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U19-Trainer Danny Schwarz vom FC Bayern im Interview: "Alaba hat mich mit großen Augen angeschaut, wenn ich ihm etwas erklärt habe"


EXKLUSIV-INTERVIEW

Danny Schwarz war viele Jahre als Profi in der Bundesliga aktiv. Er zählte zu den Hachinger Protagonisten, die Bayer Leverkusen vor exakt 20 Jahren ins Tal der Tränen stürzten und dem benachbarten FC Bayern München somit zum Titel verhalfen. Außerdem bekam er Schalkes Vier-Minuten-Meisterschaft im Folgejahr hautnah mit und lief dreimal für Deutschlands A2-Nationalmannschaft auf. 

Im ausführlichen Karriere-Interview mit Goal und SPOX spricht der 45-Jährige über das legendäre Duell mit Bayer 04, seine Anfänge als Profi, Förderer Joachim Löw, die Zeit in der A2-Nationalmannschaft sowie seinen Wechsel von 1860 zum Erzrivalen Bayern.

Schwarz, der mittlerweile als U19-Trainer beim Rekordmeister angestellt ist, verrät zudem, was seinen ehemaligen Mitspieler David Alaba so besonders machte, warum er es als "Geschenk" empfand, Pep Guardiolas Training zu verfolgen und dass junge Fußballer nicht zu sehr in spielsystematische Korsette gezwängt werden sollten.  

Danny, in diesen Tagen feiert eines der wohl geschichtsträchtigsten Saisonfinals der Bundesligageschichte Jubiläum ...

Danny Schwarz: Ich denke, Sie spielen auf das Finale der Saison 1999/2000 an (lacht).

Schwarz: "Einer der schönsten Momente meiner Karriere"

Das kleine Unterhaching bezwang Meisterschaftsaspirant Leverkusen sensationell mit 2:0. Sie gaben die Flanke zu Michael Ballacks legendärem Eigentor. Was empfinden Sie, wenn Sie heute auf das Spiel zurückblicken?

Schwarz: Das war einer der schönsten Momente meiner Karriere, völlig unabhängig von den Mannschaften und Protagonisten, die damals involviert waren. Rein rational betrachtet war das für uns Hachinger eine ganz besondere Situation. Wir waren schon längst gerettet, was uns vor der Saison absolut niemand zugetraut hätte - und plötzlich blickte ganz Fußball-Deutschland auf das kleine Dorf, das Teil dieses Schlussaktes sein durfte. Für uns ging es nur darum, auf großer Bühne zu zeigen, dass wir zu Recht in der Bundesliga waren.

Mit dem Sieg gegen Bayer 04 verhalf Haching dem Nachbarn FC Bayern zur Meisterschaft. Inwiefern wurde das vor der Partie innerhalb der Mannschaft ein Thema?

Schwarz: Dass wir den Bayern zur Meisterschaft verhelfen können, schwang logischerweise vor dem Spiel mit. Dass ausgerechnet wir das Zünglein an der Waage sein könnten, war zwar sehr speziell, aber es war nicht unser Antrieb, Bayern zum Meister zu machen. Für uns war nur wichtig, dass wir unsere letzten Reserven mobilisieren, weil wir nach dieser kräftezehrenden Saison eigentlich stehend k.-o. waren. Welche Auswirkungen unsere Leistung hatte, wurde uns tatsächlich erst hinterher gänzlich bewusst. 

Ihr ehemaliger Mannschaftskollege Markus Oberleitner hat einmal zu 11Freunde gesagt, dass Leverkusen damals gehemmt wirkte. Hatten Sie das Gefühl, dass Bayer dem Druck nicht gewachsen war?

Schwarz: Am Anfang nicht, die erste Viertelstunde war heftig. Wir hatten Glück, dass wir nicht in Rückstand geraten sind. Aber ich kann Markus' Wahrnehmung bestätigen, dass Leverkusen mit fortlaufender Spielzeit gehemmter wirkte.

***GER ONLY*** Danny Schwarz Unterhaching Leverkusen

Wie äußerte sich das auf dem Platz?

Schwarz: Ich glaube, die Leverkusener haben irgendwann erkannt: "Hoppla, das wird kein Selbstläufer hier." Davon waren aber im Vorfeld der Partie die meisten Menschen ausgegangen. Weil Bayer 04 zu diesem Zeitpunkt eine absolute Top-Mannschaft war und einen Lauf hatte. Das erlösende 1:0 aus ihrer Sicht fiel aber einfach nicht, stattdessen gerieten sie aufgrund Ballacks Eigentor sogar in Rückstand. Spätestens danach war an der Mimik der Spieler zu erkennen, dass sie begannen, nachzudenken und zu zweifeln.

