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Schalke 04: Wird der neue Trainer Dimitrios Grammozis verbrannt? Das Pro und Contra


DEBATTE

Dimitrios Grammozis ist der fünfte Trainer des FC Schalke 04 in dieser Saison - und soll auch unabhängig von der Schalker Liga-Zugehörigkeit in der kommenden Saison auf der Bank sitzen.

Doch kann das funktionieren? Hätte Schalke nicht besser einen Trainer bis Saisonende verpflichten und sich erst dann festlegen sollen? Ein Pro und Contra.

Pro: Kein Neuanfang mit Grammozis bei Abstieg

Von Martin Volkmar

Vier Trainer hat Schalke in dieser Saison schon verschlissen - und es spricht einiges dafür, dass Dimitrios Grammozis der fünfte sein wird.

Sofern man der Süddeutschen Zeitung glauben darf, gibt es für die Königsblauen immerhin die Option, den bis 2022 geschlossenen Vertrag schon im Sommer vorzeitig zu beenden. Somit würden die horrenden Verbindlichkeiten des Vereins zumindest nicht durch die Weiterbezahlung eines zusätzlichen Ex-Trainers belastet.

Stimmt der Bericht, so liegt das komplette Risiko bei Grammozis. Gut für Schalke, dass den ehemaligen Profi der Job in der Bundesliga so sehr reizt, dass er ungeachtet des historisch-statistisch betrachtet schon feststehenden Abstiegs diese Mission Impossible annimmt. Gelingt Grammozis tatsächlich noch das Wunder, würde man ihm vermutlich am Berger Feld ein Denkmal bauen.

Aber der Ex-Profi geht ein sehr hohes Risiko ein. Denn realistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass er als Absteiger keine Zukunft mehr auf Schalke hat.

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Bild: imago images / RHR-Foto

Schalke 04: Wenig Hoffnung auf Kehrtwende

Ein solcher Sturz in die Zweitklassigkeit ist ein Super-GAU für jeden Verein, vor allem aber für einen Traditionsverein wie Schalke, und schlägt emotional erst dann so richtig durch, wenn er endgültig perfekt ist - selbst wenn schon Monate vorher alles darauf hingedeutet hat.

Es gibt mehr als genug Beispiele in der Bundesliga-Geschichte, wo Trainer im Abstiegskampf kurzfristig eingesprungen sind und nach verpasster Rettung trotz gültigen Vertrags wieder entlassen wurden. Oder kurz nach Beginn der neuen Saison, weil sie mit dem Rucksack des Abstiegs schon vorbelastet keine Aufbruchstimmung mehr erzeugen konnten und bereits nach zwei bis drei schlechten Spielen die Geduld von Verantwortlichen und Fans am Ende war.

Wenn man sich die Leistungen des Tabellenletzten seit Anfang 2020 anschaut, gibt es wenig Hoffnung auf eine Kehrtwende um 180 Grad: Unter David Wagner blieb das Team in den letzten 18 Spielen ohne Sieg und holte gerade mal sechs Punkte (sechs Unentschieden, zwölf Niederlagen), danach in zehn erfolglosen Spielen unter Manuel Baum vier Zähler (vier Remis, sechs Niederlagen) und schließlich in ebenfalls zehn Spielen unter Christian Gross fünf Punkte, darunter den einzigen Sieg (bei zwei Unentschieden und sieben Niederlagen).

Nun bleiben Grammozis noch elf Spiele und bei allem Respekt vor dem Engagement des neuen Chefcoaches finden sich kaum noch Gründe, wieso die seit knapp eineinhalb Jahren komplett nicht erstligataugliche Schalker Mannschaft plötzlich ein völlig anderes Gesicht zeigen sollte. Geht das langsame Siechtum Richtung Abstieg aber genauso weiter wie unter seinen Vorgängern, ist auch Grammozis schon vor Saisonende "verbrannt".

Contra: Schalke hat endlich eine strategische Entscheidung getroffen

Von Filippo Cataldo

Auch wenn es schwerfällt, diesen Schalkern noch irgendetwas zuzutrauen oder ihnen zu glauben, dass sie es auch wirklich durchziehen werden: Dimitrios Grammozis schon jetzt zum Trainer für die höchstwahrscheinlich letzten elf Bundesligaspiele und den Neuaufbau im Unterhaus zu machen, war strategisch die absolut richtige Entscheidung. Respektive der erste Plan seit Langem.

Ohne, dass es auch nur den geringsten Anlass zu Hoffnung gegeben hätte, hat Schalke viel zu lange darauf gehofft, dass es sich irgendwie retten würde. Aufsichtsrat und die nunmehr entlassenen Verantwortlichen um Sportvorstand Jochen Schneider haben den Karren nicht nur sehenden Auges in den Dreck gefahren, sondern ihn mit jeder verzweifelten Entscheidung der letzten Monate noch tiefer eingegraben.

Die Installation von Christian Gross als Retter war maximal fraglich, dann auf den letzten Drücker die vermeintlichen Heilsbringer mit angeblich blauem Herzen Sead Kolasinac, Klaas-Jan Huntelaar und Shkodran Mustafi zu verpflichten, war fatal. Nabil Bentaleb erneut zu begnadigen, geradezu absurd.

Spätestens im Dezember hätte Schalke einen konkreten Plan für den Gang in die Zweite Liga gebraucht, spätestens an Weihnachten hätte der Klub einen Trainer holen müssen, mit dem er zur Not eben auch ins Unterhaus gehen würde.

Schalke 04: Grammozis kann fast nur gewinnen

Womöglich hätte Schalke sich dann sogar noch, ähnlich wie Borussia Mönchengladbach unter Lucien Favre 2011, retten können. Dafür ist es jetzt zu spät. Aber verloren ist auch noch nicht alles - wenn Schalke ausnahmsweise mal nicht Schalke-Dinge macht und sich Peter Knäbels Bekundungen nicht als Geschwätz entpuppen.

Grammozis kann sogar nur gewinnen, wenn er einigermaßen mutig und konsequent agiert und am Besten schon jetzt vorwiegend auf die Spieler setzt, die er auch in der kommenden Saison zurückgreifen möchte.

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Schlechter als zuletzt kann es nicht laufen. Viel tiefer kann Schalke nicht mehr sinken. Die viel beschworene Gefahr, Grammozis würde schon verbrannt in die neue Saison gehen, sehe ich nicht. Einen einigermaßen normalen Abstieg, so schwer das momentan vorstellbar ist, würde ihm ohnehin niemand anlasten. Selbst weitere Wendungen im Schalker Schmierenstücks würden nur schwerlich auf ihn zurückfallen können. Zudem: Sollte Schalke unter Grammozis in den verbliebenen elf Bundesligaspielen auch nur zwei Siege einfahren, wäre er schließlich schon der erfolgreichste Trainer seit 2019.

Grammozis kann vielmehr ab sofort entscheidenden Einfluss nehmen auf die Kaderzusammenstellung für die kommende Saison, er kann sich die Jungen aus der Knappenschmiede anschauen, auf die Schalke nicht nur aus finanziellen Gründen künftig noch mehr setzen dürfte. Er kann Sympathien gewinnen, sein erster Auftritt war ja schon mal vielversprechend. Und er kann sich schon mal anschauen, wie sehr er mit dem Stress auf Schalke zurecht kommt. Das Kündigungsrecht zum Ende der Probezeit, von der die Süddeutsche Zeitung berichtet, gilt ja für beide Seiten.

Sollte es also doch nicht passen, hätte keine Partei wirklich verloren.

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