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"Mit seinen Füßen ist er Messi, aber wer weiß schon, was in seinem Kopf vorgeht" - Hatem Ben Arfa hat auch in Bordeaux Probleme


HINTERGRUND

Da war sie also, die große Chance zur persönlichen Genugtuung für Hatem Ben Arfa. In der 69. Minute des Duells mit Ex-Klub PSG (0:1) wurde der Mittelfeldstar von Girondins Bordeaux am Mittwochabend in den Sechzehner geschickt. Relativ frei kam er aus halbrechter Position mit rechts zum Abschluss. Ben Arfa holte aus, zog wuchtig aufs lange Eck ab - und verfehlte das Gehäuse um wenige Zentimeter.

Der Ex-Nationalspieler drehte ab, den Blick frustriert gen Mittelkreis gerichtet. Wohlwissend, dass hier mehr drin war als der 1:1-Ausgleich für seine Mannschaft. Hier hätte er Paris Saint-Germain im Titelkampf richtig eins auswischen und seine Negativschlagzeilen der letzten Wochen verblassen lassen können.

Hatem Ben Arfa kriselt bei Girondins Bordeaux

Denn Ben Arfa tat zuletzt Ben-Arfa-Dinge und wurde von Kapitän Laurent Koscielny öffentlich gemaßregelt. Das Enfant terrible mit dem feinen Füßchen eckte nach einem Zwischenhoch also auch bei seinem neuen Klub, dem er sich erst Anfang Oktober ablösefrei angeschlossen hatte, an. Wie kam es dazu?

Der 33-Jährige fand sich in Bordeaux zunächst gut zurecht. Schnell wurde Ben Arfa zu einem Fixpunkt in der Mannschaft von Trainer Jean-Louis Gasset. In den sieben Partien vor Weihnachten steuerte der Spielgestalter zwei Tore und vier Assists bei. Coach Gasset hatte seinen neuen Star im Herbst als "Fußballgenie" bezeichnet. Jetzt sah er sich bestätigt.

Doch wie so häufig in Ben Arfas Achterbahnkarriere war die starke Phase nicht von Dauer. Seit dem Jahreswechsel hat er keinen Scorerpunkt mehr gesammelt, einzig zwei Gelbe Karten sind noch erwähnenswert. Die Form ließ also nach und mit ihr auch die Bereitschaft, für die Mannschaft zu spielen und zu kämpfen. Ben Arfa verzettelte sich mehrfach in Einzelaktionen, ließ Laufbereitschaft und angemessenes Defensivverhalten vermissen. Im Training soll er mitunter aufreizend lässig unterwegs sein.

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Mittlerweile ist es nicht mehr Gasset, der sich bestätigt sehen dürfte, sondern Ben Arfas ehemaliger Mannschaftskamerad Habib Bellaid. Der hatte im vergangenen Herbst bei France Football gesagt: "Hatem? Mit seinen Füßen ist er Messi, aber wer weiß schon, was in seinem Kopf vorgeht?" Und weiter: "Hätte er sich stetig entwickelt oder eine stabile Struktur um sich herum gehabt wie Karim Benzema, dann hätte er Messis Niveau erreicht."

Girondins Bordeaux: Laurent Koscielny bestätigt Zoff mit Hatem Ben Arfa

Vom Level des sechsmaligen Ballon-d'Or-Siegers war Ben Arfa dann doch meist ein gutes Stück entfernt. Er spielte in Frankreich für die drei größten Klubs Marseille, Lyon und PSG, bei allen ging er im Unfrieden. Höhepunkt: In Paris durfte er nicht mehr am Training der Profis teilnehmen und blieb ein Jahr lang ohne Einsatz. Eine Marke, die er provozierend via Social Media feierte.

In Rennes und Lille dagegen ließ er sein Können aufblitzen und verabschiedete sich jeweils nach einem Jahr wieder. Die Fans von Newcastle United verbindet eine Hassliebe zu zu dem begnadeten Straßenkicker, der mit der Kugel unglaubliche Dinge anstellen kann. Bei Hull City und in Valladolid enttäuschte er bei kurzen Intermezzi.

In Bordeaux hat der "Neymar der Amateure", wie ihn sein Anwalt einst nannte, nun also auch wieder Stress. Koscielny gab vor wenigen Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz offen zu, dass es zu einem Konflikt mit Ben Arfa gekommen sei: "In der Kabine kann es immer mal zu Streit kommen. Es gab einen zwischen Hatem und mir. Ich bin hier, um der Mannschaft zu helfen und aus dem Kollektiv das Maximum herauszuholen. Es ist die Aufgabe des Kapitäns, alle auf Kurs zu bringen."

Koscielny sagte noch deutlich mehr. Er nannte Ben Arfa nicht beim Namen, aber es war offensichtlich, auf wen seine Worte (auch) abzielten: "Die Stimmung hier ist sehr, sehr durchschnittlich. Wir sollten ehrlich sein: Dieses Team ist voll von Spielern, deren Verträge auslaufen und die wegwollen. Wir müssen auf die Leute setzen, die kämpfen, sich zerreissen und sich verbessern wollen."

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Es gebe viele Mannschaftskameraden, die "nicht den Willen haben, zu arbeiten". So sei es schwierig, gute Resultate zu holen. "Darum kann es schonmal passieren, dass ich harsche Worte wähle", sagte der langjährige Abwehrmann des FC Arsenal.

Eine finale Ansage hatte er noch in Richtung Ben Arfa: "Mit einigen (Mitspielern) habe ich Probleme. Meiner Meinung nach erreicht man Erfolg durch Arbeit. Ich bin mit Werten erzogen worden, bei einigen ist das sicherlich anders. Und damit habe ich meine Probleme."

Hatem Ben Arfas Vertrag bei Girondins Bordeaux läuft aus

Coach Gasset hält seine schützende Hand nicht mehr über Ben Arfa und setzte ihn zuletzt zweimal auf die Bank. So kam es auch, dass der 15-fache Nationalspieler Frankreichs im Duell mit PSG erst Mitte der zweiten Halbzeit den Platz betrat. Die Chance, PSG wehzutun hatte er mit besagter Chance trotzdem, doch die "Füße Messis" schlossen nicht präzise genug ab.

So wirkt es, als ginge Ben Arfas Zeit auch bei den Girondins zügig und ohne Happy End vorüber. Der Vertrag des Routiniers läuft aus, aktuell ist es schwer vorstellbar, dass der Klub seine Option auf eine Verlängerung um eine Spielzeit zieht.

Wie bei allen anderen Stationen dürften sich Fans und Mitspieler dann fragen, was für Ben Arfa möglich gewesen wäre, hätte sein Kopf zu den Füßen gepasst.

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