Haben Sie den Leverkusenern nach Abpfiff Trost gespendet?

Schwarz: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich mit den Leverkusenern nach Abpfiff Kontakt hatte. Ich weiß nur noch, dass bei uns grenzenloser Jubel ausgebrochen ist und die Leverkusener den Platz sofort verlassen haben. In dieser Situation möchte man vom Gegner wahrscheinlich keinen Trost bekommen, sondern man sieht zu, dass man schnell wegkommt.

Schwarz über Unterhaching: "Der Charme war einzigartig"

Dass kleine Vereine wie Unterhaching im Zirkus der Großen mitmischen ist mittlerweile eher unüblich. Gäbe es aktuell dennoch einen Klub, der mit Haching damals vergleichbar ist?

Schwarz: Mir fällt spontan nur der SC Paderborn ein, der zweimal in Folge aufgestiegen ist. Auch die Infrastruktur und Spielernamen erinnern etwas an Unterhaching. Allerdings muss ich sagen, dass der Charme, den Haching damals versprüht hat, einzigartig war. Dieses Heimelige, dieses kleine Stadion mit einem Fassungsvermögen von etwas über 10.000 Zuschauern – das gibt es heutzutage in dieser Form nicht mehr.

In der darauffolgenden Saison stiegen Sie ab, waren aber wieder Teil eines Stückes Bundesliga-Geschichte. Stichwort: Schalkes Vier-Minuten-Meisterschaft 2001. Wie gingen die letzten 90 Minuten Hachinger Erstklassigkeit vonstatten?

Schwarz: Die Konstellation war folgendermaßen: Wir hätten, um nicht abzusteigen, auf Schalke gewinnen müssen und 1860 München durfte gleichzeitig nicht gegen Cottbus verlieren. Wir haben eine sensationelle erste Halbzeit gespielt und sind mit 2:0 in Führung gegangen. Wir waren richtig ekelig für den Gegner und ich kann mich daran erinnern, dass Miroslaw Spizak alleine auf den Schalker Keeper Oliver Reck zugestürmt ist, aber das 3:0 verpasst hat. Im Gegenzug haben wir kurz vor der Pause das 2:1 und 2:2 gefangen. Mitte der zweiten Hälfte zeigte Schalkes Jörg Böhme auf die Anzeigetafel und sagte: "Guck mal, Cottbus führt gegen 1860!" Zu dem Zeitpunkt war klar, dass wir so gut wie abgestiegen waren. Schalke hat gemerkt, dass daraufhin bei uns etwas die Luft raus war. Mithilfe ihrer 60.000 Fans im Rücken haben sie alle Reserven mobilisiert und schließlich 5:3 gewonnen. Aus unserer Sicht war in diesem Spiel mehr drin, aber es hätte ohnehin nichts gebracht, weil Cottbus gegen die Löwen gewann. 

***GER ONLY*** Schalke 2001imago

Weil Bayerns Patrik Andersson in letzter Sekunde einen indirekten Freistoß in Hamburg verwandelte, musste Schalke sich mit Platz zwei begnügen. Die Bilder der weinenden Knappen-Fans sind wohl jedem deutschen Fußballfan geläufig. Wie haben Sie dieses Drama erlebt?

Schwarz: Nach dem Abpfiff brachen im Parkstadion alle Dämme, die Fans sind auf den Platz gestürmt. Uns war es aber relativ egal, was in Hamburg passierte und wer Meister wird. Wir sind nur zusammengesackt und waren enttäuscht, es nicht geschafft zu haben. Ich lag auf dem Rasen und sah die jubelnden Schalker an mir vorbeirennen. Erst auf dem Weg in die Kabine realisierte ich, dass Bayern tatsächlich noch zum Ausgleich gekommen war. 

Unterhaching war zum damaligen Zeitpunkt bereits die dritte Profistation Ihrer Karriere, die in Stuttgart begann. Wie wurde der VfB auf Sie aufmerksam?

Schwarz: Das Scouting-System, das wir heute kennen, gab es damals noch nicht. Ich habe als 20-Jähriger noch beim Landesligisten 1. FC Eislingen gespielt. Wir bekamen es im WFV-Pokal mit den Stuttgarter Kickers zu tun, die damals in der Regionalliga spielten und Jungs wie Jonathan Akpoborie in ihren Reihen hatten. Wir gewannen völlig überraschend mit 2:1 und ich erzielte beide Treffer. Sogar die Bild-Zeitung widmete uns einen Artikel, das war das absolute Highlight. Mein Trainerteam bei Eislingen hatte einen guten Draht zum Co-Trainer vom VfB Stuttgart II und empfahl mich weiter. So kam der Kontakt zustande.

