Tayfun KorkutGetty Images

VfB Stuttgart: Gebt Tayfun Korkut eine Chance!


KOMMENTAR ZU TAYFUN KORKUT

Am Montagnachmittag prasselten sie nur so nieder auf den Facebook-Account des VfB Stuttgart: wütende Kommentare, ratlose Meinungsäußerungen und auch Beleidigungen wüster Art. "Ihr habt doch Lack gesoffen", war in einem der Top-Comments zu lesen. "Wollt Ihr uns komplett verarschen", in einem anderen. Oder auch in Richtung Sport-Vorstand Michael Reschke: "Du A********!" Der Grund: Am Nachmittag hatte der VfB Tayfun Korkut als neuen Trainer vorgestellt, und somit den geschassten Hannes Wolf ersetzt. 

Der Tenor der Kommentierenden: Korkut sei die denkbar schlechteste Wahl, seine Installation als neuer starker Mann in Stuttgart Armutszeugnis und eklatante Fehlentscheidung gleichermaßen. Der gebündelte Unmut des Stuttgarter Anhangs offenbarte zweierlei: Zum einen, dass unreflektiert ein Trainer als "unfähig", "Pfeife"´, "Abstiegsgarant" oder gar "Huren****" betitelt wird, dessen in der Tat bisher dürftige Erfolge als Chefcoach immer auch Produkt der Umstände waren. Und zum anderen, dass in Stuttgart die Nerven völlig blank liegen. Dabei hat Korkut eine Chance verdient!

Korkut bei Hannover mit guten Ansätzen

Denn mit dem 43-Jährigen hat man eine Lösung geholt, die taktisch geschult genug ist, um Wolfs gute Ansätze weiterzuverfolgen oder gar auszubauen. Der Türke genoss schließlich eine hervorragende Trainer-Ausbildung, arbeitete einst als Trainer der Stuttgarter U19, kennt also den VfB bereits. Bei Hannover bewies er, dass er für Stabilität sorgen kann, wenn man ihm ein wenig Zeit gibt. Zwischenzeitlich blieben die Niedersachsen neun Spiele in Folge ungeschlagen. In der Saison 2013/14 übernahm er 96 zur Winterpause, in der Rückrunden-Tabelle belegte sein Team Platz neun, man schlug Wolfsburg oder Gladbach (die Wölfe wurden letztlich Fünfter, Gladbach Sechster). 

Artikel wird unten fortgesetzt

Sicher, in der Saison 2015/16 stieg Hannover am Ende als Letzter ab. Dazu muss gesagt werden, dass Lars Stindl zu Beginn der Saison ging, das Herzstück der Mannschaft. Auch Torgarant Joselu (neun Tore in 24 Spielen) und Leonardo Bittencourt verließen den Verein, es entstand ein großes Loch in der Offensive, das Neuzugänge wie Uffe Bech oder Mevlüt Erdinc nicht schließen konnten. Am 20. April wurde Korkut entlassen. 

Tayfun Korkut Kaiserslautern 29082016

Korkut tickt ähnlich wie Wolf

"Bei meinem Antritt steckten wir in einer schwierigen Lage. Ich habe dann einen Neuaufbau eingeleitet, der auch fruchtete", lautet Korkuts treffendes Fazit seiner Zeit in Hannover. "Am Ende kam eine Phase, in der die Konstanz fehlte." Ebenjene zu implementieren ist nun sein Ziel beim VfB. Dort wurde nur ein einziges Spiel der letzten acht gewonnen, die Lage ist prekär. Nun aber einen taktisch sehr gut ausgebildeten Mann zu verteufeln, ihm jegliche Klasse abzusprechen, zeugt von fehlendem Wissen und von der Tatsache, wie schnell man sich im Internet beleidigen lassen muss.

Dabei kann Korkut mit jungen Spielern arbeiten, tickt in gewisser Hinsicht ähnlich wie Wolf. Er hatte bei Leverkusen die große Bürde, das taktische Vermächtnis des Roger Schmidt anzutreten, ein Erbe, das Zeit braucht, ist Schmidt doch ein radikaler Taktiker, dessen Schaffen Vielseitigkeit in der Folge lange blockierte. Ein "Unfähiger", eine "Pfeife" ist Korkut keineswegs. Das hat er bereits bewiesen. 

Korkut hat eine Chance verdient

Gebt Korkut eine Chance, liebe Fans des VfB Stuttgart! Oder übt Kritik, die vielschichtiger ist als das schnelle Tippen einer Beleidigung, die aufgrund der Anonymität des Internets und der Kraft der Masse ganz schnell jedes Maß verliert. Dass das taktische Verständnis, das Korkut mitbringt, Andreas Hinkel oder auch Cacau, die beide von einigen Fans gefordert wurden, fehlt, wird ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass Korkut bei Hannover sehr wohl eine klare Idee verfolgte. 

Stuttgart hätte gleich Matthäus holen können, schrieb einer der Kommentierenden, Korkut sei der schlechteste Trainer der Welt, ein anderer. Man kann die gewagte Entscheidung der Verantwortlichen durchaus kritisieren - Korkut bereits vor seinem ersten Arbeitstag sein Scheitern zu prophezeien oder gar persönlich anzugehen, ist dagegen nicht nur unfair, sondern auch unverständlich. 

Werbung