"Das ist für mich ein Spieler, mit dem Real die nächsten zehn Jahre einen absoluten Weltklasse-Spieler sicher hat", sagte Toni Kroos neulich über Teamkollege Federico Valverde. Der ehemalige Nationalspieler holte mit dem Gedanken an Real Madrids derzeitigen Mann der Stunde in seinem Podcast "Einfach mal Luppen" zu einer regelrechten Lobeshymne aus. Bereits nach dem 3-1-Sieg im Clásico erhielt der Uruguayer via Twitter ein Riesenlob von dem 32-Jährigen, wonach er aktuell zu den drei besten Spieler der Welt gehören würde. Dieser antwortete: "Ich habe den besten Lehrer."
Kroos' Worte kommen nicht von ungefähr. Mit sieben Toren und drei Assists in 17 Pflichtspielen ist Valverde das Gesicht des königlichen Erfolgs dieser Spielzeit. Die Madrilenen weilen ungeschlagen an der Tabellenspitze, in der Champions League sind sie bereits sicher im Achtelfinale. Der Gruppensieg ist aufgrund der bislang einzigen Pleite in dieser Spielzeit vor einer Woche gegen RB Leipzig noch nicht sicher - am Mittwoch gegen Celtic Glasgow (18.45 Uhr im LIVE-TICKER) kann das nachgeholt werden. Bezeichnend: Valverde fehlte beim 2:3 in Sachsen, in den restlichen Spielen hatte er meist in der Startelf gestanden.
Und auch das überrascht nicht. Valverde kann sowohl überall auf der rechten Außenbahn als auch im zentralen Mittelfeld eingesetzt werden. In den ganz wichtigen Spielen, wenn die Dienste von Kroos, Luka Modric und Co. benötigt werden, agiert er auf dem rechten Flügel. "Ich glaube, dass er am Ende der Tage konstant auf der Acht landen wird. Aber wenn ich sehe, wie er auch jetzt schon auf anderen Positionen spielt, ist das überragend. Wenn er gesund und auf dem Boden bleibt, gibt es wenige Limits. Ich bin großer Fan von ihm", schwärmte Kroos von der "überragenden Form" des 24-Jährigen.
Diese Qualitäten blieben auch anderen Top-Klubs in Europa nicht verborgen. Der FC Bayern soll bereits 2020 wegen Valverde bei Real angefragt haben, als die Münchner einen Ersatz für den damals zum FC Liverpool gewechselten Thiago gesucht hatten. Doch die Antwort war so klar wie nur möglich: Unverkäuflich! Stattdessen holten die Münchner kurz vor Ende des Transferfensters im Herbst 2020 Marc Roca von Espanyol Barcelona. Das Interesse an Valverde erkaltete auch danach nicht, doch nach dem jüngsten Leistungssprung des Uruguayers dürfte ein Transfer inzwischen ausgeschlossen sein.
Getty ImagesFederico Valverde: Kuriose Wette mit Carlo Ancelotti
Dass Valverde momentan "aus einem guten Kollektiv heraussticht" (Kroos), indem er der Liga sogar einen Treffer mehr als Weltfußballer Karim Benzema (5) erzielt hat, war nicht wirklich abzusehen. In der vergangenen Spielzeit hatte Valverde lediglich einmal zu den Torschützen gehört, obwohl er hin und wieder auf der rechten Angriffsseite zum Einsatz gekommen war - und deshalb auch belächelt wurde. Insgesamt traf er bis Sommer in 170 Pflichtspielen nur sechsmal, was in der vergangenen Transferperiode Liverpool nicht davon abgehalten haben soll, satte 100 Millionen Euro für Valverde zu bieten.
Ein Blick auf die Datenbank von FBref unterstreicht den ernüchternden Wert: Nur 36-mal schoss Valverde 2021/22 auf das gegnerische Tor, der Expected-Goals-Wert lag pro Abschluss bei 0,03. Kein anderer Offensivspieler war derart ungefährlich. Dennoch setzt ihn Trainer Carlo Ancelotti nun fast nur noch offensiv ein. "Er muss diese Verantwortung tragen", sagte der Italiener vor einigen Wochen und lüftete eine angesichts der Zahlen aus der Vorsaison wahnwitzige Wette: "Ich habe ihm gesagt: 'Wenn du nicht in der Lage bist, mindestens zehn Tore in einer Saison zu machen, muss ich meinen Trainerschein zerreißen und in Rente gehen'."