Mit 20 Jahren in Richtung Profifußball durchzustarten, ist unter heutigen Gesichtspunkten ein verhältnismäßig hohes Alter.

Schwarz: Das stimmt. Ich war ein typischer Spätstarter, ähnlich wie mein Kollege Miroslav Klose. Er ist ebenfalls erst mit 20 oder 21 Jahren im Profifußball angekommen.

Vom Landesligisten zum VfB Stuttgart ist ein großer Sprung. Wie etablierten Sie sich?

Schwarz: Obwohl es zunächst "nur" die VfB-Amateure waren, war der Schritt aus der sechsten Liga in die Oberliga brutal. Meine erste Woche in Stuttgart war die vermutlich fieseste Zeit meiner Karriere (lacht).

Warum?

Ich war extrem nervös, als ich aus dem beschaulichen Eislingen nach Stuttgart fuhr. Aber ich habe mich tatsächlich schnell festgebissen. Am zweiten Oberliga-Spieltag waren zufälligerweise Rolf Fringer und Joachim Löw, also die Trainer der ersten Mannschaft, vor Ort. Ich habe offenbar ein sehr gutes Spiel gezeigt, denn eine Woche später wurde mir mitgeteilt, dass ich künftig regelmäßig bei den Profis mittrainieren dürfe.

Schwarz: "Dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht"

Wie ging es weiter?

Schwarz: Meine ursprüngliche Idee war eigentlich, dass ich zunächst einmal bei den Amateuren Fuß fasse und irgendwie den Sprung nach oben schaffe. Aber ich habe die Chance bei den Profis genutzt und sechs Monate später in Freiburg mein erstes Bundesligaspiel gemacht. Dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Aber ich hatte wohl auch das nötige Quäntchen Glück auf meiner Seite.

Sie haben den heutigen Bundestrainer Joachim Löw bereits angesprochen. Wie haben Sie seine Arbeit bei Stuttgart wahrgenommen?

Schwarz: Er war zunächst Co-Trainer unter Rolf Fringer und wurde ein Jahr später zum Chefcoach befördert. Ich habe Joachim Löw damals immer als Verfechter des Straßenfußballs wahrgenommen. Er hat sich weniger mit irgendwelchen Systemen oder physischen Aspekten beschäftigt, sondern bei ihm stand immer das Spiel mit Ball im Vordergrund. Wir haben viele Kleinfeld- und Positionsspiele gemacht. Natürlich hat er sich in den vergangenen 20 Jahren als Trainer weiterentwickelt, aber seine Philosophie, die damals recht progressiv war, hat er sich größtenteils bis heute bewahrt.

Was waren die prägnantesten Unterschiede zwischen Joachim Löw und anderen Trainern?

Schwarz: Er hat sehr viel Wert auf ein ballfokussiertes Training gelegt und war mit uns kaum im Wald. Später, bei meinen anderen Stationen, haben wir teilweise Waldläufe bis zum Erbrechen absolviert. Das kam meinem Spielstil eigentlich überhaupt nicht entgegen, weil ich kein Spieler war, der über die Physis gekommen und im defensiven Mittelfeld durch die Gegend gegrätscht ist.

Und welcher Coach hatte eine besondere Leidenschaft für Waldläufe?

Schwarz: Lorenz-Günther Köstner, mein Trainer bei Haching. Allerdings muss ich dazu sagen, dass eine starke Physis unsere einzige Chance war, in der ersten Liga zu bestehen.

Inwiefern?

Schwarz: Das soll nicht heißen, dass wir nicht kicken konnten. Wir haben lediglich versucht, uns den Gegebenheiten anzupassen und uns als Ziel gesetzt, eine ekelige, schwer zu bespielende Mannschaft zu werden. Das ist uns gelungen. Dementsprechend war Köstners Marschroute für Haching clever und genau richtig. Er hat gesagt: "Wir machen das auf eine andere Art und Weise, sonst steigen wir sofort wieder ab." Wir gingen läuferisch und kämpferisch also bestens vorbereitet in die Bundesliga-Saison und viele Mannschaften haben sich an uns die Zähne ausgebissen. Wenn wir versucht hätten, mit Vereinen wie Bayern, Dortmund oder Leverkusen mitzuspielen, dann wären wir gnadenlos abgeschossen und durchgereicht worden.

Kommen wir noch einmal zurück zu Joachim Löw. Sie gewannen gemeinsam den DFB-Pokal 1997 nach einem 2:0 gegen Energie Cottbus. Wie verlief die Partynacht in Berlin?

