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Julian Nagelsmann wird neuer Trainer vom FC Bayern: Der Wechsel von RB Leipzig aus drei Perspektiven


HINTERGRUND

Julian Nagelsmann wird zur kommenden Saison neuer Trainer des FC Bayern München. Der Rekordmeister geht trotz der Weltrekordsumme für einen Übungsleiter vorerst als größter Gewinner aus der Einigung mit dem 33-Jährigen und seinem aktuellen Verein RB Leipzig hervor. Anders sieht es bei den Sachsen aus, denen nun das bekannte Schicksal eines Bayern-Jägers droht. Hatte BVB-Boss Watzke am Ende doch Recht? Der finanziell größte Trainer-Transfer der Fußballgeschichte aus drei Perspektiven.

Nagelsmann wechselt zum FC Bayern: Die FCB-Perspektive

Es waren viele Namen, die in den vergangenen zwei Wochen seit der Rücktrittsankündigung von Trainer Hansi Flick als Nachfolgekandidaten beim FC Bayern in den Topf geworfen wurden. Hier hörte man von Erik ten Hag, dort von Xabi Alonso oder ganz woanders auch von Massimiliano Allegri. Doch eigentlich war klar, wer der große Favorit an der Säbener Straße war. Und das ist wiederum das Besondere an Julian Nagelsmann.

Er ist das, was vor ihm beim deutschen Rekordmeister zuletzt Pep Guardiola war. Ein gemeinsamer Nenner. Eine Wunschlösung, auf die sich alle Entscheidungsträger sehr schnell einlassen konnten und wollten. Ein recht außergewöhnlicher Vorgang bei den Bayern, wo sich Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge gerade in der Trainer-Frage nicht immer einig waren (Klinsmann statt Klopp, Heynckes statt Tuchel, was dann Kovac wurde, Flick statt Wenger etc.). Die Rekordablöse für ihn (20 bis 25 Millionen Euro) und die Vertragsdauer (fünf Jahre) sind Ausdruck maximaler Überzeugung auf Bayern-Seite.

Julian Nagelsmann Hansi Flick FC BayernGetty Images

Warum bei Nagelsmann so schnell Konsens in der Bayern-Führungsetage herrschte, ist recht simpel: Der 33-Jährige bedient als Trainer schlichtweg all das, was sich der Rekordmeister wünscht. Zum einen passt der dominante und ballbesitzorientierte Spielstil, den sich Nagelsmann bei Guardiola abgeschaut und verinnerlicht hat.

Zum anderen wird Nagelsmann jene Eigenschaft zugeschrieben, die Flick bei den Bayern so erfolgreich gemacht hat und woran beispielsweise Niko Kovac oder Carlo Ancelotti bei den Bayern scheiterten: Die Fähigkeit, auch menschlich einen Zugang zu seinen Spielern zu finden.

FC Bayern und die Trainer-Probleme: "Feind im eigenen Bett"

Während Hoeneß nach Ancelottis Entlassung offenlegte, dass es sich der Italiener mit fünf prominenten Spielern verdorben habe, vom "Feind im eigenen Bett" sprach und auch nach der Kovac-Entlassung darüber referierte, dass Teile der Mannschaft den Kroaten "weghaben wollten", ist Nagelsmanns Bild ein recht positives bei ehemaligen und aktuellen Spielern.

Menschlich und fachlich passt es - und ganz nebenbei begräbt der FC Bayern auch einen sprichwörtlichen Hund, der ihn trotz dieser so erfolgreichen wie kurzen Flick-Ära immer wieder geißelte. Denn anders als der Triple-Trainer und Weltmeister-Co-Trainer sollen Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Nagelsmann "auf einer Wellenlänge funken", wie es die Bild formulierte. Salihamidzic sei sogar ein "Bewunderer" von Nagelsmann, dessen Verfügbarkeit er schon vor Wochen geprüft haben soll.

Ein Konflikt wie jener, der sich im Verlauf der aktuellen Spielzeit zwischen Salihamidzic und Flick immer mehr und besonders wegen Kaderplanungsfragen zuspitzte, ist allem Anschein nach zunächst ausgeschlossen.