Ancelottis Forderung hat offensichtlich etwas in Valverde freigesetzt. In der noch nicht einmal zur Hälfte abgelaufenen Saison suchte er schon jetzt häufiger den Abschluss als in jeder anderen Spielzeit - und zwar aus jeder Lage. Die Belohnung: Vier Treffer aus der Entfernung. Viermal oder häufiger außerhalb des Sechzehners traf bei Real zuletzt ein gewisser Cristiano Ronaldo in der Saison 2015/16 (5). "Im Training habe ich schon oft unter ihm gelitten. (...) Sein Schuss ist so hart, dass er unmöglich zu parieren ist", gestand Welttorhüter Thibaut Courtois.
Neben seiner besonderen Schusstechnik verfügt Valverde auch über ein hohes Laufpensum. In Sachen Zweikampf und Passspiel bewegt er sich schon länger auf hohem Niveau - Attribute, die nicht wirklich eine schlüssige Erklärung für seinen Spitznamen liefern: "el Halcón", zu deutsch "der Falke". Die spanische Übersetzung von "Schweizer Taschenmesser" oder "Allzweckwaffe" wäre passender. Die Vielseitigkeit stützt außerdem Kroos' These, dass Valverde wohl auf Dauer wieder ins Zentrum rückt - zumal die Verträge von Modric und Kroos, der wohl verlängern wird, 2023 auslaufen.
Außerdem interpretiert Valverde seine aktuelle Rolle ohnehin schon zentrumsnah und schafft dem rechten Verteidiger (meist Dani Carvajal) Platz. Durch sein Gespür für den freien Raum zieht er die gegnerischen Verteidiger auf sich, auch den Weg nach hinten scheut er nicht. Seine Defizite im Dribbling kompensiert er mit seiner körperlichen Robustheit. "Er ist unfassbar schnell, hat ein gutes, klares Passspiel, einen überragenden Schuss, arbeitet defensiv. Er hat oftmals vorne rechts gespielt, verteidigt da halt wie ein rechter Verteidiger und marschiert trotzdem nach vorne", schwärmte Kroos. Heißt: Valverde ist in Reals 4-3-3 eigentlich vierter Mittelfeldspieler und fünfter Verteidiger zugleich.
GettyToni Kroos: Valverde? "Keiner von den 19-, 20-Jährigen ..."
Dass Valverde mal ein Schlüsselspieler des Weißen Balletts wird, hatte sich lange nicht angedeutet. Im Gegensatz zum Großteil seiner Vereinskollegen kam er als noch völlig unbekanntes Talent nach Madrid. 6,5 Millionen Euro überwies Real 2016 an seinen Jugendklub CA Peñarol, ehe Valverde nach einer Saison bei der zweiten Mannschaft für zwölf Monate an Deportivo La Coruña ausgeliehen wurde. Nach seiner Rückkehr gehörte er dem Vorbereitungskader an.
Kroos bekam als Valverdes "Vorbild" den Auftrag, nach dem damaligen Talent zu schauen und fand schnell Gefallen an dessen Einstellung, die sich bis heute kaum geändert hat. "Er ist mir sofort aufgefallen, dass er ein guter Junge ist. Das hat man sofort gemerkt, er ist keiner von den 19-, 20-Jährigen, die denken, sie sind etwas Besonderes, weil sie da mitreisen dürfen. Ruhig, schüchtern, wenig geredet, aber auf dem Platz schon immer Gas gegeben. Er hat keine Angst gehabt." Und weiter: "Ich sehe absolut keine Gefahr bei dem, was jetzt passiert, dass er irgendwie durchdreht."
Da wundert es auch nicht, dass Ancelotti ebenfalls keine Angst bezüglich der Wette verspürt. "Mein Job ist sicher", erklärte er noch kurz vor dem 3:1-Sieg gegen den FC Sevilla, bei dem Valverde zum dritten Mal in Folge getroffen hatte. Mehr Risiko will er dennoch nicht eingehen. "Die Anzahl bei der Wette will ich nicht erhöhen, denn ich würde meinen Trainerschein in Gefahr bringen", scherzte er zuletzt. Das würde ohnehin nicht zu seiner Bescheidenheit passen, die Ancelotti so schätzt: "Das kann dir helfen, in der Zukunft ein großartiger Anführer zu werden."