Schwarz: Ich weiß nur noch, dass ich mir die Haare rot gefärbt habe (lacht). Da ich eher in der zweiten Reihe stand, war der DFB-Pokalsieg für mich allerdings nicht der Moment, um völlig auszuflippen. Wenn ich Stammspieler gewesen wäre und über 90 Minuten im Finale auf dem Platz gestanden hätte, wäre das vermutlich anders gewesen.

***GER ONLY*** Danny Schwarz Joachim Löwimago

Immerhin wurden Sie aber kurz vor Schluss eingewechselt.

Schwarz: Für dieses kleine Bonbon bin ich Joachim Löw wirklich bis heute dankbar. Ich habe es als Bestätigung meiner Entwicklung gesehen, denn es saßen durchaus namhaftere Spieler neben mir auf der Bank. Dennoch: Ich war Teil der Mannschaft, aber hatte mit Zvonimir Soldo einen gestandenen kroatischen Nationalspieler vor mir, an dem ich nicht vorbeikam. Ich musste mir ein Jahr später eingestehen, dass ich einen anderen Weg suchen muss, um meine Karriere auf Trab zu bringen.

Dieser Weg führte Sie 1998 ausgerechnet zum Stuttgarter Erzrivalen Karlsruher SC. Nahmen die VfB-Fans Ihnen den Schritt übel?

Schwarz: Die VfB-Fans nicht, sondern eher die KSC-Fans (lacht). Es war am Anfang wirklich nicht so einfach. Zum Zeitpunkt meiner Unterschrift war Karlsruhe noch erstklassig, am letzten Spieltag stieg der Verein jedoch ab. Zu Beginn der Zweitligasaison lief dann überhaupt nichts zusammen und wir standen nach fünf Spieltagen mit null Punkten da. Die Stimmung bei den Fans kippte und ich war als ehemaliger VfB-Spieler eine gefundene Zielscheibe.

Gelang es Ihnen im Laufe der Zeit, die KSC-Fans von Ihren Qualitäten zu überzeugen?

Schwarz: Als wir uns aus sportlicher Sicht gefangen hatten, besserte sich die Situation. Generell muss ich rückblickend sagen, dass der Schritt in die zweite Liga für meine persönliche Entwicklung genau richtig war. Ich habe mich zum Stammspieler gemausert und insgesamt 31 Saisonspiele bestritten. Das wäre im Falle des Klassenerhaltes auf jeden  Fall schwieriger gewesen.

Nationalspieler Schwarz: "Ich habe jedes Spiel genossen"

Während Sie später bei Haching spielten, waren Sie Teil der deutschen A2-Nationalmannschaft. Was hatte es mit diesem Konzept auf sich?

Schwarz: Die A2-Nationalmannschaft war für Spieler gedacht, die für die U21 zu alt waren und sich im Dunstkreis der A-Nationalmannschaft bewegten. Besagte Spieler sollten die Möglichkeit bekommen, sich neben der Bundesliga auf internationalem Parkett zu präsentieren und die Kluft zur A-Nationalmannschaft minimieren. Man kann dieses Modell als Zwischenschritt bezeichnen, weil der Sprung von der U21 in die A-Nationalmannschaft damals schwieriger war als heute.

Warum war es damals schwieriger für junge Spieler?

Schwarz: Man kann den Fußball von damals nicht mit heute vergleichen. Die Jungen spielten im Normalfall keine tragende Rolle bei ihren Vereinen. Nur ein Beispiel: Beim VfB Stuttgart zählten zu meiner Zeit maximal zwei junge Spieler zum 18-Mann-Kader. Ich glaube, der DFB hat aber irgendwann gemerkt, dass er dem Unterbau viel mehr Aufmerksamkeit widmen muss.

War die A2-Nationalmannschaft also in gewisser Weise ein Produkt dieses Lernprozesses beim DFB?

Schwarz: Die A2-Nationalmannschaft war womöglich eine Reaktion auf das schwache Abschneiden bei der WM 1998. Generell fand zu jener Zeit ein Umdenken statt und das Hauptaugenmerk wurde im Jugendbereich auf die Nachwuchsleistungszentren gelegt. Selbstverständlich trugen diese Maßnahmen nicht sofort Früchte, aber auf lange Sicht war die Entscheidung des DFB genau richtig.

Sprungbrett oder lästiges Beiwerk - wie haben Sie als Spieler die Berufung in die A2-Nationalmannschaft bewertet?

Schwarz: Definitiv als Sprungbrett. Ich habe zuvor bereits drei Spiele für die U21-Nationalmannschaft absolviert. Als ich das erste Mal für den DFB aufgelaufen bin, habe ich erst realisiert, dass ich den Adler auf der Brust trage und Deutschland repräsentieren darf - obwohl ich wenige Jahre zuvor noch in der sechsten Liga gekickt hatte. Für die A2-Nationalmannschaft galt das Gleiche, ich habe jedes einzelne Spiel genossen. Wir sind zum Beispiel nach Bosnien gereist, um uns mit der A-Nationalmannschaft zu messen, in der Spieler wie Hasan Salihamidzic oder Sergej Barbarez waren.

