KIMMICHGetty Images

FC Bayern München - Joshua Kimmichs Impfverzicht aus vier Perspektiven


HINTERGRUND

Joshua Kimmich verzichtet auf eine Impfung gegen Corona - und sorgt damit für Wirbel. Welche Folgen hat diese Entscheidung für Kimmich und seinen Klub FC Bayern? Goal und SPOX beleuchten den Fall aus vier Perspektiven.

1. Joshua Kimmich: Die Folgen für sein Image

Joshua Kimmich ist beim FC Bayern München ein absoluter Führungsspieler. Und als solcher geht er auf dem Platz voran. Erst vergangene Woche nannte ausgerechnet BVB-Trainer Marco Rose Kimmich als positives Beispiel im Umgang mit Rückschlägen und lobte seine Körpersprache. Doch nun bekommt Kimmichs Image als Vorzeigeprofi einen Kratzer.

Seine ablehnende Haltung gegenüber einer Corona-Impfung ist für ihn persönlich zwar sein gutes Recht, schließlich herrscht in Deutschland keine Impf-Pflicht. Doch Kimmich hat als Person des öffentlichen Lebens auch eine Vorbildfunktion. Sein karitatives Engagement, insbesondere die von ihm und Leon Goretzka ins Leben gerufene Initiative "WeKickCorona" konterkariert Kimmich mit seiner ablehnenden Impf-Haltung.

ONLY GERMANY Joshua Kimmich 2021imago images

"Weil die Gesundheit über allem steht, ist jetzt Solidarität im Kleinen wie im Großen notwendig. Jeder kann helfen", wird Kimmich auf der offiziellen Webseite der Initiative zitiert. Doch sein Verhalten wirkt alles andere als solidarisch, sondern vielmehr egoistisch.

Auch wenn Kimmichs Entscheidung laut Teamkollege Thomas Müller auf "menschlicher Ebene nachvollziehbar" sei, redete ihm der selbsternannte "Impf-Freund" auch indirekt ins Gewissen: Er hoffe, "dass sich die Spieler, die jetzt noch nicht geimpft sind, das noch anders überlegen und sich ein Herz fassen".

Lauterbach: "Kimmich hat sich in schwierige Lage manövriert"

"Das, was Joshua macht, ist sehr verantwortungsvoll. Er möchte für sich erstmal Dinge wie die Langzeitwirkung abwarten und er wird jeden zweiten Tag getestet", sagte der ehemalige Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bei BildTV - stellte aber auch fest: "Als Vorbild wäre es trotzdem besser, er wäre geimpft."

Für SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach habe sich Kimmich "in eine sehr schwierige Lage manövriert. Er macht viel für die Corona-Bekämpfung, spendet Geld, hat eine Vorbildfunktion, aber das ist in anderer Hinsicht nicht vereinbar mit der Nicht-Impfung. Das hat er aus meiner Sicht nicht ausreichend bedacht", sagte Lauterbach dem Merkur.

Druck auf Kimmich auszuüben sei in seinen Augen nicht ratsam, zugleich bot Lauterbach dem Bayern-Star ein persönliches Gespräch an. "Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es mehr Grund zur Sorge vor Langzeitschäden bei einer Infektion mit Corona als durch eine Impfung", sagte Lauterbach. "Ich denke, ich kenne mich mit Langfristwirkungen beim Impfen gut aus. Ich bin selbst Impfarzt und habe viele dieser Gespräche geführt. Auch mit Sportlern. Von mir aus also jederzeit."

2. Kimmichs Impfverzicht: Die gesellschaftliche Dimension

Die aktuelle Situation in der Bundesliga ist auf den ersten Blick paradox: Während immer mehr Bundesligaklubs für Zuschauer die 2G-Regel einführen und damit nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion lassen, spielen auf dem Rasen weiterhin ungeimpfte Spieler.

Fußballer seien "am Ende nichts anderes als - wenn auch gut bezahlte - Beschäftigte", betonte Lauterbach im Sport1-Doppelpass. Allerdings gebe es "eine Lücke, die für den normalen Zuschauer schwer begreiflich ist", ergänzte Lauterbach mit Verweis auf den 2G-Nachweis für Zuschauer, "derjenige aber, der für das Entertainment zuständig ist, der also bei der Arbeit ist, der kann zu 2G nicht gezwungen werden".

