HINTERGRUND
Gabriel Barbosa ist in diesem Sommer bei den Fans von Inter Mailand wieder ein großes Thema. Der brasilianische Stürmer, der 2016 zu den Nerazzurri wechselte, steht dabei gar nicht mehr im aktuellen Kader des Klubs, sondern ist an den FC Santos verliehen. Und doch fällt der Name "Gabigol" immer wieder, allerdings als abschreckendes Beispiel einer verfehlten Transferpolitik, die Inter nun allem Anschein nach hinter sich gelassen hat.
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Knapp 30 Millionen Euro zahlten die Mailänder vor zwei Jahren für Gabriel Barbosa – und seine Gegenleistung bis zum heutigen Tag beschränkt sich auf ein mickriges Tor in der Serie A. Schnell stellten die Verantwortlichen bei den Italienern fest, dass das Talent aus Südamerika für einen Einsatz in der Liga eigentlich nicht in Frage kommt und dass sie damit die Transfersumme zu einem riesigen Teil in den Sand gesetzt hatten. "30 Millionen Euro für ihn gezahlt zu haben, war so, als hätte man das Geld aus dem Fenster geworfen", schrieb das Internetportal calciobidone.it, das traditionell den schlechtesten Spieler der Liga mit einer Negativ-Auszeichnung würdigt. Für das Jahr 2017 ging sie an Gabriel Barbosa.
Inter-Sinneswandel bei den Investitionen
Im Sommer 2016 hatte die Suning Group aus China den Klub übernommen – und wollte zum Antritt gleich ein Zeichen setzen: Um 140 Millionen Euro überstiegen die Ausgaben damals die Einnahmen auf dem Transfermarkt und "Gabigol" blieb nicht der einzige teure Flop, denn auch der Portugiese Joao Mario, der für 40 Millionen Euro von Sporting geholt wurde, erfüllte die Erwartungen nicht.
Zwei Jahre später zeigt sich vor allem an den Zahlen der Sinneswandel bei Inter: In diesem Sommer hat der Klub bislang sechs Millionen Euro mehr eingenommen als ausgegeben – und trotzdem sind alle Mailänder Fans mit den Geschäften ihres Vereins hochzufrieden. Natürlich ist es der Stimmung zuträglich, wenn die Erwartungen nach turbulenten Zeiten nicht sonderlich groß waren – und mit dem Erreichen des vierten Tabellenplatzes in der Vorsaison übertroffen wurden. Natürlich hilft es, wenn es nach Zeiten der ständigen Trainerwechsel mit Luciano Spalletti nun einen Coach gibt, der nicht ständig Diskussionen auslöst, ob er der richtige Mann am richtigen Ort ist.
Aber am meisten sorgt bei den Inter-Fans das Gefühl für gute Laune, dass endlich mit der Mannschaft um Sportdirektor Piero Ausilio Leute im Management tätig sind, die einen Plan haben und ihn konsequent verfolgen. Und dieser Plan lautet: Spieler holen, die ein Schnäppchen sein könnten. Und Spieler holen, die sich in der Serie A bereits bewiesen haben. Einkäufe von hochgehandelten Talenten aus dem Ausland als reines Statement, siehe Gabriel Barbosa, sind bei Inter aktuell Geschichte.

Mit dem Argentinier Lautaro Martinez ist zwar auch ein 20-jähriger Mittelstürmer dabei, für den Inter die erste Auslandsstation ist, doch er kostet mit 16 Millionen Euro gerade einmal die Hälfte eines "Gabigol". Mit der Verpflichtung von Radja Nainggolan von der Roma beeindruckten die Nerazzurri die eigenen Fans, die sich erfreut fragten, warum der Liga-Konkurrent seinen Leistungsträger und Stammspieler abgeben wollte. 38 Millionen Euro kostete der Belgier – und doch passt die Transferbilanz bei Inter trotz dieser Großinvestition. "Er ist das Teil, das unserem Motor noch gefehlt hat", sagte Trainer Spalletti über Nainggolan, mit dem er schon bei der Roma zusammengearbeitet hatte.
De Vrij und Asamoah kommen ablösefrei
Über den Nainggolan-Coup freuen sich die Fans, aber es sind vor allem die anderen Neuen, die von den Tifosi als Schnäppchen-Deals gefeiert werden: Von Lazio kam Stefan de Vrij und von Meister Juventus Kwadwo Asamoah – und beide kosteten keinen einzigen Cent. Ablösefrei sicherte sich Inter zwei gestandene Serie-A-Profis, die nun mithelfen können, dass es mit dem Klub in der Tabelle noch weiter aufwärts geht.
Noch erstaunlicher als die Tatsache, dass der Mailänder Klub sein Team ohne die riesigen Ausgaben der Vorjahre dennoch verstärken konnte, ist, dass die Einnahmen auf dem Transfermarkt noch höher sind, obwohl keine Leistungsträger abgegeben werden mussten. Der ohnehin verliehene Geoffrey Kondogbia bleibt für 25 Millionen Euro in Valencia und gleich sieben Ergänzungsspieler und Ladenhüter wurde Inter für Beträge zwischen 4,5 und 10 Millionen Euro los.

Lautaro Martinez ist die große Hoffnung im Inter-Sturm - für die Hälfte des Gabigol-Preises
Eine neue Bescheidenheit ist bei Klub eingekehrt – und gleichzeitig ist die Euphorie bei den Fans so groß wie lange nicht mehr. Eine Idealsituation für den Verein, die er möglichst lange konservieren sollte, um wieder Erfolg zu haben. Auf die kritischen Stimmen von Leuten, die das Konzept von Ausilio, Spalletti und Co. nun zu bescheiden finden, sollte Inter nicht hören. So wie auf die von Marco Tronchetti Provera, dem Boss des Inter-Hauptsponsors Pirelli. Der hatte in der vergangenen Woche seine Hoffnung geäußert, dass die Suning Group nun endlich das Geld zur Verfügung stellt, damit die Nerazzurri keinen Geringeren als Lionel Messi verpflichten können, um nach dem Ronaldo-Deal von Juve nachziehen zu können.
Früher hätte solch eine Aussage schnell für einen Flächenbrand bei Inter gesorgt. Vor dem Hintergrund der neuen Bescheidenheit verhallten die ambitionierten Forderungen des Sponsors aber einfach ohne Nachklang. Auch das ist neu bei Inter Mailand – und ein richtig gutes Zeichen.


