Thomas Tuchel PSG Angers Ligue 1 02102020Getty

Thomas Tuchel entlassen: Fragen und Antworten zum Trainerbeben bei PSG


HINTERGRUND

Seit Heiligabend weiß Thomas Tuchel, dass er nicht mehr länger Trainer von Paris Saint-Germain ist. Die offizielle Bestätigung der Trennung steht aber noch immer aus. Auf einer erst am Sonntag publizierten Bildergalerie auf der PSG-Website mit den besten Bildern des Jahres 2020 lacht einem als Einstiegsbild ein sehr ausgelassen wirkender Thomas Tuchel am Trainingsgelände des amtierenden Champions-League-Finalisten und französischen Serienmeisters entgegen. 

Wenn man es nicht besser wüsste – und etwa Superstar Kylian Mbappe den Ex-Trainer nicht schon via Instagram respektvoll verabschiedet hätte – man könnte fast meinen, es wäre nichts gewesen. Goal und SPOX beantworten die Fragen zur Trennung zwischen PSG und dem deutschen Trainer. 

1. Wieso hat PSG die Trennung noch nicht offiziell gemacht? 

Nach Informationen von Goal und SPOX  haben sich Tuchel und Paris Saint-Germain grundsätzlich bereits über die Höhe der Abfindung geeinigt. Tuchel, dessen Vertrag im Sommer 2021 ausgelaufen wäre, soll für die vorzeitige Vertragsauflösung sechs Millionen Euro erhalten. Das reguläre Jahresgehalt des Trainers wird auf rund 7,5 Millionen Euro geschätzt. 

Vermutlich wegen der Weihnachtsfeiertage ziehen sich aber die umfangreichen Formalitäten rund um die Vertragsauflösung hin. Nach Informationen der Bild am Sonntag soll die offizielle Trennung bis Jahresende erfolgen. Am 6. Januar spielt PSG in der französischen Ligue 1 in Saint-Etienne. Der Trainingsauftakt nach den Weihnachtsferien war für den 3. Januar geplant – PSG spielte 2020 praktisch durch, unmittelbar nach dem CL-Finale von Lissabon stand für die Pariser schon das erste Saisonspiel in der Ligue 1 an. 

2. Wie lief die Trennung von Tuchel ab? 

Am Mittwoch gewann PSG mit Tuchel an der Seitenlinie noch locker 4:0 gegen Racing Straßburg, an Heiligabend berichteten zuerst Bild, Sky und die französische Sport-Tageszeitung L'Equipe übereinstimmend über die Trennung. Sportchef Leonardo (51) soll Tuchel demnach unmittelbar nach dem Spiel über sein Aus informiert haben. Der Ex-Trainer von Mainz 05 und vom BVB soll die Trennung sehr emotional aufgenommen haben, es soll laut geworden sein im Kabinentrakt. 

3. Was sind die Hintergründe der Trennung? 

Der Zeitpunkt und die Umstände der Trennung überraschen zwar. Doch Tuchels Aus in Paris hatte sich abgezeichnet – und zwar weniger aus sportlichen Gründen. In den zweieinhalb Jahren unter Tuchel wurde das Star-Ensemble um Neymar und Mbappe zweimal französischer Meister, gewann den französischen Pokal und Ligapokal. 

Mbappe Tuchel 2020GettyQuelle: Getty Images

Den auch von den katarischen Klub-Eigentümern sehnsüchtig erwarteten CL-Triumph konnte aber auch Tuchel nicht liefern. Im Champions-League-Finale 2020 unterlag PSG knapp mit 0:1 dem FC Bayern München. 

Zuletzt beklagte sich Tuchel über die überzogene Erwartungshaltung an der Seine. "Es hat ein Spiel gefehlt zum Champions-League-Sieg. Und wir hatten nie so sehr das Gefühl, dass wir die Leute jetzt auch mal überzeugt haben und sie unsere Leistung anerkennen. Es macht einen auch manchmal ein bisschen traurig oder sauer", sagte Tuchel bei Sport1. Und ergänzte: "Hier ist auf jeden Fall eine extreme Erwartungshaltung im Klub und im Umfeld. Da hat man schon das Gefühl, dass die Wertschätzung dafür – gerade in der Liga – nicht so da ist." 