In der NBA sorgte zuletzt Impfverweigerer Kyrie Irving für Schlagzeilen, der laut regionaler Verordnung in New York keine Heimspiele für seine Brooklyn Nets bestreiten darf. Die Nets stellten ihn folglich vom Trainings- und Spielbetrieb frei.

Ähnliches muss Kimmich allerdings nicht fürchten. Gemäß dem aktuellen DFL-Konzept für den "Sonderspielbetrieb im Profifußball" sind als vollständig geimpft und genesen eingestufte Personen von regelmäßigen Testungen ausgenommen. "Demgegenüber sind für nicht geimpfte Spieler*innen, Trainer*innen und Betreuer*innen Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 sowie weitergehende Hygienemaßnahmen unerlässlich", heißt es in dem Papier. Ungeimpfte Spieler müssen sich demnach zweimal pro Woche PCR-Tests unterziehen.

Bayern-Star Kimmich würde Tests "natürlich selbst zahlen"

Seit dem 11. Oktober sind diese PCR-Tests für Normalbürger kostenpflichtig. Je nachdem wie schnell das Ergebnis vorliegen soll, schwanken laut BR die Kosten beispielsweise in Testzentren am Münchner Flughafen zwischen 69 und 128 Euro. "Ich lasse mich alle zwei, drei Tage testen. Natürlich ist es jetzt so, dass es für viele schwierig ist, das zu bezahlen. In meinem Fall bezahlt das zum Glück noch der FC Bayern. Aber falls das nicht mehr so wäre, würde ich das natürlich selbst zahlen", erklärte Kimmich am Samstag bei Sky.

Lauterbach würde ein Umdenken Kimmichs bezüglich der Impf-Haltung befürworten. Eine Impfung Kimmichs wäre "wertvoll. Denn davon geht eine enorme Symbolwirkung aus für junge Leute, die epidemiologisch ein Problem darstellen", sagte Lauterbach.

Gemäß den Daten des Robert Koch-Instituts vom Freitag gelten nur 39,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen als vollständig geimpft, immerhin 44,9 Prozent dieser Altersgruppe haben immerhin eine Erstimpfung erhalten. Während bei den über 60-Jährigen 85 Prozent vollständig geimpft sind, ist die Quote bei den 18- bis 59-Jährigen mit 72,3 Prozent noch deutlich geringer.

3. Kimmichs Impfverzicht: Die Auswirkungen auf den FC Bayern

Die erste Auswirkung auf den FC Bayern betrifft logischerweise Kimmich selbst. Denn dessen Risiko, sich mit Corona zu infizieren, ist ungeimpft natürlich deutlich höher. Sollte es zu einer Infektion kommen, müsste der Mittelfeldmotor 14 Tage lang in Quarantäne und fiele für diesen Zeitraum sicher aus.

Da ohne Impfung auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Kimmich bei einer Infektion Symptome verspüren und körperlich damit stärker geschwächt würde, besteht gleichzeitig eine erhöhte Gefahr, den Bayern über die Quarantäne hinaus zu fehlen. Denn sollte eine COVID-19-Erkrankung ihn körperlich weit zurückwerfen, hätte er auch einen beträchtlicheren Trainingsrückstand aufzuholen.

Insbesondere dann, wenn Kimmich sich in der entscheidenden Saisonphase im Frühjahr kommenden Jahres infizieren sollte, wäre das für den FC Bayern eine kaum zu bemessene sportliche Schwächung. Der 26-Jährige ist gemeinsam mit Torjäger Robert Lewandowski wohl der fußballerisch wichtigste Feldspieler beim Rekordmeister. Seine Rolle ist zentral für die Statik des Bayern-Spiels. Eine Sprengung der aktuell vielleicht besten Doppelsechs Europas mit Kimmich und Leon Goretzka hätte gewiss negative Folgen. Und was die mentale Komponente und die Führungsqualitäten auf dem Platz angeht, ist Kimmich für den FCB wahrscheinlich sogar noch etwas bedeutender als Lewandowski.

