HINTERGRUND
Der FC Bayern München verpflichtet Lucas Hernandez . Auf dem Papier klingt der Transfer nach einem echten Kracher, das Paket soll 160 Millionen Euro schwer sein . Dafür würden die Münchner einen jungen Weltmeister und Europa-League-Sieger bekommen.
Der Blick über die Titel im Briefkopf hinaus fällt bei Hernandez nicht leicht. Ist der Franzose nun eher ein Innenverteidiger oder doch eher auf der linken Seite zu finden? Warum sind die Bayern offenbar auf die Idee kommen, ausgerechnet Hernandez aus seinem bis 2024 gültigen Vertrag per Klausel herauszukaufen?
Die Stärken von Bayerns Transfer-Ziel Lucas Hernandez
Fakt ist: Der 23-Jährige bringt Erfahrung auf Top-Niveau mit Atletico Madrid und der Nationalmannschaft Frankreichs mit. Landsmann Christophe Dugarry attestierte ihm kürzlich eine "tadellose Einstellung".
Dazu trägt Hernandez bei seiner Spielweise deutlich die Handschrift seines Klub-Trainers Diego Simeone. Er agiert sehr robust in der Defensive, ohne dabei unfair zu werden und weist ein typisches Verhalten für einen Atletico-Verteidiger auf: ständige Orientierung, sehr taktisches Zweikampfverhalten, gutes Gespür für Raum und Zeit.
Hernandez ist defensiv eine Macht. Er beobachtet den Angriff des Gegners, um dann im richtigen Moment einzugreifen. Sein Timing bei der Balleroberung ist hervorragend. Er attackiert den Ballführenden erst, wenn die Chance auf Erfolg maximal ist, davor wird mit dem Seiten- oder Toraus zusammengearbeitet, um die gegnerischen Optionen zu verringern.
Lucas Hernandez' Athletik beeindruckt
Selbiges gilt für die zahlreichen Grätschen des Franzosen. Hernandez wirft sich, sofern sinnvoll, in jeden Schuss, jede Flanke und jeden heranstürmenden Gegner. Die alte Weisheit von Paolo Maldini ("Wer zur Grätsche greifen muss, hat schon vorher einen Fehler gemacht") ignoriert Hernandez regelmäßig.
Auch in der Luft macht der Weltmeister eine gute Figur. Hernandez ist mit 1,82 Metern nicht der größte Spieler auf dem Feld, hat aber eine enorme Sprungkraft, weiß hohe Bälle sehr gut einzuschätzen und verhält sich in der Luft nicht weniger intelligent als am Boden: Bälle werden sauber zur Seite geklärt, die Arme klug eingesetzt.
Insgesamt ist seine Athletik hervorzuheben. Hernandez ist nicht nur durchsetzungsfähig, sondern auch enorm schnell. Das kommt seinem Spiel sowohl als Innen- als auch als Außenverteidiger entgegen. Eine hohe Defensive ist für ihn ebenso wenig ein Problem wie das tiefe Verteidigen am eigenen Strafraum.
Getty ImagesDie Schwächen von Bayerns Transfer-Ziel Lucas Hernandez
Während das defensive Können sich auf beiden Hernandez-Positionen bemerkbar macht, sind auch auf beiden Positionen offensive Mängel anzuführen. Das allerdings in einem gewissen Rahmen - der Franzose ist trotz aller folgenden Kritik ein durchaus ballsicherer und überlegter Spieler in der Offensive, der aber letztlich (noch) nicht höchstes Niveau erreicht.
Hernandez ist als Innenverteidiger bei Atletico nur selten für den Spielaufbau verantwortlich. Er fokussiert sich auf einfache Pässe zum Nebenmann oder auf die Flügel. Wer liniendurchbrechende Pässe wie von Jerome Boateng oder Außenrist-Zuspiele wie von Mats Hummels erwartet, wird in diesem Fall eher enttäuscht werden.
Der Linksfuß macht dabei allerdings wenige Fehler und stellt somit sicherlich keinen Risikofaktor dar. Auch bei der WM 2018 band ihn Didier Deschamps als Linksverteidiger offensiv angepasst ein. Hernandez hielt die Breite auf seiner Seite, wo immer wieder eine Überzahl hergestellt wurde, um dann auf Kylian Mbappe zu verlagern. Auch hier konzentrierte sich der Atletico-Spieler auf einfache Zuspiele.
David Alaba ist Lucas Hernandez offensiv überlegen
David Alaba ist Hernandez als potentieller Konkurrent auf der linken Seite in Sachen Kreativität und Überraschungseffekt überlegen. Wohl aber weiß der 23-Jährige mit seiner geradlinigen Art Gefahr auszustrahlen. Er hat ein gutes Timing bei langen Zuspielen, wenn er zwischen oder hinter die Linie starten kann und kann sich dort nicht zuletzt aufgrund seiner Athletik durchsetzen.
Im Dribbling ist Hernandez nicht so wendig wie andere Außenverteidiger, dafür aber auch mit Ball sehr schnell. Immer wieder ist allerdings zu beobachten, wie seine Läufe mit Ball länger und länger werden, weil er den Ball nur knapp an den Gegenspielern vorbeispitzelt und dann schnell Raum überbrücken muss, ohne echte Kontrolle über das Spielgerät zu haben.
Kommt Hernandez als Linksverteidiger bis ins gegnerische Drittel, kann er gute Flanken setzen, denen aber hier und da die Präzision fehlt. Im Dress der Franzosen suchte er gerne den Doppelpass mit einem Stürmer, um dann noch weiter an die Grundlinie zu gehen und von dort in den Rückraum abzulegen.
Das Fazit zu Bayerns Transfer-Ziel Lucas Hernandez
Bei Lucas Hernandez stellt sich besonders die Frage, wie der FC Bayern München mit ihm hauptsächlich plant. Als Innenverteidiger erhält der Rekordmeister ein defensiv herausragendes, wenn auch im Spielaufbau etwas einfach gestricktes Paket. Etwaige Fortschritte mit neuen Aufgaben wären abzuwarten, weil Hernandez bei Atletico nur wenige Aufgaben mit Ball ausführen muss.
Auch als Linksverteidiger hat Hernandez seine Stärken in der Defensive sowie in seiner Arbeitsmoral und Schnelligkeit. Offensiv hält er sich an einfache Mittel, ohne deshalb ungefährlich zu werden. Spannend dürfte die Frage sein, ob die Bayern mit Hernandez - und eventuell auch Benjamin Pavard - nicht mehr taktische Flexibilität im Sinne einer Dreierkette anstreben.
Niko Kovac hatte derartige Überlegungen vor Amtsantritt anklingen lassen, bisher aber kaum umgesetzt. Hernandez könnte ein wichtiger Faktor für die plötzliche Umstellung der Grundordnung sein, weil er beide Positionen sehr zuverlässig ausfüllen kann.