Womöglich hätte jedoch auch der Gewinn des Henkelpotts Tuchel nicht langfristig das Amt retten können. 

Zum Verhängnis wurde Tuchel letztlich sein Dauer-Streit mit Sportchef Leonardo. Der 51-Jährige war 2019 – ein Jahr nach Tuchel – zu PSG gekommen. Für den Brasilianer war es eine Rückkehr, bereits von 2011 bis 2013 war er als Sportdirektor für den Klub tätig gewesen, bei dem er 1996/97 auch bereits als Spieler aktiv gewesen war. 

Im Verhältnis zwischen Tuchel und Leonardo soll es von Beginn an geknirscht haben, in dieser Saison traten die Differenzen aber auch regelmäßig öffentlich zu Tage. 

Als Tuchel nach dem Champions-League-Finale und den Abgängen von Kapitän Thiago Silva, Stürmer Edinson Cavani und Thomas Meunier Verstärkungen für den Kader anmahnte, wies ihn Leonardo öffentlich scharf zurecht. Auch die katarischen Eigentümer sollen nicht uneingeschränkt glücklich mit Tuchel gewesen sein. 

In der aufgrund der vielen Superstars als sehr kompliziert geltenden Mannschaft soll Tuchel aber gut angekommen sein, die respektvolle Verabschiedung von Mbappe unterstreicht dies. "So ist leider das Gesetz des Fußballs, aber niemand wird Ihre Zeit hier vergessen. Sie haben ein gutes Kapitel in der Geschichte des Klubs geschrieben, und ich danke Ihnen", schrieb Mbappe auf Instagram

4. Wer wird Tuchels Nachfolger bei PSG? 

PSG soll sich bereits mit dem früheren Tottenham-Trainer Mauricio Pochettino grundsätzlich auf einen Zweijahresvertrag mit der Option auf ein weiteres Jahr für die Nachfolge von Tuchel geeinigt haben. 

Pochettino TuchelGettyQuelle: Getty Images

Pochettino (48) ist seit seiner Entlassung bei den Spurs 2019 ohne Job und galt einst etwa auch bei Bayern München als Kandidat auf die Nachfolge von Jupp Heynckes. Pochettino verfügt in Paris über Stallgeruch, er absolvierte von 2001 bis 2003 70 Spiele als Verteidiger für PSG. 

"Mir gefällt die Idee, dass ein Ex-Spieler zurückkommt, weil er schon zur Familie gehört. Wie Leonardo bringt er die richtigen Fähigkeiten mit und muss sich das Vertrauen im Klub nicht erst erarbeiten", sagte Pochettinos früherer PSG-Mitspieler Didier Domi Le Parisien. 

5. Was passiert mit Tuchels Co-Trainern? 

Nach Informationen von Goal und SPOX  müssen auch Tuchels Co-Trainer Zsolt Löw und Arno Michels den Verein verlassen, da Pochettino seinen eigenen Staff mitnehmen will. Co-Trainer sollen der Argentinier Miguel D'Agostino und der Spanier Jesus Perez werden, Torwarttrainer der Spanier Toni. 

Laut Le Parisien könnte Pochettino quasi als Einstiegsgeschenk die Kaderverstärkungen bekommen, die Tuchel verwehrt wurden. Im Gespräch als Wintertransfers sind zwei offensive Mittelfeldspieler, mit denen der Trainer schon bei Tottenham zusammenarbeitete: Dele Alli (24), der bei den Spurs nicht mehr richtig zum Zug kommt, und der bei Inter Mailand in Ungnade gefallene Spielgestalter Christian Eriksen (28). 