***GER ONLY*** Danny Schwarz A2 Nationalmannschaftimago

Wer waren Ihre Teamkollegen in der A2-Nationalmannschaft?

Schwarz: Hans-Jörg Butt, Lars Ricken, Gerald Asamoah, Frank Baumann, Bernd Schneider oder Markus Schroth beispielsweise. Also alles gestandene Bundesligaspieler, die auf dem Sprung ins A-Team waren. Einige von ihnen haben sich später tatsächlich ganz oben etabliert.

Die A2-Nationalmannschaft bestand lediglich zwischen 1999 und 2001. Warum hatte das Modell keine Zukunft?

Schwarz: Die konkreten Details kenne ich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass es an den Ergebnissen gelegen hat. Die Resultate waren nämlich nicht sonderlich zufriedenstellend, wir haben mit der A2-Nationalmannschaft meist verloren. In der Öffentlichkeit wurde aufgrund dessen die Sinnhaftigkeit des Modells hinterfragt. Nach dem Motto: "Was machen die da eigentlich, was soll das Ganze? Die tragen ihre Spiele aus, aber verlieren ständig." Dabei wurde nicht bedacht, dass junge Spieler die Chance erhielten, sich auf höchstem Niveau zu beweisen.

Schwarz: "Zu Beginn gab es Proteste"

Im Anschluss wurde das so genannte "Team 2006" ins Leben gerufen, das nach nur zehn Spielen abgeschafft wurde. Können Sie sich erklären, warum sich auch dieses Perspektivmodell nicht etablieren konnte?

Schwarz: Ich glaube, dass schlicht keine Notwendigkeit mehr für diese Zwischenstation bestand. Aufgrund der positiven Entwicklung in den Nachwuchsleistungszentren waren die jüngeren Spieler schneller bereit, den Schritt in die A-Nationalmannschaft zu machen. Außerdem war dieses Projekt klar auf die WM 2006 ausgerichtet und wurde somit irgendwann hinfällig.

Zurück zu Ihnen. Nach Ihrer Station bei Haching folgte 2002 erneut der Wechsel zu einem Lokalrivalen. Sie schlossen sich 1860 München an. Wie gingen Ihre Mitspieler damit um?

Schwarz: Die Verhandlungen mit 1860 München starteten erst nach dem letzten Spieltag. Deshalb hatte ich mit meinen Hachinger Teamkollegen kaum noch Kontakt. Da es zwischen Unterhaching und 1860 aber nicht diese Rivalität wie beispielsweise zwischen den Löwen und dem FC Bayern gibt, handelte es sich dabei um einen ganz normalen Wechsel.

Und wie verhielt es sich sieben Jahre später, als Sie von den Löwen zu Zweitvertretung des FC Bayern wechselten?

Schwarz: Zu Beginn gab es vonseiten einiger Anhänger der Bayern-Amateure Proteste. Darauf hatte ich mich im Vorfeld allerdings schon eingestellt. 

Wie sind Sie mit dem Gegenwind umgegangen?

Schwarz: Das hat sich relativ schnell gelegt. Mehmet Scholl, damaliger Trainer der Amateure, hat das Gespräch mit den Fans gesucht, ich erhielt zudem die Unterstützung des Fanbeauftragten. Die Fans akzeptierten, dass ich nun ein Teil des FC Bayern war und 1860 Vergangenheit war.

Sie sagten, dass Sie im Vorfeld mit Protesten gerechnet hatten. Warum beschritten Sie mit 34 Jahren trotzdem diesen ungemütlichen Weg?

Schwarz: Ich wollte weiter Fußball spielen, weil ich mich noch fit gefühlt habe. Ich hatte damals auch Kontakt zur U23 des VfL Wolfsburg, die von meinem ehemaligen Coach Lorenz-Günther Köstner trainiert wurde. Mehmet Scholl suchte aber zu diesem Zeitpunkt ebenfalls einen erfahrenen Spieler, weil seine Mannschaft in akute Abstiegsnot geraten war. Da ich ohnehin in München lebte, war das die optimale Lösung. Und ganz ehrlich: Die Aussicht, für diesen Verein zu spielen und diesen Verein von innen kennenzulernen, war sehr reizvoll.

Bei den FCB-Amateuren standen Sie 29-mal mit dem jungen David Alaba auf dem Platz. Wie würden Sie ihn beschreiben?

