Reinhard Grindel 15042016Getty Images

Herbstwendung im Sommermärchen-Skandal: Den früheren DFB-Bossen Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger wird nicht der Prozess gemacht


HINTERGRUND

Die Aufarbeitung des Sommermärchen-Skandals hat eine überraschende Herbstwendung genommen - den früheren DFB-Bossen wird nicht der Prozess gemacht. Das Landgericht Frankfurt/Main hat am Montag die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach (67) und Theo Zwanziger (73) sowie den langjährigen Generalsekretär Horst R. Schmidt (76) im Zusammenhang mit der Affäre um die Vergabe der WM 2006 abgelehnt.

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Die 2. Strafkammer sah mit Blick auf die Steuerhinterziehungsklage gegen die drei ehemalige Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) keinen hinreichenden Tatverdacht. Das gilt auch für den ehemaligen Generalsekretär des Weltverbandes FIFA, den Schweizer Urs Linsi (69).

"Ich habe immer betont, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe völlig haltlos sind. Jetzt bin ich einfach nur sehr erleichtert", sagte Niersbach dem SID. Nicht ganz so euphorisch äußerte sich Zwanziger: "Die Entscheidung ist gut und sachgerecht." Schmidt ließ über seine Anwälte eine Erklärung verbreiten "Wie die Verteidigung bereits vom ersten Tag der Ermittlungen – vor drei Jahren – vorgetragen hat, hat Herr Schmidt sich zu keinem Zeitpunkt strafbar gemacht", hieß es darin: "Damit bleibt es dabei: Das Sommermärchen 2006 war die beste WM aller Zeiten."

DFB: Schwere Vorwürfe der Steuerhinterziehung gegen Zwanziger, Niersbach und Schmidt

Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Woche Zeit, um Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main einzulegen. Ob sie diesen Schritt gehen werden, ließen die Strafverfolger offen. Die Staatsanwaltschaft wolle erst den Beschluss des Landgerichts prüfen, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen dem SID.

Die Staatsanwälte werfen Zwanziger, Niersbach und Schmidt schwere Steuerhinterziehung vor. Die drei besaßen führende Posten im Organisationskomitee (OK) der WM 2006. Linsi wird bezichtigt, Beihilfe zu der Straftat geleistet zu haben. Insgesamt sollen die Beschuldigten rund 13,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben. Die vier Beschuldigten hatten beantragt, die Anklage nicht zuzulassen - und waren damit erfolgreich.

Freude über den Beschluss des Landgerichts herrscht auch beim DFB. Der Verband erhielt durch die Entscheidung Rückenwind in seinem Steuerstreit mit dem Finanzamt. "Wir sehen uns durch die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt in unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass es sich bei den 6,7 Millionen Euro um eine Betriebsausgabe handelt", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel: "Wir hoffen, dass es nunmehr gelingt, möglichst schnell Rechtssicherheit im Besteuerungsverfahren herzustellen und die Frage der Gemeinnützigkeit für den betreffenden Zeitraum abschließend zu klären."

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DFB hofft auf Rückzahlung von Strafen

Die Ermittler der Staatsanwaltschaft waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die drei ehemaligen DFB-Funktionäre gemeinschaftlich handelnd eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung des DFB für das Jahr 2006 zu Unrecht als Betriebsausgabe deklariert und damit gewinnmindernd geltend gemacht hätten. Das war das Resultat der knapp dreijährigen Ermittlungen, deren Auslöser ein Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel im Oktober 2015 über dubiose Geldflüsse war.

Der Verband hatte die 6,7 Millionen 2005 als Kostenbeitrag zu einer WM-Gala verbucht, die aber nie stattgefunden hat. Das Geld diente mutmaßlich zur Rückzahlung eines Darlehens an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Exakt diese Summe war drei Jahre zuvor offenkundig in Form von Vorleistungen von Franz Beckenbauer und Louis-Dreyfus an den früheren FIFA-Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam nach Katar geflossen. Gegen diese Version wehren sich die Beschuldigten.

Das Finanzamt Frankfurt/Main hatte vor einem Jahr entschieden, dass die 6,7 Millionen vom DFB an Louis-Dreyfus steuerlich "unzutreffend" behandelt worden seien - und verhängte eine Strafzahlung in Höhe von 19,2 Millionen Euro. Der DFB, der seine Führungsspitze inzwischen komplett ausgetauscht hat, beharrt weiterhin darauf, die Zahlung sei betrieblich veranlasst gewesen. Diese Ansicht wurde nun vom Landgericht geteilt. Da auch der Status der Gemeinnützigkeit des DFB vom Gericht nicht angezweifelt wird, darf der Verband auf die Rückzahlung der Strafe hoffen.

Wegen WM-Affäre: DFB macht erstmals Verluste

Die Steueraffäre um die WM 2006 hatte ein großes Loch in die DFB-Kasse gerissen. Für das Finanzjahr 2017 weist der Verband erstmals einen Verlust auf - exakt 20,263 Millionen Euro. Insgesamt hatte die Steuernachzahlung eine Höhe von 22,57 Millionen Euro. Der DFB hat bereits gegen die geänderten Steuerbescheide Rechtsmittel eingelegt.

Wie die Welt zuletzt berichtete, hat die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Millionenkredit für Beckenbauer offenbar keine Hinweise auf einen Stimmenkauf oder eine Verwendung für die WM gefunden. Das geht aus den Ermittlungsunterlagen vor, die der Zeitung vorliegen. Die Staatsanwaltschaft geht demnach davon aus, dass das Darlehen privat eingesetzt wurde.

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