6. Was ist das wildeste PSG-Gerücht? 

Die französische Tageszeitung Le Parisien berichtet sogar, dass Pochettino auch deswegen als Nachfolger von Tuchel geholt werden soll, um Superstar Lionel Messi einen Wechsel an die Seine schmackhaft zu machen. Angeblich soll sich Messi einst beim FC Barcelona für Pochettino als Coach starkgemacht haben. 

Klar ist: PSG gehört zu den wenigen Vereinen, die Messis Gehalt stemmen könnten. Der Traum von Messi im PSG-Trikot ist zudem mindestens so alt wie die katarische Eigentümerschaft des französischen Serienmeisters. Erst Mitte Dezember dementierte Messis Vater Jorge, sich mit PSG-Vertretern getroffen zu haben. 

Lionel Messi/PSG compositeGetty/GoalQuelle: Getty Images

Nach Informationen von Goal und SPOX  hat bislang noch kein Klub Kontakt zu Messi wegen eines Wechsels zur Saison 2021/22 aufgenommen. Messis Vertrag läuft im Sommer aus, ab Januar 2021 darf er offiziell mit anderen Vereinen verhandeln. 

7. Wie geht es mit Tuchel nach dem PSG-Aus weiter? 

Drei Stationen als Cheftrainer einer Profimannschaft hat Thomas Tuchel nun in seiner Vita, alle drei Stationen endeten vorzeitig und nicht ganz reibungslos. In Mainz hatte er unmittelbar nach dem Ende der Saison 2013/14 alle Verantwortlichen mit seinem Rücktritt ein Jahr vor Vertragsende überrascht. Der Klub hatte den Vertrag daraufhin nicht aufgelöst, sondern ruhen lassen. Nach einem Jahr übernahm er den BVB – wo er nach der Saison 2016/17 vorzeitig entlassen wurde. Nach einem weiteren Sabbatical-Jahr, in dem Tuchel unter anderem RB Leipzig und dem FC Bayern München absagte, schloss er sich PSG an. 

Auch nun wäre eine Auszeit zumindest bis Saisonende denkbar. Zumal, sollte Tuchel es als nächstes wieder zurück nach Deutschland ziehen: Die zwei einzigen denkbaren Optionen in Deutschland sind beide mit Joachim Löw verbunden. Sollte der Bundestrainer nach der EM 2021 seinen Posten beim DFB räumen müssen, könnte Tuchel entweder ein Kandidat für den Neuaufbau beim DFB werden – oder beim FC Bayern die Nachfolge von Hansi Flick antreten, sollte Löws langjähriger Assistent nach den Bayern auch den DFB retten wollen. 

Der FC Bayern beschäftigte sich 2017 und 2018 vor der Installierung von Niko Kovac lange mit Tuchel, ein Engagement scheiterte dem Vernehmen nach am Zögern des damaligen Präsidenten Uli Hoeneß. Als Bayern Tuchel doch kontaktierte, stand er bereits bei PSG im Wort. 

Ähnlich wie Jürgen Klopp, dem Tuchel in Mainz und beim BVB nachfolgte, ist der gebürtige Krumbacher seit jeher ein Fan der englischen Premier League. Dort könnten sowohl beim FC Arsenal als auch beim FC Chelsea demnächst Trainerwechsel anstehen. Bei den Gunners hat sich Trainer Mikel Arteta nach dem 3:1 im Derby gegen Chelsea am Boxing Day höchstens etwas Luft zum Atmen verschafft, Platz 14 ist noch immer weit von dem entfernt, was von Arsenal erwartet wird. 

Und bei Chelsea kann Frank Lampard auch nicht mehr ewig darauf verweisen, dass seine Mannschaft vor der Saison neu zusammengestellt wurde: Er muss die deutschen Nationalspieler Timo Werner und Kai Havertz in die Nähe ihres Leistungslimits bringen, um nicht bald in Frage gestellt zu werden. Auch bei Manchester United soll man sich laut Bild mit Tuchel beschäftigt haben. Und sollten die spanischen Top-Klubs Real Madrid, FC Barcelona oder Atletico Madrid anklopfen, würde wohl jeder Trainer darüber nachdenken. 

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