Schwarz: Ehrgeizig, positiv besessen, wissbegierig, lernwillig und demütig. Neben seiner unglaublichen Qualität im fußballerischen Bereich, die damals schon brutal war, verband David alle Attribute, die man braucht, um es nach oben zu schaffen. 

***GER ONLY*** Danny Schwarz David Alabaimago

Er stand am Anfang seiner Karriere, Ihre Laufbahn klang langsam aus. Inwiefern konnte er von Ihrer Erfahrung profitieren?

Schwarz: Wenn ich ihm etwas erklärt habe, hat er mich mit großen Augen angeschaut, gebannt zugehört und sofort versucht, das Erklärte umzusetzen. Es gibt in diesem Alter auch Fußballer, die anfangen zu diskutieren, weil sie der Meinung sind, schon alles zu wissen. Das war überhaupt nicht Davids Art. Er war kritikfähig, hat Gas gegeben, ist in jedem Training an seine Grenzen gegangen und hat immer mehr gemacht als die anderen.

Sie beendeten Ihre Karriere 2012. Welche Pläne hatten Sie sich für Ihr Leben nach dem aktiven Fußball zurechtgelegt?

Schwarz: Ich war Sportinvalide und musste mir überlegen, was ich fortan machen möchte. Aufgrund meiner Invalidität hatte ich die Möglichkeit, über die Berufsgenossenschaft eine Ausbildung zum Sportmarketing-Fachwirt zu absolvieren. Nebenbei habe ich unter Marc Kienle als U19-Co-Trainer beim FC Bayern gearbeitet. Nach der Ausbildung stand ich vor der Entscheidung, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen oder das Fußballbusiness komplett zu verlassen.

Warum entschieden Sie sich für die erste Option?

Schwarz: Ich hatte ein sehr gutes Vorstellungsgespräch bei der Allianz und wäre beinahe in der Versicherungsbranche gelandet. Am letzten Tag vor meiner Zusage wurde mir angeboten, weiterhin Jugendtrainer bei Bayern zu bleiben. Da ich mich eher auf dem Fußballplatz gesehen habe, anstatt von 9 bis 17 Uhr in einem Büro zu sitzen, habe ich der Allianz abgesagt.

Halbtags saßen Sie aber auch beim FC Bayern in einem Büro. Was war Ihre Aufgabe?

Schwarz: Eigentlich war geplant, dass ich alle Abteilungen durchlaufe und überall hereinschnuppere. Dazu kam es aber nicht, weil mir meine Tätigkeit beim Kids Club so viel Spaß gemacht hat. Ich habe die Webseite betreut und ein kleines Magazin geschrieben. Außerdem ließ sich mein Engagement beim Kids Club zeitlich bestens mit meiner Tätigkeit als Co-Trainer vereinbaren. Das war optimal.

Warum tauschten Sie den Bürostuhl trotzdem wieder komplett gegen die Fußballschuhe ein?

Schwarz: Ich konnte einfach nicht mehr sitzen (lacht). Spätestens nach zwei Stunden musste ich aufstehen und mich bewegen. Obwohl die Erfahrung des Büroalltags wertvoll war, habe ich festgestellt, dass die Vorfreude aufs Training am Nachmittag größter war als die Vorfreude aufs Büro. Der Wunsch, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen, hatte sich mit der Zeit also deutlich verfestigt.  

Im Oktober 2013 kam Heiko Vogel als U19-Trainer zum FC Bayern. Welche Rolle spielte er bei Ihrer Entwicklung als Trainer?

Schwarz: Heiko Vogel kam vom Champions-League-Teilnehmer FC Basel zu uns und brachte sehr viele Aspekte aus dem Seniorenfußball ein. Das hat meinen Horizont definitiv erweitert. Als Spieler habe ich mir über die Arbeit als Trainer im Seniorenbereich nicht so viele Gedanken gemacht. Dass es sich dabei um einen Beruf handelt, den man vor allem in puncto Menschenführung erlernen muss, wird häufig unterschätzt. Heiko hat mir mit seinen Tipps jedenfalls einen Schub gegeben. Eines Tages sagte er: "Es ist ja schön und gut, was du als Co-Trainer machst, aber du brauchst eine eigene Mannschaft. Du bist so weit."

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Und dann?

Schwarz: Ich habe die U16 für drei Jahre übernommen und zwischenzeitlich, von März bis Juni 2017, interimsweise die zweite Mannschaft als Cheftrainer gecoacht. Erstmals eine Herrenmannschaft zu trainieren, war eine neue und großartige Erfahrung. Seit Sommer 2019 bin ich gemeinsam mit Martin Demichelis U19-Trainer.

Sie haben kürzlich in einem Gespräch mit Transfermarkt.de verraten, dass Pep Guardiola Sie zu "zwei Dritteln" am meisten beeindruckt hat. Was haben Sie damit gemeint?

