SV Drochtersen/Assel FC Bayern 08/18Getty

FC Bayern entgeht Blamage in Drochtersen: Kreativitätsbefreite Kapelle im hohen Norden


HINTERGRUND

Gerade war die 55. Spielminute im Kehdinger Stadion zu Drochtersen angebrochen, da wurden die rund 7.000 Zuschauer plötzlich wachgerüttelt. Nicht, weil auf dem Spielfeld hochklassiger Fußball geboten wurde, sondern, weil abgerolltes Klopapier und rot-weiße Wasserbälle den Weg auf den Rasen fanden. Die mitgereisten Fans des FC Bayern zeichneten sich für die Aktion verantwortlich, sorgten damit letztlich für eine siebenminütige Unterbrechung.

Erlebe die Bundesliga-Highlights auf DAZN. Hol' Dir jetzt Deinen Gratismonat!

Dabei wollten die Münchner Anhänger nicht die bis dahin uninspirierte Darbietung ihres Teams "honorieren", was durchaus auf der Hand gelegen hätte. Vielmehr richtete sich das Ganze offensichtlich gegen die Deutsche Fußball Liga und den Deutschen Fußball Bund. "DFB/DFL: Ihr werdet von uns hören…", war auf einem kurz zuvor am Fangzaun angebrachten Banner zu lesen. Erst als Sandro Wagner, der sich gerade hinter dem Tor auf einen möglichen Einsatz vorbereitete, zu den Rädelsführern schritt und diese beschwichtigte, unterließ der rote Tross seine Störungsversuche.

SV Drochtersen/Assel FC Bayern

Es sollte der größte Aufreger einer mäßigen, aber trotzdem denkwürdigen Begegnung sein. Bayerns Neu-Trainer Niko Kovac hatte am Freitagmorgen, kurz bevor der Rekordmeister sich in Richtung Norddeutschland aufmachte, angekündigt, die "volle Kapelle" mit in die 11.000-Seelen-Stadt an der Elbe mitzunehmen. Genau die bot der Kroate dann auch auf, ließ die wohl bestmögliche Elf von Beginn an ran, inklusive dem seit Wochen mit einem Abgang kokettierenden Jerome Boateng. Erstmals seit langer Zeit, hielt sich der FCB, der in den vergangenen Jahren stets mit größtmöglicher Lockerheit durch die erste Runde marschiert war, an das jedes Jahr aufs Neue nervtötend bemühte "der Pokal hat seine eigenen Gesetze."

Drochtersen/Assel machte das, was ein Regionalligist gegen die beste Mannschaft Deutschlands nun mal so macht, stellte sich mit allen zur Verfügung stehenden Männern in den eigenen Strafraum und wehrte erfolgreich die im Minutentakt anrollenden Angriffe der Kovac-Truppe ab. Eine Spielweise, die man heutzutage gemeinhin als "Bus vor dem Tor parken" bezeichnet. Trotzdem gehörte dem krassen Außenseiter tatsächlich die beste Chance der ersten Halbzeit, als Florian Nagel, einst Teamkollege von Bayerns Wagner bei Werder Bremen, in Minute 33 freistehend an Manuel Neuer scheiterte.

FC Bayern über die volle Distanz ideenlos in der Offensive

Auch nach dem Seitenwechsel präsentierte sich der Gast ungewohnt ideenlos, biss sich am Defensivverbund des Underdogs, der mittlerweile sämtliche Ambitionen auf ein eigenes Angriffsspiel ad acta gelegt hatte, die Zähne aus. Einzig ein Verzweiflungsschuss aus der Ferne von Thiago, der an die Unterkante der Latte klatschte, sorgte für Gefahr. Es bot sich eine Szenerie, die selbst die größten Optimisten aufseiten der Hausherren sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätten, ehe Robert Lewandowski, der die Bayern am vergangenen Sonntag noch mit einem Dreierpack gegen Eintracht Frankfurt zum Supercup geschossen hatte, den Favoriten doch noch vor einer Blamage bewahrte.

Hasan Salihamidzic Niko Kovac FC BayernGetty

Dementsprechend huldigte Kovac dem passionierten Gegner auch nach der Partie: "Kompliment an Drochtersen, sie haben toll gekämpft. Das ist das, was Fußball ausmacht", erklärte der Ex-Frankfurter, als er sein Lächeln wiedergefunden hatte, welches ihm während der Begegnung abhandengekommen war. Er schob nach: "Es war ein schwieriges Spiel, wie es im Pokal passiert. Wir wollten das eigentlich nicht und waren gewarnt. Wir haben zu langsam gehandelt." Freude über die knappe Niederlage herrschte indes beim Viertligisten. Drochtersen-Übungsleiter Lars Uder, der hauptberuflich als Lehrer arbeitet, schwärmte: "Es war für uns ein unglaubliches Spiel. Es ist keine Niederlage, wir haben nicht damit gerechnet nur mit 1:0 zu verlieren. "

Kovac will Spiel in Drochtersen "abhaken und vergessen"

Während sie in Drochtersen also vermutlich noch ihren Enkeln von ihrem ganz persönlichen Jahrhundertspiel berichten werden, sich an den Tag erinnern, als gegen eines der dekoriertesten Teams der Welt lediglich mit 0:1 verloren wurde, ist man bei den Bayern darum bemüht, schnell wieder Ruhe einkehren zu lassen. "Wir müssen das jetzt abhaken und vergessen. Es zählt nur, eine Runde weiterzukommen", fasste Kovac zusammen. Vermutlich die richtige Einstellung, steht am kommenden Freitag immerhin der Bundesliga-Auftakt gegen die TSG 1899 Hoffenheim an, die zeitgleich den 1.FC Kaiserslautern mit 6:1 vom Betzenberg geschossen hatte. "Bis dahin haben wir noch einiges zu tun", so der 46-Jährige abschließend, bevor er sich in Richtung Mannschaftsbus aufmachte.

Bis es zum Kracher in der Allianz Arena kommt, sollten die Bayern ihren Ideenreichtum wieder auf den Platz bringen. Auf die Kreativität der eigenen Fans kann man sich schließlich auch nicht jede Woche verlassen.

Mehr zum FC Bayern:

Werbung