HINTERGRUND
Dreimal englischer Meister, einmal englischer Pokalsieger, Afrikas Fußballer des Jahres 2016 und in knapp einer Woche die Chance, sich erstmals in seiner Karriere zum Champions-League-Sieger zu krönen. Doch die Karriere von Citys Flügelstürmer Riyad Mahrez hatte trotz dieser großen Erfolge nicht nur Glanz und Pokale zu bieten, sondern auch zahlreiche Höhen und Tiefen.
Bevor der 30-Jährige zu dem wurde, der er heute ist, musste er einige Hürden nehmen. Mahrez wuchs im Problem-Bezirk Sarcelles nördlich von Paris auf . Mit 18 Jahren spielte er bei einem Amateurklub in der Bretagne. Erst mit 21 eroberte er sich beim französischen Zweitligisten AC Le Havre einen Platz im Profikader, nachdem er zuvor nur für die Zweitvertretung aufgelaufen war.
Der schottische Klub St. Mirren FC verzichtete einst sogar gänzlich auf die Fähigkeiten des Algeriers. Dabei hatte zwischen Mahrez und dem Traditionsverein eigentlich alles so gut angefangen!
Mahrez über "sehr kalte" Probezeit in Schottland: "... dann ließen sie mich zweieinhalb Monate warten"
Es war alles angerichtet und organisiert, als Mahrez' damaliger Berater für seinen Schützling kurzerhand ein Probetraining in der Reserve des schottischen Erstligisten organisierte. "Er bezahlte mein Ticket. Ich reiste mit einem anderen Spieler aus Sarcelles an", erinnerte sich der Offensivmann im Interview mit der L'Equipe , ohne auf einen konkreten Zeitraum einzugehen.




Neues Land, neue Kultur, aber sportlich wusste Mahrez direkt zu überzeugen. "Es lief gut. Ich habe vier Freundschaftsspiele absolviert und sieben Tore geschossen.", blickte er zurück: "Ich habe sie fertig gemacht."
Doch so schnell wie es für Mahrez bergauf ging, ging es auch wieder abwärts, denn auf eine finale Rückmeldung seitens des Vereins wartete er vergeblich. "Sie ließen mich dann zweieinhalb Monate warten", verriet der algerische Nationalspieler. Die Zeit verstrich, Mahrez' Geduld wurde auf die Probe gestellt, bis sie überstrapaziert wurde. Also machte Mahrez kurzen Prozess und flüchtete - mit dem Fahrrad. Und obwohl er es eigentlich nicht durfte.
Kälte, Schnee und Chaos: Mahrez' Nacht-und-Nebel-Flucht auf dem Fahrrad
"Ich durfte nicht gehen, also bin ich heimlich gegangen", enthüllte Mahrez, der auch seinen Berater von seiner Situation in Kenntnis setzte - und der ließ sofort Taten folgen: "Er sagte: 'Riyad, ich habe dir ein Ticket geschickt. Du nimmst sofort den Bus, steigst am Bahnhof von Glasgow aus und fährst mit dem Zug zum Flughafen, dann nimmst du den Flug nach Paris", schilderte Mahrez das Gespräch mit seinem Agenten.
Mahrez, der seinerzeit kein Wort Englisch sprach, ließ alles stehen und liegen und startete eine wahrliche Nacht-und-Nebel-Aktion: "Ich habe meine Schuhe auf dem Trainingsplatz gelassen und mir ein Fahrrad von einem Typen aus dem Hotel, in dem ich untergebracht war, geliehen. Ich habe niemandem Bescheid gesagt, nicht einmal der Dame im Hotel."
Die Situation habe ihn "verrückt gemacht", Schottland sei "sehr kalt" gewesen. "Es war Missbrauch. Es hat geschneit, mir war kalt", resümierte Mahrez. So kalt, dass er einmal sogar eine Verletzung vorgetäuscht hatte, um schnellstmöglich in die Umkleidekabine verschwinden zu können.
Nicht nur das Wetter und die lange Wartezeit verleiteten Mahrez zu seiner Flucht. "Ich war sehr froh, dass ich nach Frankreich zurückkam", erklärte er später im Gespräch mit Unscriptd : "Ich war jung und noch nie so lange von meiner Familie getrennt."
"Das hat mir geholfen": Einen Pluspunkt sah Mahrez doch
Trotz aller Negativaspekte hat Mahrez auch positive Erfahrungen aus Schottland mitgenommen. "In diesen zwei Monaten habe ich mich körperlich wirklich verbessert. Es war eine sehr intensive Zeit", gab der filigrane Techniker zu: "Ich habe den britischen Spirit angenommen, das hat mir geholfen."
Eigenschaften, die ihm in der von Robustheit und Körpereinsatz geprägten Premier League später durchaus weiterhalfen.
Getty ImagesBei Leicester entwickelte sich Mahrez zum Star, gewann mit den Foxes 2016 überraschend die Liga. Im Sommer 2018 machte er den nächsten großen Schritt und wechselte für knapp 70 Millionen Euro zu Manchester City.
Vor allem in der laufenden Spielzeit blüht Mahrez unter Pep Guardiola auf, schoss die Skyblues mit drei Toren in den beiden Halbfinalpartien der Königsklasse gegen PSG ins Endspiel.
Am 29. Mai werden City-Fans und Verantwortliche im Finale gegen den FC Chelsea erneut auf Top-Leistungen des Linksfußes hoffen - und Mahrez selbst steht vor einem absoluten Höhepunkt seiner Karriere. Das kalte Schottland hat sicherlich auch seinen Anteil dran.