Schwarz: Seine Herangehensweise an den Fußball und seine Innovationen. Er zerbricht sich den Kopf über Aspekte, die scheinbar selbstverständlich sind. Er denkt detailliert darüber nach, wie der einzelne Spieler sich zu positionieren hat und warum genau diese Positionierung die bestmögliche sein könnte. Es war ein Geschenk, seine Trainingsmethodik live zu verfolgen und zu sehen, wie er es schafft, dass seine Mannschaft die Pläne umsetzt. Man muss sagen, dass Pep damals der Trainer schlechthin war. Er hatte vor seiner Ankunft in München zwar ein Sabbatical eingelegt, aber jeder konnte sich noch an seine Arbeit beim FC Barcelona erinnern. Ich habe mich immer gefragt, wie und was dort trainiert wurde, weil Barca einfach alles zerlegt hat. Das war Wahnsinn!

Gibt es konkret etwas, das Sie von ihm mitgenommen haben?

Schwarz: Ich war letztlich nur Zuschauer und natürlich nicht im inneren Kreis des Teams. Aber ich habe mir sicherlich bewusst und unbewusst verschiedene Vorgehensweisen von ihm abgeschaut. Ab und zu habe ich mich mit David Alaba ausgetauscht und ihn nach bestimmten Abläufen und Hintergründen gefragt.

Schwarz über Talente: "Du brauchst einen Trainer, der den Mut aufbringt, dich zu bringen"

Hatten Sie die Chance, sich persönlich mit Guardiola über Fußball auszutauschen?

Schwarz: Während einer Länderspielpause haben wir mit der U19 einmal gegen die verbliebenen Profis gespielt. Pep und ich standen allerdings sieben Meter auseinander, ein richtiges Gespräch kam daher nicht zustande. Was mir aber diesbezüglich vor allem in Erinnerung geblieben ist: Obwohl es sich dabei nur um einen Trainingskick handelte, war er von diesem Spiel besessen und hat ständig mit seinem Co-Trainer über einzelne Szenen gesprochen.

David Alaba gilt als letztes waschechtes Eigengewächs, das den Sprung zu den Bayern-Profis gepackt hat. Warum dauert es nicht mehr lang, bis die "Durststrecke" für den FCB-Nachwuchs endet?

Schwarz: Die Frage impliziert, dass es bald jemand schafft (lacht). Wir arbeiten am Campus mit Wahrscheinlichkeiten und möchten die Wahrscheinlichkeit so hoch wie möglich halten. Wann der Fall eintritt, hängt aber von einigen Faktoren ab. Du brauchst als Talent neben der obligatorischen Qualität den passenden Moment und einen Trainer, der den Mut aufbringt, dich zu bringen. Ich muss allerdings sagen, dass die Öffentlichkeit sich bei dieser Thematik zu sehr auf David Alaba versteift.

In welcher Hinsicht?

Schwarz: Es wird das Bild vermittelt, dass es beim FC Bayern nahezu unmöglich ist, den Sprung zu den Profis zu schaffen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass es bei allen Bundesligisten brutal schwer ist. Natürlich war David der Letzte, der sich bei den Bayern-Profis durchgesetzt hat, aber es gibt etliche Spieler, die bei Bayern ausgebildet wurden und sich national und international einen Namen gemacht haben. Emre Can ist von Juventus Turin zum BVB gewechselt, hat beim FC Liverpool gespielt und ist deutscher Nationalspieler. Alessandro Schöpf steht bei Schalke 04 unter Vertrag und hat einige Länderspiele für Österreich auf dem Buckel. Das sind nur zwei Beispiele. Ich finde es schade, dass solche gestandenen Jungs vergessen werden.

Sie haben die Jugendarbeit an der Säbener Straße noch live miterlebt. Wie hat sich die Arbeit seit Öffnung des Campus im Sommer 2017 verändert?

Schwarz: Alles ist nochmal eine Stufe professioneller geworden. Über Umkleidekabinen, Athletik- und Physioräume bis hin zu den Platzverhältnissen. Die Voraussetzungen sind besser als bei manch einem Klub im Profibereich. Man kann sich mittlerweile gar nicht mehr vorstellen, dass sämtliche Mannschaften früher an der Säbener Straße trainiert haben. Es war viel zu eng. Trotz dieser Bedingungen haben es Spieler wie Thomas Müller, Philipp Lahm oder Basti Schweinsteiger nach oben geschafft, aber im Laufe der Zeit war das Ganze nicht mehr professionell genug. Für uns Trainer und auch für die Spieler ist der Campus ein Segen.