Selbstredend wird auch Nagelsmann klare Vorstellungen bei der Gestaltung des Bayern-Kaders haben, aber er dürfte sie tendenziell nicht mit der ausgeprägten Sturheit vortragen. Zumal Nagelsmann mit Dayot Upamecano bereits seinen Abwehrchef aus Leipzig für viel Geld ohnehin mitnehmen darf.

Im Endeffekt ist der Nagelsmann-Transfer für die Bayern die Ideallösung. Nicht nur bekamen sie ihren Wunschtrainer, den der damalige Präsident Uli Hoeneß schon 2015 aus Hoffenheim holen wollte (damals noch für die Jugend). Sie eisten ihn gemeinsam mit dem besten Verteidiger auch noch von ihrem aktuell ärgsten Konkurrenten in der Liga los, dem nun nach Saisonende sportlich ein maximaler Umbruch droht.

FC Bayern holt Nagelsmann: Herzensangelegenheit mit dreifacher Last

Julian Nagelsmann war am Tag seines Wechsels eine Sache besonders wichtig. "Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mich der Trainerposten beim FC Bayern reizt", stellte er in der offiziellen Bekanntgabe seines Wechsels klar. Und das tat er auch mit Recht. Denn schon lange war die nun im Sommer beginnende Liason vorbestimmt.

Auf der einen Seite der FC Bayern, der stets den Anspruch hat, das Beste, was der deutsche Fußball auf unterschiedlichsten Positionen auf und neben dem Feld zu bieten hat, in sich zu vereinen. Auf der anderen Seite Nagelsmann, der deutsche Shootingstar der Trainer-Branche, trotz seiner Vergangenheit als Jugendspieler und Jugendtrainer beim TSV 1860 München bekennender Bayern-Fan und nur 50 Kilometer von München entfernt in Landsberg am Lech aufgewachsen.

Mit erst 33 Jahren hat er sich nun einen Kindheitstraum erfüllt. Den FC Bayern zu trainieren, ist eine Herzensangelegenheit für ihn, jedoch eine gleich dreifach schwere: Die Fußstapfen, die Flick hinterlässt, sind immens - nicht nur in puncto Titel, sondern auch bezüglich des Ansehens des scheidenden Trainers innerhalb der Mannschaft. Empathie mit seinen Spielern wird Nagelsmann stets nachgesagt.

Dass er Titel holen kann, muss er nun unter Beweis stellen. Das war weder in Hoffenheim noch in Leipzig der ultimative Anspruch, wird nun aber von ihm verlangt - weil er in München auch eine Mannschaft hat, die um die Meisterschaften mitspielen muss.

Nagelsmann beim FC Bayern: Die Last der Rekordablöse

Und zuletzt: Der ohnehin schon immer vorhandene Erfolgsdruck ist aber besonders durch die Weltrekordablöse, die der FC Bayern für ihn bezahlt, noch einmal deutlich größer geworden. Nach Informationen von Goal und SPOX liegt die Summe zwischen 20 und 25 Millionen Euro und es ist schon so manch talentierte Spieler an Erwartungshaltungen gescheitert, die ihm durch Transfersummen sprichwörtlich als Rucksack aufgesetzt wurden.

Darin liegt das Risiko, das Nagelsmann mit seinem Wechsel eingegangen ist, auch wenn er selbst sagte, dass diese Summe "nicht viel mit mir" mache.

Julian Nagelsmann RB Leipzig Bayern MúnichANNEGRET HILSE / AFP

Einen Wechsel, den er noch vor Wochen in unwahrscheinlichem Licht hatte stehen lassen. Er habe bei "vollem Bewusstsein" einen Vertrag bis 2023 ohne Ausstiegsklausel unterschrieben und werde "keinen Krieg" mit RB Leipzig anfagen, sagte er zunächst.