Hinzu kommt, dass Kimmich mit seiner Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, auch die Gefahr erhöht, seine Teamkollegen anzustecken. Mainz 05 hatte zu Saisonbeginn zum Beispiel die Situation, dass elf Spieler ausfielen, weil sich drei Akteure mit Corona infiziert hatten und weitere acht deshalb in Quarantäne mussten. Für die Bayern wäre so etwas zum Beispiel vor einem K.o.-Spiel der Champions-League ein sportliches Worst-Case-Szenario.

KIMMICHGetty Images

FC Bayern: Kimmichs Impf-Skepsis sorgt für Unruhe

Nicht zu unterschätzen ist auch die Unruhe, die durch die öffentliche Debatte um Kimmichs Einstellung zur Impfung rund um den FC Bayern entsteht. Die ist momentan schon groß, schwelt vermutlich die komplette Saison lang weiter - und bei einer Infektion Kimmichs würde sie natürlich noch einmal verstärkt hochkochen und negative Schlagzeilen an die Säbener Straße projizieren, die nur sehr schwer auszublenden wären.

Und welche Auswirkung könnte sich in puncto Teamklima ergeben? Thomas Müller etwa gab am Samstag bei Sky zu bedenken: "Als Freund ist das eine absolut akzeptable Entscheidung. Das soll jeder für sich selbst entscheiden. Als Teamkollegen, wenn man auf das schaut, was für alle drum herum vielleicht besser wäre, ist zumindest die wissenschaftliche Meinung und auch meine Meinung, dass das Impfen besser wäre." Man müsse zwar "versuchen, das zu respektieren", führte Müller aus, betonte jedoch auch: "Es ist ein schmaler Grat, eine ethische oder eine moralische Diskussion."

4. Kimmichs Impfverzicht: Mögliche gesundheitliche Risiken

Joshua Kimmich äußerte im Hinblick auf die Corona-Impfung persönliche Bedenken, "was fehlende Langzeitstudien angeht", wie er am Samstag am Sky-Mikrofon erklärte.

In diesem Zusammenhang sprach Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, bei der dpa von einem "Missverständnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält".

Nebenwirkungen träten demnach immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auf. "Danach ist die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff ist aus dem Körper verschwunden. Was offensichtlich viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten", sagte Watzl.

Auf der anderen Seite ist das Risiko, als ungeimpfte Person schwer an Corona zu erkranken höher. "Wie die Verläufe sind, wenn man nicht geimpft ist, kann man in den Kliniken gerne erfragen. Deswegen plädiere ich dafür und bin nach wie vor der Meinung, dass es gut ist, sich impfen zu lassen", sagte Julian Nagelsmann am Freitag. Der geimpfte Bayern-Trainer befindet sich aufgrund einer Corona-Infektion aktuell in Quarantäne.

Rune Jarstein schildert schweren Corona-Verlauf

Dass ein schwerer Krankheitsverlauf sogar eine komplette Karriere gefährden kann, hat unlängst Rune Jarstein geschildert. "An den ersten zwei Tagen dachte ich, ich kann vielleicht ein bisschen aufräumen, meine Schuhe sortieren. Aber am dritten Tag hatte ich überall Schmerzen. Die erste Woche war schlimm. Ich konnte das Bett nicht verlassen, hatte hohes Fieber. Der Arzt hat dann entschieden, einen Krankenwagen zu rufen", sagte der Torhüter von Hertha BSC der Bild.

Der 37-Jährige musste einige Tage in der Berliner Charite behandelt werden. "Ich konnte nicht einmal Fußball auf dem iPad schauen. Ich war in der Zeit zweimal an der frischen Luft, musste dabei im Rollstuhl sitzen", erklärte Jarstein, bei dem die Ärzte zusätzlich eine Herzmuskelentzündung diagnostizierten. An Sport war nach seiner Entlassung noch nicht zu denken.

"Bei meinem ersten Spaziergang in Berlin war ich nach zehn Minuten kaputt. Es hat gedauert, wurde dann Schritt für Schritt besser", berichtete Jarstein, der erst kürzlich nach fast einem halben Jahr ins Mannschaftstraining der Herthaner zurückkehrte

Werbung