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Einseitige Rivalität zwischen Hertha und Schalke: Hass gegen Gleichgültigkeit


HINTERGRUND

"Auf Berlin kommt großes zu. Aber am 14.10 erstmal Gelsenkirchen", steht es in der Hauptstadt dieser Tage an zahlreichen Bushaltestellen, Werbetafeln oder Litfaßsäulen geschrieben. Statt langweiligem Spieltagsplakat hat sich die Marketingabteilung von Hertha BSC zum Spiel gegen den FC Schalke 04 etwas Besonderes ausgedacht und stichelt gegen den Erzrivalen aus dem Ruhrgebiet.

Richtig gelesen: "Erzrivalen". Aber warum Erzrivalen? Wenn man an die Rivalen oder gar Feinde der Schalker denkt, fällt jedem Kind sofort Borussia Dortmund ein und nicht etwa Hertha BSC. "Hertha? Ich kann mit dieser Rivalität nichts anfangen. Die sind mir völlig egal. Unsere Erzfeinde sind die schwarz-gelben Zecken", stellt auch Michael Althoff, Vorstandsmitglied des Schalke-Fanclubs Bergische Knappen Remscheid gegenüber Goal klar. "Ich weiß zwar, dass Hertha-Fans nicht gut auf uns zu sprechen sind. Aber warum das so ist? Keine Ahnung."

Warum also pflegen Herthaner eine Abneigung gegenüber dem FC Schalke? Und warum weiß ein Großteil der S04-Fans nicht einmal von dieser scheinbar einseitigen Rivalität? "Das ist eine alte Geschichte, die schon in den siebziger Jahren entstanden ist", erzählt Andreas Lemnitz, 1. Vorsitzender des Hertha Fanclubs Berlin im Gespräch mit Goal und holt weit aus, um über die Folgen des großen Bundesligaskandals von 1971 zu sprechen, in dem reihenweise Spiele verschoben wurden.

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Ein Bestechungsskandal und seine Folgen

Der Ausgangspunkt für den Hass auf die Gelsenkirchener war der 13. Dezember 1971. Der Tag, an dem die Hertha Schalke in der erste Runde des DFB-Pokal empfing und klar mit 3:0 aus dem Olympiastadion schoss. Eine Schlüsselrolle dabei spielte Berlins ungarischer Spielmacher Zoltan Varga. Nicht aber aufgrund seines Doppelpacks, sondern wegen den Nachwirkungen des Bestechungsskandals, der Fußballdeutschland in diesem Jahr erschütterte.

Wie etliche andere Spieler war Varga wegen Bestechlichkeit vom DFB vorläufig gesperrt worden, da er am letzten Spieltag der Saison 1970/71 rund 15.000 Mark angenommen hatte, damit Hertha BSC gegen die abstiegsbedrohte Arminia aus Bielefeld verliert. Insgesamt wurden an diesem Nachmittag im Mai '71 250.000 Mark an die Berliner bezahlt, die es den Ostwestfalen mit einer 0:1-Pleite dankten.

Aufgrund dieser vorläufigen Sperre sahen sich die Schalker gezwungen, Protest gegen die Wertung der Pokal-Partie einzulegen. Nach endlosen vier Wochen gab der DFB Königsblau damals Recht, obwohl die Sperre juristisch höchst umstritten war, da der Strafprozess gegen Varga zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal lief. Trotz allem wurde aus der 0:3-Niederlage plötzlich ein 2:0-Sieg für S04 – der übrigens den Grundstein für den späteren Triumph von Königsblau im DFB-Pokal legte.

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"Die aus Gelsenkirchen haben uns angeschwärzt"

Wäre das Spiel zwischen Hertha und Bielefeld das einzige manipulierte Spiel der Saison gewesen, läge der Fall klar und kaum jemand zweifelte daran, dass die Schalker im Recht waren – dem war allerdings nicht so, denn auch die Gelsenkirchener ließen sich im Bundesligaskandal vom Geld aus Bielefeld leiten. Im legendären "Geldspiel" am 17. April 1971 nahmen die Knappen rund 40.000 Mark aus Ostwestfalen an, um gegen die Bielefelder mit 1:0 zu verlieren.

Anders als die Berliner bestritten die Schalker die Vorwürfe aber vehement. Der damalige S04-Verteidiger Klaus Fichtel sagte im "Meineid-Prozess" 1977 unter Eid aus, dass er nichts mit den Spielmanipulationen von Bielefeld zu tun habe. Die Gegenbeweise der Staatsanwaltschaft waren allerdings derart belastend, dass Fichtel wegen Falschaussage nur knapp einer Gefängnisstrafe entging.

"Natürlich waren wir auch beteiligt, aber bei der Hertha glauben wir, dass die aus Gelsenkirchen uns damals angeschwärzt haben", erklärt Hertha-Anhänger Lemnitz, der wie etliche andere Berliner das Wort "Schalke" aus seinem Wortschatz gestrichen hat: "In vielen Bereichen gilt es als böses Wort, welches nicht erwähnt werden soll. Ich habe es mir inzwischen angewöhnt, es nicht zu sagen. In Berlin sprechen auch heute noch viele vom FC Meineid."

"Schalke ist der Hauptfeind"

Obwohl seit dem Bundesligaskandal inzwischen fast 50 Jahre vergangen sind, zeigen solche Beispiele, dass die Abneigung gegenüber "Gelsenkirchen" nach wie vor allgegenwärtig ist. "Natürlich wird es nicht von allen getragen", schränkt der Fanclub-Vorsitzende ein, "doch Schalke ist der Hauptfeind und es wird von Generation zu Generation weitergegeben. Ich selbst habe die Geschichten als kleiner Junge von meiner Oma gehört und gebe sie heute an Jüngere weiter."

Ganz anders läuft es rund 500 Kilometer westlich, wo sich nur noch die Ältesten an den Bundesligaskandal erinnern und deshalb keinerlei Hass gegen die Berliner hegen. "Ich als Schalker habe nichts gegen Hertha, auch wenn uns allen Union Berlin lieber ist", erzählt Althoff, der zusammen mit tausenden anderen Schalkern am Samstag zum Auswärtsspiel in die Hauptstadt reisen wird und zwischen seinen Knappen und Hertha "keine Rivalität" sieht.

Ob man beim Zwist zwischen Hertha und Schalke tatsächlich von Rivalität sprechen kann, ist demnach dahingestellt. Denn sind Rivalen denn nicht eigentlich nur Rivalen, wenn sie sich gegenseitig auch als solche anerkennen?  Geht es nach Lemnitz ist das völlig egal: "Uns Berliner stört es nicht, dass in Gelsenkirchen derart wenig darauf eingegangen wird. Es ist zwar bekannt, dass es von der anderen Seite nicht so stark gepflegt wird, doch, wenn wir ehrlich sind, ärgert das in Berlin niemanden."

Dementsprechend gelungen finden die Hertha-Anhänger das aktuelle Spieltagsplakat und die Sticheleien gegen den Rivalen. "Endlich mal Slogan, der besser bei den Fans ankommt als sonst", findet Lemnitz. Ob diese Plakate die Gäste aus Gelsenkirchen aber wirklich ärgern ist allerdings fraglich. "Wer es braucht", kommentiert Schalke-Fan Althoff diese Aktion: "Die werden schon sehen, was da am Samstag auf Berlin zukommt." 

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