi Flick im vergangenen Sommer begründet. Möglicherweise wäre Raphinha nicht mehr bei Barça, würde immer noch Xavi an der Seitenlinie stehen. Doch der Mann aus Porto Alegre betont, dass vor allem Veränderungen bei ihm selbst für den Umschwung verantwortlich sind: "Meine Mentalität zu Beginn dieser Saison war anders als in den vorherigen Jahren", so Raphinha jüngst. "Ich wusste, dass ich mich an eine neue Position gewöhnen muss, um hier zu spielen."

  • Raphinha Nico WilliamsGetty Images

    Barcelona-Trainer Hansi Flick weiß Raphinhas Qualitäten zu schätzen

    Was er damit meint: In seinen ersten beiden Barcelona-Jahren agierte Raphinha zumeist auf der rechten Außenbahn. Da diese Seite mittlerweile aber Hoheitsgebiet von Eigengewächs und Supertalent Lamine Yamal ist, kommt er inzwischen entweder auf links oder in einer zentralen Rolle hinter der Spitze zum Einsatz.

    Was Insidern dabei auffällt: Erstmals seit seiner Zeit in Leeds hat Raphinha wieder ständig ein Lächeln auf seinen Lippen. Und: Sein Selbstvertrauen kommt erstmals in Barcelona an jenes heran, das ihn in England so sehr ausgezeichnet hatte. In Zahlen ausgedrückt sind das 17 direkte Torbeteiligungen (neun Tore, acht Assists) in bisher 13 Saisoneinsätzen.

    Dass der neue Coach Flick seinen Anteil an Raphinhas Aufschwung hat, ist derweil klar ersichtlich. Der Brasilianer spürt das Vertrauen des früheren FC Bayern- und deutschen Nationaltrainers, der ihn trotz der ständigen Wechselgerüchte im vergangenen Sommer zu einem der Kapitäne der Mannschaft machte. Flick weiß ganz genau, was er an Raphinha hat: "Ich hatte noch nie einen Spieler wie Raphinha in meinen Teams. Er gibt immer alles und spielt mit seinem Herzen. […] Er lächelt immer", schwärmte er.

    Auch erwähnenswert: Nach seinem Dreierpack gegen die Bayern dachte Raphinha auch an Barças Fans, die ihn vor einigen Monaten teilweise noch vom Hof jagen wollten. "Für die Fans bedeutet es Rache, glaube ich", sagte er mit Blick auf bittere Niederlagen gegen Bayern in jüngerer Vergangenheit, allen voran das 2:8 im Champions-League-Viertelfinale 2020. "Wir Spieler dagegen schauen nicht auf die Vergangenheit. Für uns zählt immer nur das nächste Spiel", so Raphinha weiter. Und der nächste Halt hat es in diesem Fall in sich: Samstagabend, Madrid, Clasico bei Real. Ein weiterer Sahne-Auftritt von Raphinha würde ihn seinen brasilianischen Vorgängern bei Barça ein weiteres Stück näher bringen.

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