Real Madrid steht nach einem holprigen Start in die neue Klub-Weltmeisterschaft im Achtelfinale. Den zahlenmäßig größten Anteil daran haben aber nicht etwa die Superstars Jude Bellingham, Vinicius Junior oder Federico Valverde. Mit drei Scorerpunkten aus drei Gruppenspielen und in Abwesenheit von Kylian Mbappe avanciert Jungspund Gonzalo Garcia überraschend zum bislang herausragenden Spieler der Madrilenen.
Getty ImagesEin Problem erledigt sich gerade von alleine: Real Madrid wird bei der Klub-WM zu seinem Glück gezwungen
Gonzalo Garcia vertritt Kylian Mbappe exzellent
Wohl kaum jemand, der vor Beginn der Klub-WM einen Blick auf den 28-köpfigen Kader des spanischen Vizemeisters warf, hätte erwartet, dass ausgerechnet ein 21-Jähriger aus Reals zweiter Mannschaft eine solch zentrale Rolle beim Großereignis in den USA einnehmen würde. Vor allem nicht in einem Aufgebot, das mit Offensivstars wie Kylian Mbappe, Vinicius Junior oder Rodrygo gespickt ist – allesamt Spieler, die auf Garcias Positionen (Mittelsturm sowie Links- und Rechtsaußen) zum Einsatz kommen. Doch es genügte, dass einer dieser drei ausfiel, damit Garcia seine Chance bekam.
Mbappe – mit 45 Treffern in 62 Pflichtspielen Gewinner des Goldenen Schuh für Europas besten Torjäger – erkrankte kurz vor dem Auftaktspiel gegen Al-Hilal an einem Magen-Darm-Virus und stand seitdem noch keine einzige Minute auf dem Platz. Der Torgefahr der Königlichen tat das allerdings keinen Abbruch – vor allem dank Garcia.
Er war es, der mit seinem Tor beim 1:1-Unentschieden gegen Al-Hilal noch eine Blamage abwendete. Er legte Bellinghams Führungstreffer gegen CF Pachuca (3:1) auf. Und er war es auch, der mit einem feinen Lupfer beim 3:0 gegen RB Salzburg alles klar machte und das Ticket für die K.o.-Runde eintütete.
Während Fans und Experten angesichts seiner Leistungen staunen, zeigt sich Reals neuer Trainer Xabi Alonso gar nicht überrascht. "Ich hatte keine Zweifel an Gonzalo. Was er macht, ist keine Überraschung, zumindest nicht für ihn. Er hat das bei der Castilla (Reals zweite Mannschaft, d. Red.) schon häufig gezeigt", lobte ihn der 43-Jährige nach dem Salzburg-Spiel.
gettyGarcia trifft bei der Castilla wie am Fließband
Mit dieser Aussage spielte der frühere Leverkusener auf Garcias vergangene Saison an, in der der Angreifer beeindruckende Zahlen vorweisen konnte: In 36 Partien erzielte er 25 Tore und bereitete weitere vier vor. Damit führte Garcia die Torschützenliste der Primera Federacion – Spaniens dritthöchster Spielklasse – an und erspielte sich im Laufe der Saison sogar mehrere Nominierungen für den Kader der Profis. Schon in der begrenzten Spielzeit, die er vom damaligen Übungsleiter Carlo Ancelotti bekam (insgesamt nur 61 Pflichtspielminuten), konnte er sein Potenzial eindrucksvoll präsentieren: In LaLiga gelang ihm gegen den FC Sevilla ein Assist, in der Copa del Rey gegen CD Leganes sogar ein Treffer.
Um sich bei einem Verein wie Real Madrid durchzusetzen, braucht es jedoch deutlich mehr als solide 61 Minuten auf dem Rasen – vor allem, wenn man die Mittelstürmer-Position bekleidet und Spieler der Castilla ist. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt nämlich: Die Chancen, dass ein Stürmer-Eigengewächs den Sprung in die erste Mannschaft schafft, stehen eher schlecht - im vergangenen Jahrzehnt gelang dies nur Borja Mayoral (33 Einsätze) und Mariano Diaz (84 Einsätze, die meisten allerdings erst nach seiner Rückkehr aus Lyon). Und auch das nur kurzfristig. Der Rekord-Champions-League-Sieger folgt vielmehr dem Win-now-Prinzip und investiert - egal ob Cristiano Ronaldo, Karim Benzema oder eben Mbappe - gigantische Summen für die Premiumposition im Angriff.
gettyIn drei Spielen vom Verkaufskandidaten zum verspäteten Joselu-Ersatz?
Trotz Garcias Traumsaison im Trikot der zweiten Mannschaft dürfte es jedoch kaum überraschen, dass Real Madrid offenbar ursprünglich plante, ihn im Sommer zu verkaufen. Dem Vernehmen nach waren rund zehn Millionen Euro an Ablöse eingeplant. Zu einem Zeitpunkt sollen auch mehrere Mannschaften aus der Bundesliga an Garcia interessiert gewesen sein. Kommt nun alles anders?
Durch seine überzeugenden Auftritte bei der Klub-WM soll laut dem spanischen Radiosender Cadena COPE ein Umdenken im Verein eingesetzt haben. Vor allem Alonso habe sich als klarer Befürworter des Stürmers positioniert. Die Königlichen suchen nämlich weiterhin nach einem Backup für Mbappe. Ursprünglich war ein Spielertyp a la Joselu gefragt – robust, kopfballstark, ein klassischer Strafraum-Brecher. Dieser verließ den Klub vor einem Jahr und wurde seither nicht adäquat ersetzt. Inzwischen scheint man jedoch bereit, das Anforderungsprofil wegen Garcia anzupassen.
Der 1,82 Meter große Angreifer bringt andere Qualitäten als Joselu mit: Er ist variabel einsetzbar, lässt sich oft ins Mittelfeld fallen oder weicht auf die Flügel aus. Statt eines Zielspielers verkörpert er eher den mitspielenden Stürmer. Darüber hinaus überzeugt er mit Kopfballstärke und einem ausgeprägten Torriecher. Alonso weiß genau diese Eigenschaften zu schätzen und würde deswegen Garcia gerne im Kader behalten, heißt es.
AFPAlonso: "Er hat in seinen Bewegungen Raul-Qualitäten"
Alonso ging sogar so weit und verglich den zehnmaligen spanischen U19-Nationalspieler mit Vereinsikone Raul: "Er ist die typische Nummer 9. Er versteht es, auf seine Chance zu warten, bewegt sich gut. Ich freue mich sehr für ihn. Er hat in seinen Bewegungen Raul-Qualitäten."
Inzwischen befindet sich Mbappe auf dem Weg der Besserung und könnte beim Achtelfinale gegen Juventus Turin am Dienstag (1. Juli) sogar wieder in der Startelf stehen – und damit Garcia verdrängen. Sollte es dazu kommen, hat Garcia dennoch bei vielen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und dürfte in der Hierarchie bei Real Madrid, wo er bis 2027 einen gültigen Vertrag hat, einige Stufen nach oben geklettert sein. So leicht wird er von der großen Bühne also wohl nicht mehr zu verdrängen sein. Sei es in Madrid oder doch woanders.