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Hat der FC Bayern mit dem Campus im internationalen Vergleich zu spät auf die Entwicklungen reagiert?

Schwarz: Wenn man sich anschaut, wie diesbezüglich von anderen Klubs aufgerüstet wurde, würde ich sagen, dass Bayern rechtzeitig reagiert hat.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit für den Campus nach fast drei Jahren aus?

Schwarz: Die Entwicklungen der Mannschaften und der einzelnen Spieler sind absolut positiv. Wir haben nicht nur aus rein sportlicher Sicht, sondern auch im Hinblick auf Pädagogen vor Ort und Unterkünfte höhere Kapazitäten geschaffen. Die Anzahl an hochtalentierten Spielern in unseren Reihen ist enorm. Was ich allerdings nicht ganz verstehe, ist, dass unsere Jugendarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung kritischer gesehen wird als andere.

Was meinen Sie?

Schwarz: Ich habe das Gefühl, dass es negativ ausgelegt wird, wenn wir Jugendspieler von außerhalb verpflichten. Der Tenor ist: Wenn die Bayern 16- oder 17-jährige Spieler holen, dann zählt das nicht als eigener Nachwuchs. Dieses Vorgehen ist doch bei anderen Klubs ebenfalls gang und gäbe. Natürlich ist das Bestreben da, Spieler aus der Umgebung von der U9 an bis zur U23 oder bis zu den Profis auszubilden. Aber das ist leider nicht so einfach.

In den vergangenen Jahren wurden die Engländer und Franzosen für ihre Jugendarbeit gelobt. Vor allem, weil darauf geachtet wurde, den jungen Spieler ihre Bolzplatzmentalität nicht auszutreiben. Wie schätzen Sie die Situation im deutschen Jugendfußball ein?

Schwarz: Ich bin der Meinung, dass wir rechtzeitig die Kurve bekommen haben. Es ist noch nicht lange her, da wurde zu 80 Prozent über das System philosophiert. Als Fußballer wirst du dabei irgendwann bekloppt und sagst: "Jetzt hör doch mal auf mit diesen Systemen. Ob wir 4-3-3 gegen 3-5-2 spielen, ist doch völlig egal." Systeme sind in jungen Jahren überhaupt nicht entscheidend. Der deutsche Fußball hat erkannt, dass wir uns in eine komplett falsche Richtung bewegt haben. Daran hat Mehmet Scholl mit seiner Kritik an der Nachwuchsarbeit vielleicht auch einen Anteil. Er hat – zugegebenermaßen auf seine ganz spezielle Art und Weise – den Finger berechtigterweise in die Wunde gelegt.

Schwarz: "Ich bin eine Mischung aus Kumpel und Lehrer"

Wie sieht diesbezüglich die Arbeit konkret beim FC Bayern aus?

Schwarz: Wir legen Wert darauf, dass der Ball und die individuelle Ausbildung des Spielers im Vordergrund stehen. Wir versuchen nicht, den Jungs ihre Bolzplatz- oder Straßenfußballermentalität auszutreiben, sondern ermutigen sie vielmehr dazu, das Eins-gegen-Eins zu suchen, mutige Dinge zu machen und kreativ zu sein – und das alles im Einklang mit unserer Spielphilosophie. Ich bin froh, dass diese Art der Spielerentwicklung mittlerweile auch beim DFB ganz oben auf der Agenda ist.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als Jugendtrainer. Können Sie sich in naher Zukunft einen Wechsel auf die Bank einer Profimannschaft vorstellen?

Schwarz: Mein nächstes Ziel ist die Lizenz zum Fußballlehrer. Meine Zeit als Profi hat mir gezeigt, dass sich die Dinge noch am letzten Spieltag ändern können, weshalb ich kein Freund davon bin, zu weit in die Zukunft zu blicken. Ich mache den Job am Campus mit großer Leidenschaft und größtmöglichen Ambitionen und weiß es zu schätzen, bei einem der besten Klubs der Welt Trainer sein zu können. Über das, was in zwei oder drei Jahren sein könnte, mache ich mir aktuell keine Gedanken.

Und wie würden Sie sich als Trainer beschreiben?

Schwarz: Ich versuche, eine Mischung aus Kumpel und Lehrer mit einer natürlichen Autorität zu sein. Das Klopp'sche Modell ist für meine Begriffe ein toller Weg. Mir ist wichtig, authentisch zu sein. Ich möchte, dass die Spieler sich auf und neben dem Platz wohlfühlen, um ihre beste Leistung bringen zu können. Ich bin nicht der Typ, der seine Jungs mit drakonischen Strafen oder übermäßiger Strenge begegnet. Sie wissen, dass sie mit allem zu mir kommen können. Sie wissen aber auch, wo ihre Grenzen sind

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