In dieser Woche bat er jedoch um die vorzeitige Vertragsauflösung und setzte RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff somit die Pistole auf die Brust. Die Wahl, die Mintzlaff hatte: Entweder der Bitte nachkommen und Nagelsmann gegen ein Schmerzensgeld verlieren oder hart bleiben und damit das Risiko eingehen, mit einem potenziell unzufriedenen Cheftrainer und drohenden internen Differenzen in die neue Saison zu gehen.

Dass genau das die Gedankengänge waren, die Mintzlaff beschäftigten, bestätigte der 45-Jährige sogar recht offen auf einer Pressekonferenz am Dienstag: "Es war eine Situation, die wir uns so nicht gewünscht haben", sagte Mintzlaff: "Natürlich sind wir hier nicht da, um Träume zu erfüllen. Wir mussten abwägen: Wie viel Sinn macht es noch, in die neue Saison zu gehen, wenn wir den Traum nicht erfüllen. Wir haben es abgewogen für uns, und aus unserer Gesamtsicht war es die beste Entscheidung."

Insofern hat Nagelsmanns "Traumhochzeit" mit den Bayern auch ein Geschmäckle. Die sportliche und persönliche Perspektive, die sich ihm nun aber bietet, ist über jeden Zweifel erhaben. Last hin, Herzensangelegenheit her.

Nagelsmann-Wechsel: RB Leipzig ist ein Bayern-Jäger außer Dienst

Noch vor ein paar Wochen waren die Chancen von RB Leipzig auf den Gewinn der Deutschen Meisterschaft so groß wie nie. Während der FC Bayern personell und konditionell aufgrund der vielen Spiele 2020 und 2021 auf dem Zahnfleisch ging und sich die interne Stimmung aufgrund des Zerwürfnisses zwischen Flick und Salihamidzic gen Nullpunkt richtete, eilten die Sachsen von Ende Januar bis Anfang März von Sieg zu Sieg und machten gehörig Druck auf den wankenden Branchenprimus.

Gefallen ist er aber doch nicht. Weil es RB nicht schaffte, die Patzer der Bayern im Saisonverlauf zu nutzen und natürlich auch, weil die Sachsen das direkte Duell am 3. April verloren. Leichter als diese Saison, Bayern nachhaltig zu schlagen, wird es für Leipzig aber wohl nicht mehr.

UpamecanoSport1

Vor zwei Monaten verlor RB erst seinen Abwehrchef Dayot Upamecano an den FC Bayern. Binnen zwei Tagen im April folgte nun die Vertragsauflösung von Sportdirektor Markus Krösche, der Favorit auf die Nachfolge von Fredi Bobic bei Eintracht Frankfurt ist, und zu guter Letzt auch der nicht zu kompensierende Abgang von Nagelsmann zu den Bayern.

Ausgerechnet der Klub, dessen Vormachtstellung die Sachsen in den kommenden Jahren zumindest ab und an hinterfragen wollten, profitiert am meisten vom RB-Aderlass. Die Sachsen ereilt das Schicksal, von dem Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen ein trauriges Lied singen können - und es könnte sogar noch schlimmer kommen.

RB Leipzig: BVB-Boss Watzke könnte Lacher auf seiner Seite haben

Die Zukunft von Kapitän Marcel Sabitzer ist ungewiss, Ibrahima Konate kann dank einer Ausstiegsklausel den Klub verlassen und hat offenbar Interesse aus Liverpool geweckt, weitere Leistungsträger wie Angelino, Christopher Nkunku oder Dani Olmo könnten nach dem Nagelsmann-Abgang ebenfalls ins Grübeln kommen.

Als BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im März sagte, dass Leipzig zwar "ein harter Rivale", er aber Borussia Dortmund "weiterhin als zweite Kraft in Deutschland" sehe, trennten Leipzig auf Platz zwei und die Borussia auf Platz fünf satte elf Punkte, weshalb Watzke durchaus für seine Spitze Richtung RB verlacht wurde.

Nun aber ist es Watzke, der die Lacher auf seiner Seite hat. Denn den Status als Nummer zwei im deutschen Fußball kann Leipzig nach der Saison und dem maximal möglichen Umbruch wohl zunächst wieder ad acta legen.

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